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Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr.

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Altes und neues Heer

den Gleisen der alten polnischen Wirtschaft bewegt, wollen diejenigen "Polen",
die jahrhundertelang durch die deutsche Schule gegangen sind, nichts wissen. Es
gibt auch eine gesunde Selbstsucht. Sie liegt hier vor, wenn sich die Oberschlesier
nicht in den Strudel reißen lassen wollen, der sie zweifellos in kurzer Zeit wie
das übrige Polen verschlingen würde.

Sentimentale Gemüter mögen es ein tragisches Schicksal nennen, daß die
Polen mit ihrer starken nationalen Gesinnung doch nicht die Eigenschaften aufzu¬
bringen vermögen, die notwendig sind, daß man einen Staat erhält. Wir stellen
als Beteiligte diese Tatsache fest und ziehen daraus unsere Schlüsse. Den
Franzosen kann man nur den Rat geben, sie sollen versuchen, zu ihrem Gelde --
Polen hat schon Milliarden von ihnen in Geld und Waren erhalten -- dadurch
zu gelangen, daß sie die noch nicht gehobenen Bodenschätze Polens
erschließen. Kohle, Erze aller Art werden sich dort finden, wenn mit dem richtigen
Eifer und Geschick danach gesucht wird. Das ergäbe dann eine Lösung der
Polnischen Frage, mit der Polen, Franzosen, Deutsche und die anderen Völker
zufrieden sein können, zumal wenn die polnischen Grenzen im Osten so gelegt
werden, daß sie dort dauernden Frieden verbürgen.




Altes und neues Heer
Von einem jungen Frontoffizier
X. Soldatentypen
Der Kommandeur

gein Freikorps war soeben Reichswehrregiment geworden.

Die hohe, vierschrötige Gestalt, ganz Kraft, ganz Energie,
zwischen den buschigen Augenbrauen die Zornfalte, steht er vor
dem Schreibtisch des Stabschefs:

"Der verdammte grüne Tisch soll das Maul halten I Gebt
was ich brauche. Wäsche, Uniform, Stiefel, Proviant für meine Leute, Geschirr,
Waffen, Munition, wenn wir kämpfen sollenI Zum Teufel, wie lange soll das
Regiment noch warten? Sonst sag ich den Kerls: Handgranaten drein, holes
euch selber I"

In leidenschaftlichen Stößen fährt seine Faust auf den Tisch, hinter dem
klein und versunken der Stabschef sitzt, kalten unruhigen Auges, mit leise über¬
legenem Lächeln um den Mund:

"Wir erwägen.. ."

"Ihr erwägt?" brüllt der Kommandeur in höchster Erregung und höhnt:


Altes und neues Heer

den Gleisen der alten polnischen Wirtschaft bewegt, wollen diejenigen „Polen",
die jahrhundertelang durch die deutsche Schule gegangen sind, nichts wissen. Es
gibt auch eine gesunde Selbstsucht. Sie liegt hier vor, wenn sich die Oberschlesier
nicht in den Strudel reißen lassen wollen, der sie zweifellos in kurzer Zeit wie
das übrige Polen verschlingen würde.

Sentimentale Gemüter mögen es ein tragisches Schicksal nennen, daß die
Polen mit ihrer starken nationalen Gesinnung doch nicht die Eigenschaften aufzu¬
bringen vermögen, die notwendig sind, daß man einen Staat erhält. Wir stellen
als Beteiligte diese Tatsache fest und ziehen daraus unsere Schlüsse. Den
Franzosen kann man nur den Rat geben, sie sollen versuchen, zu ihrem Gelde —
Polen hat schon Milliarden von ihnen in Geld und Waren erhalten — dadurch
zu gelangen, daß sie die noch nicht gehobenen Bodenschätze Polens
erschließen. Kohle, Erze aller Art werden sich dort finden, wenn mit dem richtigen
Eifer und Geschick danach gesucht wird. Das ergäbe dann eine Lösung der
Polnischen Frage, mit der Polen, Franzosen, Deutsche und die anderen Völker
zufrieden sein können, zumal wenn die polnischen Grenzen im Osten so gelegt
werden, daß sie dort dauernden Frieden verbürgen.




