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Griesinger, Wilhelm: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, für Ärzte und Studierende. Stuttgart, 1845.

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der Gehirnsubstanz.
der oberflächlichsten Lamelle. Mitunter ist es ein Zustand völligen
Zerflossenseins, zuweilen von ziemlich beschränktem Umfange, nicht
selten in der Corticalsubstanz des Ammonshorns.

Als eine chronische Anomalie der Consistenz ist besonders er-
wähnenswerth die ausgedehnte Verhärtung der weissen Substanz,
gewöhnlich mit Atrophie der Hemisphäre. Die Marksubstanz hat dann
die Consistenz eines hartgesottenen Eis; man findet zuweilen beim
Einschneiden einen Widerstand wie beim Zerschneiden von Caoutchouc;
die Färbung ist gewöhnlich schmutzig weiss, bleigrau, ohne Blutpunkte,
und die Faserung ist trotz der grösseren Härte des Gehirns undeut-
licher. Bei der grossen Ausdehnung, in welcher diese Induration oft
(durch ein ganzes Gehirn) vorkommt, ist es nicht möglich, sie für
das Ergebniss einer Entzündung zu halten. Mitunter finden sich in
ihr die Spuren alter apoplectischer Heerde, mit Serum gefüllte Höh-
len, welche dem Durchschnitt das Ansehen eines löcherigen Käses
geben sollen. Diese Verhärtung gehört durchaus den verschiedenen
Formen des Blödsinns an.

§. 144.

Blutgehal. Eine allgemeine Hyperämie des ganzen Gehirns
kommt in frischen Fällen von Irresein häufig vor, und ihre höheren
Grade werden als Ursache schneller Todesfälle in der acuten Manie
zuweilen zu betrachten sein; sie ist aber im Ganzen seltener als
die auf die Pia und die Corticalsubstanz der Gehirnconvexität beschränkte
Hyperämie. Ihre Häufigkeit nimmt ab mit der längeren Dauer der
Krankheit und der Blutgehalt wird namentlich innerhalb des atrophi-
schen Gehirns in der Regel verringert; doch ist wahre Anämie des
Gehirns und der Häute in allen Formen des Irreseins eine Seltenheit
(bei Parchappe in den 285 Fällen der 2 ersten Bücher nur 4mal *).

Ueber die Entstehung der Hyperämie gilt das oben Gesagte. Sie
beschränkt sich oft genug auf einzelne Abschnitte, deren höhere Grade
in der weissen Substanz als marmorirte Flecke von Rosa, Violett,
Lila-Farbe erscheinen, und zu Exsudaten und Entzündungsheerden
Anlass geben können. Weitere Folgen der Hyperämie sind das Ge-
hirnödem und die blutigen Ergüsse in die Gehirnsubstanz. Ueber

*) Von Fr. Arnold ist ein derartiger Sectionsbericht von einem Paralytischen
(allgemeine Anämie und Collapsus des Gehirns, sehr kleine sandlose Zirbel, das
Gewicht des grossen Gehirns im Verhältniss zum kleinen etwas verringert) mit-
getheilt worden. Ueber den Bau des Gehirns und Rückenmarks. Zür. 1838.
p. 205.

der Gehirnsubstanz.
der oberflächlichsten Lamelle. Mitunter ist es ein Zustand völligen
Zerflossenseins, zuweilen von ziemlich beschränktem Umfange, nicht
selten in der Corticalsubstanz des Ammonshorns.

Als eine chronische Anomalie der Consistenz ist besonders er-
wähnenswerth die ausgedehnte Verhärtung der weissen Substanz,
gewöhnlich mit Atrophie der Hemisphäre. Die Marksubstanz hat dann
die Consistenz eines hartgesottenen Eis; man findet zuweilen beim
Einschneiden einen Widerstand wie beim Zerschneiden von Caoutchouc;
die Färbung ist gewöhnlich schmutzig weiss, bleigrau, ohne Blutpunkte,
und die Faserung ist trotz der grösseren Härte des Gehirns undeut-
licher. Bei der grossen Ausdehnung, in welcher diese Induration oft
(durch ein ganzes Gehirn) vorkommt, ist es nicht möglich, sie für
das Ergebniss einer Entzündung zu halten. Mitunter finden sich in
ihr die Spuren alter apoplectischer Heerde, mit Serum gefüllte Höh-
len, welche dem Durchschnitt das Ansehen eines löcherigen Käses
geben sollen. Diese Verhärtung gehört durchaus den verschiedenen
Formen des Blödsinns an.

§. 144.

