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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815.

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Alles aber, was aus mündlicher Ueberliefe-
rung hier gesammelt worden, ist sowohl nach
seiner Entstehung als Ausbildung (vielleicht
darin den gestiefelten Kater allein ausgenom-
men) rein deutsch und nirgends her erborgt,
wie sich, wo man es in einzelnen Fällen be-
streiten wollte, leicht auch äußerlich beweisen
ließe. Gründe, die man für das Erborgen
aus italienischen, französischen oder orientali-
schen Büchern, die vom Volk, zumal auf dem
Land, ungelesen bleiben, vorzubringen pflegt,
gleichen denjenigen vollkommen, welche aus
Soldaten, Handwerksburschen, oder aus
Kanonen, Tabakspfeifen und andern neuen
Dingen in den Märchen, auch ihre neue Er-
dichtung ableiten wollen, da doch gerade diese
Sachen, wie Wörter der heutigen Sprache,
nach dem Munde der Erzählenden sich umge-
stalten und man sicher darauf zählen kann,
daß sie im sechszehnten Jahrhundert statt der
Soldaten und Kanonen, Landsknechte und
Büchsen gesetzt haben, und der unsichtbar ma-
chende Hut zur Ritterzeit ein Tarnhelm gewe-
sen ist.

Alles aber, was aus muͤndlicher Ueberliefe-
rung hier geſammelt worden, iſt ſowohl nach
ſeiner Entſtehung als Ausbildung (vielleicht
darin den geſtiefelten Kater allein ausgenom-
men) rein deutſch und nirgends her erborgt,
wie ſich, wo man es in einzelnen Faͤllen be-
ſtreiten wollte, leicht auch aͤußerlich beweiſen
ließe. Gruͤnde, die man fuͤr das Erborgen
aus italieniſchen, franzoͤſiſchen oder orientali-
ſchen Buͤchern, die vom Volk, zumal auf dem
Land, ungeleſen bleiben, vorzubringen pflegt,
gleichen denjenigen vollkommen, welche aus
Soldaten, Handwerksburſchen, oder aus
Kanonen, Tabakspfeifen und andern neuen
Dingen in den Maͤrchen, auch ihre neue Er-
dichtung ableiten wollen, da doch gerade dieſe
Sachen, wie Woͤrter der heutigen Sprache,
nach dem Munde der Erzaͤhlenden ſich umge-
ſtalten und man ſicher darauf zaͤhlen kann,
daß ſie im ſechszehnten Jahrhundert ſtatt der
Soldaten und Kanonen, Landsknechte und
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chende Hut zur Ritterzeit ein Tarnhelm gewe-
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[XI/0016] Alles aber, was aus muͤndlicher Ueberliefe- rung hier geſammelt worden, iſt ſowohl nach ſeiner Entſtehung als Ausbildung (vielleicht darin den geſtiefelten Kater allein ausgenom- men) rein deutſch und nirgends her erborgt, wie ſich, wo man es in einzelnen Faͤllen be- ſtreiten wollte, leicht auch aͤußerlich beweiſen ließe. Gruͤnde, die man fuͤr das Erborgen aus italieniſchen, franzoͤſiſchen oder orientali- ſchen Buͤchern, die vom Volk, zumal auf dem Land, ungeleſen bleiben, vorzubringen pflegt, gleichen denjenigen vollkommen, welche aus Soldaten, Handwerksburſchen, oder aus Kanonen, Tabakspfeifen und andern neuen Dingen in den Maͤrchen, auch ihre neue Er- dichtung ableiten wollen, da doch gerade dieſe Sachen, wie Woͤrter der heutigen Sprache, nach dem Munde der Erzaͤhlenden ſich umge- ſtalten und man ſicher darauf zaͤhlen kann, daß ſie im ſechszehnten Jahrhundert ſtatt der Soldaten und Kanonen, Landsknechte und Buͤchſen geſetzt haben, und der unſichtbar ma- chende Hut zur Ritterzeit ein Tarnhelm gewe- ſen iſt.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. XI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/16>, abgerufen am 26.04.2024.