Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Führerworte

Doch die Wissenschaft ist kaum eine Führern: für die Neugestaltung des
Lebens. Diese muß vielmehr aus dem kräftigen Wollen der aufsteigenden Gene¬
ration hervorkeimen. Und regt sich nicht tatsächlich in der Jugend der Drang,
von der quantitativen Anschauung zu einer qualitativen Bewertung von Men¬
schen und Dingen überzugehen? Liegt nicht in jener Forderung der "Lebens-
gestaltung nach eigener Bestimmung" und in der Sehnsucht nach einer neuen
Lebensform der Widerspruch gegen die Recheuhaftigkeit unseres Daseins? Der
Zug ins Freie, der Ruf "Zurück zur Natur", entspringen doch schließlich nur dem
Widerwillen gegen die großstädtische Zivilisation, in der ja die Geschäftsmäßlgkeit
und die Geldwirtschaft ihren Sammelpunkt hat. Damit aber diese neue Welt¬
anschauung vollständig zum Durchbruch gelangt, dazu ist es nötig, daß sie
uicht nur als unbewußter, dunkler Drang wirkt, sondern als klare Erkenntnis
der Mehrzahl oder wenigstens den Führenden vor Augen steht. Es gilt eben,
zunächst einmal die Rechenhaftigkeit als das Grundübel unserer Zeit, als die.
wahre Sünde wider den Geist zu erkennen.




Mhrerworte

Was seine Selbständigkeit verloren hat, hat zugleich verloren das Vermögen
einzugreifen in den Zeilfluß, und den Inhalt desselben frei zu bestimmen-, es wird
ihm, wenn es in diesem Zustand verharrt, seine Zeit, und es selber mit dieser
seiner Zeit, abgewickelt durch die fremde Gewalt, die über sein Schicksal gebietet:
es hat von nun an gar keine eigene Zeit mehr, sondern zählt seine Jahre nach
Fichte den Begebenheiten und Abschnitten fremder Völkerschaften und Reiche.

Ich kann's ja nicht lassen, ich muß auch sorgen für das arme elende ver¬
,,
Martin Luther ratene und verkaufte Deutschland.

Wir können das Lachen verlernen, verzweifeln lernen wir nicht.


Walther Flex

Blücher (vor Paris 1,855) Meinem, eisernen Willen verdanke ich alles.

Nationen bestehen nicht aus Millionen: sie bestehen aus den Menschen,
welche sich der Aufgabe der Nation bewußt und darum imstande sind, vor die
Nullen zu treten und sie zu wirkenden Zahlen zu machen.

Keine Institution ist ein Segen für das Volk als die, welche an erster
Stelle Pflichten auferlegt: die Rechte kommen stets von selbst, wenn die Pflichten
Paul de Lagarde ernst genommen werden.

So gehen wir blind in die Irre und verwandeln das Ganze in ein Aggregat
von Gesindel, neuen Reichen und phantastischen Gelehrten.


Freiherr v. Stein

In Parlamenten herrscht die wunderbare Logik, daß, weil ein großer
Mann einmal Unrecht haben könnte, die kleinen immer Recht haben müssen.


Robert Hamerling
Führerworte

Doch die Wissenschaft ist kaum eine Führern: für die Neugestaltung des
Lebens. Diese muß vielmehr aus dem kräftigen Wollen der aufsteigenden Gene¬
ration hervorkeimen. Und regt sich nicht tatsächlich in der Jugend der Drang,
von der quantitativen Anschauung zu einer qualitativen Bewertung von Men¬
schen und Dingen überzugehen? Liegt nicht in jener Forderung der „Lebens-
gestaltung nach eigener Bestimmung" und in der Sehnsucht nach einer neuen
Lebensform der Widerspruch gegen die Recheuhaftigkeit unseres Daseins? Der
Zug ins Freie, der Ruf „Zurück zur Natur", entspringen doch schließlich nur dem
Widerwillen gegen die großstädtische Zivilisation, in der ja die Geschäftsmäßlgkeit
und die Geldwirtschaft ihren Sammelpunkt hat. Damit aber diese neue Welt¬
anschauung vollständig zum Durchbruch gelangt, dazu ist es nötig, daß sie
uicht nur als unbewußter, dunkler Drang wirkt, sondern als klare Erkenntnis
der Mehrzahl oder wenigstens den Führenden vor Augen steht. Es gilt eben,
zunächst einmal die Rechenhaftigkeit als das Grundübel unserer Zeit, als die.
wahre Sünde wider den Geist zu erkennen.