Blutgehal. Eine allgemeine Hyperämie des ganzen Gehirns
kommt in frischen Fällen von Irresein häufig vor, und ihre höheren
Grade werden als Ursache schneller Todesfälle in der acuten Manie
zuweilen zu betrachten sein; sie ist aber im Ganzen seltener als
die auf die Pia und die Corticalsubstanz der Gehirnconvexität beschränkte
Hyperämie. Ihre Häufigkeit nimmt ab mit der längeren Dauer der
Krankheit und der Blutgehalt wird namentlich innerhalb des atrophi-
schen Gehirns in der Regel verringert; doch ist wahre Anämie des
Gehirns und der Häute in allen Formen des Irreseins eine Seltenheit
(bei Parchappe in den 285 Fällen der 2 ersten Bücher nur 4mal *).

Ueber die Entstehung der Hyperämie gilt das oben Gesagte. Sie
beschränkt sich oft genug auf einzelne Abschnitte, deren höhere Grade
in der weissen Substanz als marmorirte Flecke von Rosa, Violett,
Lila-Farbe erscheinen, und zu Exsudaten und Entzündungsheerden
Anlass geben können. Weitere Folgen der Hyperämie sind das Ge-
hirnödem und die blutigen Ergüsse in die Gehirnsubstanz. Ueber

*) Von Fr. Arnold ist ein derartiger Sectionsbericht von einem Paralytischen
(allgemeine Anämie und Collapsus des Gehirns, sehr kleine sandlose Zirbel, das
Gewicht des grossen Gehirns im Verhältniss zum kleinen etwas verringert) mit-
getheilt worden. Ueber den Bau des Gehirns und Rückenmarks. Zür. 1838.
p. 205.
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[309/0323] der Gehirnsubstanz. der oberflächlichsten Lamelle. Mitunter ist es ein Zustand völligen Zerflossenseins, zuweilen von ziemlich beschränktem Umfange, nicht selten in der Corticalsubstanz des Ammonshorns. Als eine chronische Anomalie der Consistenz ist besonders er- wähnenswerth die ausgedehnte Verhärtung der weissen Substanz, gewöhnlich mit Atrophie der Hemisphäre. Die Marksubstanz hat dann die Consistenz eines hartgesottenen Eis; man findet zuweilen beim Einschneiden einen Widerstand wie beim Zerschneiden von Caoutchouc; die Färbung ist gewöhnlich schmutzig weiss, bleigrau, ohne Blutpunkte, und die Faserung ist trotz der grösseren Härte des Gehirns undeut- licher. Bei der grossen Ausdehnung, in welcher diese Induration oft (durch ein ganzes Gehirn) vorkommt, ist es nicht möglich, sie für das Ergebniss einer Entzündung zu halten. Mitunter finden sich in ihr die Spuren alter apoplectischer Heerde, mit Serum gefüllte Höh- len, welche dem Durchschnitt das Ansehen eines löcherigen Käses geben sollen. Diese Verhärtung gehört durchaus den verschiedenen Formen des Blödsinns an. §. 144. Blutgehal. Eine allgemeine Hyperämie des ganzen Gehirns kommt in frischen Fällen von Irresein häufig vor, und ihre höheren Grade werden als Ursache schneller Todesfälle in der acuten Manie zuweilen zu betrachten sein; sie ist aber im Ganzen seltener als die auf die Pia und die Corticalsubstanz der Gehirnconvexität beschränkte Hyperämie. Ihre Häufigkeit nimmt ab mit der längeren Dauer der Krankheit und der Blutgehalt wird namentlich innerhalb des atrophi- schen Gehirns in der Regel verringert; doch ist wahre Anämie des Gehirns und der Häute in allen Formen des Irreseins eine Seltenheit (bei Parchappe in den 285 Fällen der 2 ersten Bücher nur 4mal *). Ueber die Entstehung der Hyperämie gilt das oben Gesagte. Sie beschränkt sich oft genug auf einzelne Abschnitte, deren höhere Grade in der weissen Substanz als marmorirte Flecke von Rosa, Violett, Lila-Farbe erscheinen, und zu Exsudaten und Entzündungsheerden Anlass geben können. Weitere Folgen der Hyperämie sind das Ge- hirnödem und die blutigen Ergüsse in die Gehirnsubstanz. Ueber *) Von Fr. Arnold ist ein derartiger Sectionsbericht von einem Paralytischen (allgemeine Anämie und Collapsus des Gehirns, sehr kleine sandlose Zirbel, das Gewicht des grossen Gehirns im Verhältniss zum kleinen etwas verringert) mit- getheilt worden. Ueber den Bau des Gehirns und Rückenmarks. Zür. 1838. p. 205.

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Zitationshilfe: Griesinger, Wilhelm: Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten, für Ärzte und Studierende. Stuttgart, 1845, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/griesinger_psychische_1845/323>, abgerufen am 26.04.2024.