Altes und neues Heer
Von einem jungen Frontoffizier
X. Soldatentypen
Der Kommandeur

gein Freikorps war soeben Reichswehrregiment geworden.

Die hohe, vierschrötige Gestalt, ganz Kraft, ganz Energie,
zwischen den buschigen Augenbrauen die Zornfalte, steht er vor
dem Schreibtisch des Stabschefs:

„Der verdammte grüne Tisch soll das Maul halten I Gebt
was ich brauche. Wäsche, Uniform, Stiefel, Proviant für meine Leute, Geschirr,
Waffen, Munition, wenn wir kämpfen sollenI Zum Teufel, wie lange soll das
Regiment noch warten? Sonst sag ich den Kerls: Handgranaten drein, holes
euch selber I"

In leidenschaftlichen Stößen fährt seine Faust auf den Tisch, hinter dem
klein und versunken der Stabschef sitzt, kalten unruhigen Auges, mit leise über¬
legenem Lächeln um den Mund:

»Wir erwägen.. ."

„Ihr erwägt?" brüllt der Kommandeur in höchster Erregung und höhnt:


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[0081] Altes und neues Heer den Gleisen der alten polnischen Wirtschaft bewegt, wollen diejenigen „Polen", die jahrhundertelang durch die deutsche Schule gegangen sind, nichts wissen. Es gibt auch eine gesunde Selbstsucht. Sie liegt hier vor, wenn sich die Oberschlesier nicht in den Strudel reißen lassen wollen, der sie zweifellos in kurzer Zeit wie das übrige Polen verschlingen würde. Sentimentale Gemüter mögen es ein tragisches Schicksal nennen, daß die Polen mit ihrer starken nationalen Gesinnung doch nicht die Eigenschaften aufzu¬ bringen vermögen, die notwendig sind, daß man einen Staat erhält. Wir stellen als Beteiligte diese Tatsache fest und ziehen daraus unsere Schlüsse. Den Franzosen kann man nur den Rat geben, sie sollen versuchen, zu ihrem Gelde — Polen hat schon Milliarden von ihnen in Geld und Waren erhalten — dadurch zu gelangen, daß sie die noch nicht gehobenen Bodenschätze Polens erschließen. Kohle, Erze aller Art werden sich dort finden, wenn mit dem richtigen Eifer und Geschick danach gesucht wird. Das ergäbe dann eine Lösung der Polnischen Frage, mit der Polen, Franzosen, Deutsche und die anderen Völker zufrieden sein können, zumal wenn die polnischen Grenzen im Osten so gelegt werden, daß sie dort dauernden Frieden verbürgen. Altes und neues Heer Von einem jungen Frontoffizier X. Soldatentypen Der Kommandeur gein Freikorps war soeben Reichswehrregiment geworden. Die hohe, vierschrötige Gestalt, ganz Kraft, ganz Energie, zwischen den buschigen Augenbrauen die Zornfalte, steht er vor dem Schreibtisch des Stabschefs: „Der verdammte grüne Tisch soll das Maul halten I Gebt was ich brauche. Wäsche, Uniform, Stiefel, Proviant für meine Leute, Geschirr, Waffen, Munition, wenn wir kämpfen sollenI Zum Teufel, wie lange soll das Regiment noch warten? Sonst sag ich den Kerls: Handgranaten drein, holes euch selber I" In leidenschaftlichen Stößen fährt seine Faust auf den Tisch, hinter dem klein und versunken der Stabschef sitzt, kalten unruhigen Auges, mit leise über¬ legenem Lächeln um den Mund: »Wir erwägen.. ." „Ihr erwägt?" brüllt der Kommandeur in höchster Erregung und höhnt:

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 80, 1921, Viertes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341913_339548/81>, abgerufen am 28.04.2024.