Mhrerworte

Was seine Selbständigkeit verloren hat, hat zugleich verloren das Vermögen
einzugreifen in den Zeilfluß, und den Inhalt desselben frei zu bestimmen-, es wird
ihm, wenn es in diesem Zustand verharrt, seine Zeit, und es selber mit dieser
seiner Zeit, abgewickelt durch die fremde Gewalt, die über sein Schicksal gebietet:
es hat von nun an gar keine eigene Zeit mehr, sondern zählt seine Jahre nach
Fichte den Begebenheiten und Abschnitten fremder Völkerschaften und Reiche.

Ich kann's ja nicht lassen, ich muß auch sorgen für das arme elende ver¬
,,
Martin Luther ratene und verkaufte Deutschland.

Wir können das Lachen verlernen, verzweifeln lernen wir nicht.


Walther Flex

Blücher (vor Paris 1,855) Meinem, eisernen Willen verdanke ich alles.

Nationen bestehen nicht aus Millionen: sie bestehen aus den Menschen,
welche sich der Aufgabe der Nation bewußt und darum imstande sind, vor die
Nullen zu treten und sie zu wirkenden Zahlen zu machen.

Keine Institution ist ein Segen für das Volk als die, welche an erster
Stelle Pflichten auferlegt: die Rechte kommen stets von selbst, wenn die Pflichten
Paul de Lagarde ernst genommen werden.

So gehen wir blind in die Irre und verwandeln das Ganze in ein Aggregat
von Gesindel, neuen Reichen und phantastischen Gelehrten.


Freiherr v. Stein

In Parlamenten herrscht die wunderbare Logik, daß, weil ein großer
Mann einmal Unrecht haben könnte, die kleinen immer Recht haben müssen.


