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Celander [i. e. Gressel, Johann Georg]: Verliebte-Galante/ Sinn-Vermischte und Grab-Gedichte. Hamburg u. a., 1716.

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Vermischte Gedichte.
Letzte Ehren-Bezeugung der unvergleich-
lichen
Louisen einer Römischen Damen, die sich
lieber ermorden/ als ihre Ehre nehmen
lassen.
WEg mit Lucretien, die Rom so hoch erhoben/
Aus der das Alterthum ein Wunderwerck gemacht;
Wenn man die Lasters wil als eine Tugend loben/
So rühm man/ daß sie sich freywillig umgebracht/
Man preise/ daß sie erst dir Liebes Lust genossen
Eh sie das lüstern Blut aus |Ungedult |vergossen.
Wenn sie recht tugendhafft und keusch gewesen wäre/
So hätte' ihre Zucht mehr Widerstand gethan
Allein! das Leben war ihr lieber als die Ehre/
Und darum nahm sie gern den süssen Nothzwang an/
Sie schwieg als Sextus kahm/ und ließ sich zu den Dingen/
Die ihr so angenehm/ nur bloß zum Scheine zwingen.
Jhr schlechter Widerstand/ ihr baldiges Bequehmen
Verursacht/ daß man fast auf diese Meynung fällt/
Das Frauenzimmer wil sich erst einwenig schämen/
Eh' es der Liebes-Lust ein willigs Opffer hält;
Wenn aber erst Gewalt und Zwang vorhergegangen/
So kan ein heisser Geist/ was er verlangt/ erlangen.
Doch diese Meynung muß/ zuweilen hefftig fehlen/
Das Frauenzimmer hat auch einen Helden-Muth/
Und manche läst sich eh' mit Lust zu tode quälen
Eh' sie der reinen Zucht etwas zuwider thut.
Louisens Beyspiel kan ein klares Zeugniß geben/

Daß sie die Tugend mehr geliebet als das Leben.
Die|List und Schmeichelung/ das Drohen samt den Bitten
Galt bey ihr einerley/ sie blieb stets unbewegt/
Und als die Parcen durch den Lebens-Faden schnitten/
Da fiel sie als ein Held/ der seinen Feind erlegt:
Sie sturb/ und siegete/ indem sie überwunden
Die Wollust und den Zwang/ so ihr entgegen stunden.
Sie
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Vermiſchte Gedichte.
Letzte Ehren-Bezeugung der unvergleich-
lichen
Louiſen einer Roͤmiſchen Damen, die ſich
lieber ermorden/ als ihre Ehre nehmen
laſſen.
WEg mit Lucretien, die Rom ſo hoch erhoben/
Aus der das Alterthum ein Wunderwerck gemacht;
Wenn man die Laſters wil als eine Tugend loben/
So ruͤhm man/ daß ſie ſich freywillig umgebracht/
Man preiſe/ daß ſie erſt dir Liebes Luſt genoſſen
Eh ſie das luͤſtern Blut aus |Ungedult |vergoſſen.
Wenn ſie recht tugendhafft und keuſch geweſen waͤre/
So haͤtte’ ihre Zucht mehr Widerſtand gethan
Allein! das Leben war ihr lieber als die Ehre/
Und darum nahm ſie gern den ſuͤſſen Nothzwang an/
Sie ſchwieg als Sextus kahm/ und ließ ſich zu den Dingen/
Die ihr ſo angenehm/ nur bloß zum Scheine zwingen.
Jhr ſchlechter Widerſtand/ ihr baldiges Bequehmen
Verurſacht/ daß man faſt auf dieſe Meynung faͤllt/
Das Frauenzimmer wil ſich erſt einwenig ſchaͤmen/
Eh’ es der Liebes-Luſt ein willigs Opffer haͤlt;
Wenn aber erſt Gewalt und Zwang vorhergegangen/
So kan ein heiſſer Geiſt/ was er verlangt/ erlangen.
Doch dieſe Meynung muß/ zuweilen hefftig fehlen/
Das Frauenzimmer hat auch einen Helden-Muth/
Und manche laͤſt ſich eh’ mit Luſt zu tode quaͤlen
Eh’ ſie der reinen Zucht etwas zuwider thut.
Louiſens Beyſpiel kan ein klares Zeugniß geben/

Daß ſie die Tugend mehr geliebet als das Leben.
Die|Liſt und Schmeichelung/ das Drohen ſamt den Bitten
Galt bey ihr einerley/ ſie blieb ſtets unbewegt/
Und als die Parcen durch den Lebens-Faden ſchnitten/
Da fiel ſie als ein Held/ der ſeinen Feind erlegt:
Sie ſturb/ und ſiegete/ indem ſie uͤberwunden
Die Wolluſt und den Zwang/ ſo ihr entgegen ſtunden.
Sie
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[465/0483] Vermiſchte Gedichte. Letzte Ehren-Bezeugung der unvergleich- lichen Louiſen einer Roͤmiſchen Damen, die ſich lieber ermorden/ als ihre Ehre nehmen laſſen. WEg mit Lucretien, die Rom ſo hoch erhoben/ Aus der das Alterthum ein Wunderwerck gemacht; Wenn man die Laſters wil als eine Tugend loben/ So ruͤhm man/ daß ſie ſich freywillig umgebracht/ Man preiſe/ daß ſie erſt dir Liebes Luſt genoſſen Eh ſie das luͤſtern Blut aus |Ungedult |vergoſſen. Wenn ſie recht tugendhafft und keuſch geweſen waͤre/ So haͤtte’ ihre Zucht mehr Widerſtand gethan Allein! das Leben war ihr lieber als die Ehre/ Und darum nahm ſie gern den ſuͤſſen Nothzwang an/ Sie ſchwieg als Sextus kahm/ und ließ ſich zu den Dingen/ Die ihr ſo angenehm/ nur bloß zum Scheine zwingen. Jhr ſchlechter Widerſtand/ ihr baldiges Bequehmen Verurſacht/ daß man faſt auf dieſe Meynung faͤllt/ Das Frauenzimmer wil ſich erſt einwenig ſchaͤmen/ Eh’ es der Liebes-Luſt ein willigs Opffer haͤlt; Wenn aber erſt Gewalt und Zwang vorhergegangen/ So kan ein heiſſer Geiſt/ was er verlangt/ erlangen. Doch dieſe Meynung muß/ zuweilen hefftig fehlen/ Das Frauenzimmer hat auch einen Helden-Muth/ Und manche laͤſt ſich eh’ mit Luſt zu tode quaͤlen Eh’ ſie der reinen Zucht etwas zuwider thut. Louiſens Beyſpiel kan ein klares Zeugniß geben/ Daß ſie die Tugend mehr geliebet als das Leben. Die|Liſt und Schmeichelung/ das Drohen ſamt den Bitten Galt bey ihr einerley/ ſie blieb ſtets unbewegt/ Und als die Parcen durch den Lebens-Faden ſchnitten/ Da fiel ſie als ein Held/ der ſeinen Feind erlegt: Sie ſturb/ und ſiegete/ indem ſie uͤberwunden Die Wolluſt und den Zwang/ ſo ihr entgegen ſtunden. Sie G g

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Zitationshilfe: Celander [i. e. Gressel, Johann Georg]: Verliebte-Galante/ Sinn-Vermischte und Grab-Gedichte. Hamburg u. a., 1716, S. 465. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/gressel_grabgedichte_1716/483>, abgerufen am 26.04.2024.