Robert Hamerling
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0317" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/339866"/>
          <fw type="header" place="top"> Führerworte</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_1273"> Doch die Wissenschaft ist kaum eine Führern: für die Neugestaltung des<lb/>
Lebens. Diese muß vielmehr aus dem kräftigen Wollen der aufsteigenden Gene¬<lb/>
ration hervorkeimen. Und regt sich nicht tatsächlich in der Jugend der Drang,<lb/>
von der quantitativen Anschauung zu einer qualitativen Bewertung von Men¬<lb/>
schen und Dingen überzugehen? Liegt nicht in jener Forderung der &#x201E;Lebens-<lb/>
gestaltung nach eigener Bestimmung" und in der Sehnsucht nach einer neuen<lb/>
Lebensform der Widerspruch gegen die Recheuhaftigkeit unseres Daseins? Der<lb/>
Zug ins Freie, der Ruf &#x201E;Zurück zur Natur", entspringen doch schließlich nur dem<lb/>
Widerwillen gegen die großstädtische Zivilisation, in der ja die Geschäftsmäßlgkeit<lb/>
und die Geldwirtschaft ihren Sammelpunkt hat. Damit aber diese neue Welt¬<lb/>
anschauung vollständig zum Durchbruch gelangt, dazu ist es nötig, daß sie<lb/>
uicht nur als unbewußter, dunkler Drang wirkt, sondern als klare Erkenntnis<lb/>
der Mehrzahl oder wenigstens den Führenden vor Augen steht. Es gilt eben,<lb/>
zunächst einmal die Rechenhaftigkeit als das Grundübel unserer Zeit, als die.<lb/>
wahre Sünde wider den Geist zu erkennen.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Mhrerworte</head><lb/>
          <p xml:id="ID_1274"> Was seine Selbständigkeit verloren hat, hat zugleich verloren das Vermögen<lb/>
einzugreifen in den Zeilfluß, und den Inhalt desselben frei zu bestimmen-, es wird<lb/>
ihm, wenn es in diesem Zustand verharrt, seine Zeit, und es selber mit dieser<lb/>
seiner Zeit, abgewickelt durch die fremde Gewalt, die über sein Schicksal gebietet:<lb/>
es hat von nun an gar keine eigene Zeit mehr, sondern zählt seine Jahre nach<lb/><note type="bibl"> Fichte</note> den Begebenheiten und Abschnitten fremder Völkerschaften und Reiche. </p><lb/>
          <p xml:id="ID_1275"> Ich kann's ja nicht lassen, ich muß auch sorgen für das arme elende ver¬<lb/><note type="bibl"> ,,<lb/>
Martin Luther</note> ratene und verkaufte Deutschland. </p><lb/>
          <p xml:id="ID_1276"> Wir können das Lachen verlernen, verzweifeln lernen wir nicht.</p><lb/>
          <note type="bibl"> Walther Flex</note><lb/>
          <p xml:id="ID_1277"><note type="bibl"> Blücher (vor Paris 1,855)</note> Meinem, eisernen Willen verdanke ich alles.   </p><lb/>
          <p xml:id="ID_1278"> Nationen bestehen nicht aus Millionen: sie bestehen aus den Menschen,<lb/>
welche sich der Aufgabe der Nation bewußt und darum imstande sind, vor die<lb/>
Nullen zu treten und sie zu wirkenden Zahlen zu machen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1279"> Keine Institution ist ein Segen für das Volk als die, welche an erster<lb/>
Stelle Pflichten auferlegt: die Rechte kommen stets von selbst, wenn die Pflichten<lb/><note type="bibl"> Paul de Lagarde</note> ernst genommen werden. </p><lb/>
          <p xml:id="ID_1280"> So gehen wir blind in die Irre und verwandeln das Ganze in ein Aggregat<lb/>
von Gesindel, neuen Reichen und phantastischen Gelehrten.</p><lb/>
          <note type="bibl"> Freiherr v. Stein</note><lb/>
          <p xml:id="ID_1281"> In Parlamenten herrscht die wunderbare Logik, daß, weil ein großer<lb/>
Mann einmal Unrecht haben könnte, die kleinen immer Recht haben müssen.</p><lb/>
          <note type="bibl"> Robert Hamerling</note><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0317] Führerworte Doch die Wissenschaft ist kaum eine Führern: für die Neugestaltung des Lebens. Diese muß vielmehr aus dem kräftigen Wollen der aufsteigenden Gene¬ ration hervorkeimen. Und regt sich nicht tatsächlich in der Jugend der Drang, von der quantitativen Anschauung zu einer qualitativen Bewertung von Men¬ schen und Dingen überzugehen? Liegt nicht in jener Forderung der „Lebens- gestaltung nach eigener Bestimmung" und in der Sehnsucht nach einer neuen Lebensform der Widerspruch gegen die Recheuhaftigkeit unseres Daseins? Der Zug ins Freie, der Ruf „Zurück zur Natur", entspringen doch schließlich nur dem Widerwillen gegen die großstädtische Zivilisation, in der ja die Geschäftsmäßlgkeit und die Geldwirtschaft ihren Sammelpunkt hat. Damit aber diese neue Welt¬ anschauung vollständig zum Durchbruch gelangt, dazu ist es nötig, daß sie uicht nur als unbewußter, dunkler Drang wirkt, sondern als klare Erkenntnis der Mehrzahl oder wenigstens den Führenden vor Augen steht. Es gilt eben, zunächst einmal die Rechenhaftigkeit als das Grundübel unserer Zeit, als die. wahre Sünde wider den Geist zu erkennen. Mhrerworte Was seine Selbständigkeit verloren hat, hat zugleich verloren das Vermögen einzugreifen in den Zeilfluß, und den Inhalt desselben frei zu bestimmen-, es wird ihm, wenn es in diesem Zustand verharrt, seine Zeit, und es selber mit dieser seiner Zeit, abgewickelt durch die fremde Gewalt, die über sein Schicksal gebietet: es hat von nun an gar keine eigene Zeit mehr, sondern zählt seine Jahre nach Fichte den Begebenheiten und Abschnitten fremder Völkerschaften und Reiche. Ich kann's ja nicht lassen, ich muß auch sorgen für das arme elende ver¬ ,, Martin Luther ratene und verkaufte Deutschland. Wir können das Lachen verlernen, verzweifeln lernen wir nicht. Walther Flex Blücher (vor Paris 1,855) Meinem, eisernen Willen verdanke ich alles. Nationen bestehen nicht aus Millionen: sie bestehen aus den Menschen, welche sich der Aufgabe der Nation bewußt und darum imstande sind, vor die Nullen zu treten und sie zu wirkenden Zahlen zu machen. Keine Institution ist ein Segen für das Volk als die, welche an erster Stelle Pflichten auferlegt: die Rechte kommen stets von selbst, wenn die Pflichten Paul de Lagarde ernst genommen werden. So gehen wir blind in die Irre und verwandeln das Ganze in ein Aggregat von Gesindel, neuen Reichen und phantastischen Gelehrten. Freiherr v. Stein In Parlamenten herrscht die wunderbare Logik, daß, weil ein großer Mann einmal Unrecht haben könnte, die kleinen immer Recht haben müssen. Robert Hamerling

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339548
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339548/317
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339548/317>, abgerufen am 28.04.2024.