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Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811.

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benwag (2. 49.) bekommt der Ritter von seiner Frau, die er
mit Klagen an Kaiser und König bedroht, den Bescheid, er
solle doch lieber Minne nehmen als Recht. Eine Stelle, die
gerade alle Gedanken an cours d'amour widerlegt, wozu sonst
hier der Ort gewesen wäre.

Die wohlbekannten Worte Kaiser Heinrichs, der allen
und jeden aufträgt, Weib oder Mann, die seine Lieder sängen,
seine geliebte Frau zu grüßen, (wie ein Gebet durch den Mund
vieler gegangen beruhigende Kraft gewinnt) beweisen nicht, daß
die Weiber zu den Sängern mitgehört, wohl aber, was sich
versteht, daß sie die Lieder gesungen. So singt bei Stamheim
eine Jungfrau mit ihren Gespielinnen ein Tanzlied vor 156).

Zur Noth finde ich einige späte Meistersängerinnen; Schil-
ter (v. Bardus) hat deutlich, daß in Straßburg Personen bei-
derlei Geschlechts den Meistersang geliebt und getrieben haben
sollen 157), vielleicht daß Witwen und alte Jungfrauen darin
eine gottesfürchtige Uebung gefunden. Allein außerdem wüßte
man von diesen nicht das geringste und schwerlich haben die
wenigen sich bei Fischart Raths erhohlt, welcher (Garg, cap.
28. fin.
) über die Lage der Männer scherzt, deren Frauen Mei-
stergesang 158) singen wollen.

5) Es ist wahrzunehmen, daß die meisten Liebeshändel der
Provenzalen mit allen bestimmten Namen auf die Nachwelt

156) Etwas anders ist es auch, daß sich bei wandernden Volkssin-
gern, vermuthlich sehr früh schon, die Weiber des Amts mit
angenommen. S. die alte Gloße: Spilewiba = tympanistae.
(Docen Misc. 1. 236.)
157) Wolfg. Spangenberg bringt wirklich eine Weißbeckin aus dieser
Stadt, Susanna Granerin bei. (Neuer Büchersaal, 19. Oeffn.
p. 523.)
158) Gegen diese Meisterschaft der Frauen stimmt schon Reinmar v.
Zw. (2. 129. swa gut man etc.), indessen steht im Leipz. Ms. von
Minneliedern der Gegensatz dazu.

benwag (2. 49.) bekommt der Ritter von ſeiner Frau, die er
mit Klagen an Kaiſer und Koͤnig bedroht, den Beſcheid, er
ſolle doch lieber Minne nehmen als Recht. Eine Stelle, die
gerade alle Gedanken an cours d’amour widerlegt, wozu ſonſt
hier der Ort geweſen waͤre.

Die wohlbekannten Worte Kaiſer Heinrichs, der allen
und jeden auftraͤgt, Weib oder Mann, die ſeine Lieder ſaͤngen,
ſeine geliebte Frau zu gruͤßen, (wie ein Gebet durch den Mund
vieler gegangen beruhigende Kraft gewinnt) beweiſen nicht, daß
die Weiber zu den Saͤngern mitgehoͤrt, wohl aber, was ſich
verſteht, daß ſie die Lieder geſungen. So ſingt bei Stamheim
eine Jungfrau mit ihren Geſpielinnen ein Tanzlied vor 156).

Zur Noth finde ich einige ſpaͤte Meiſterſaͤngerinnen; Schil-
ter (v. Bardus) hat deutlich, daß in Straßburg Perſonen bei-
derlei Geſchlechts den Meiſterſang geliebt und getrieben haben
ſollen 157), vielleicht daß Witwen und alte Jungfrauen darin
eine gottesfuͤrchtige Uebung gefunden. Allein außerdem wuͤßte
man von dieſen nicht das geringſte und ſchwerlich haben die
wenigen ſich bei Fiſchart Raths erhohlt, welcher (Garg, cap.
28. fin.
) uͤber die Lage der Maͤnner ſcherzt, deren Frauen Mei-
ſtergeſang 158) ſingen wollen.

5) Es iſt wahrzunehmen, daß die meiſten Liebeshaͤndel der
Provenzalen mit allen beſtimmten Namen auf die Nachwelt

156) Etwas anders iſt es auch, daß ſich bei wandernden Volksſin-
gern, vermuthlich ſehr fruͤh ſchon, die Weiber des Amts mit
angenommen. S. die alte Gloße: Spilewiba = tympanistae.
(Docen Miſc. 1. 236.)
157) Wolfg. Spangenberg bringt wirklich eine Weißbeckin aus dieſer
Stadt, Suſanna Granerin bei. (Neuer Buͤcherſaal, 19. Oeffn.
p. 523.)
158) Gegen dieſe Meiſterſchaft der Frauen ſtimmt ſchon Reinmar v.
Zw. (2. 129. ſwa gut man ꝛc.), indeſſen ſteht im Leipz. Ms. von
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[148/0158] benwag (2. 49.) bekommt der Ritter von ſeiner Frau, die er mit Klagen an Kaiſer und Koͤnig bedroht, den Beſcheid, er ſolle doch lieber Minne nehmen als Recht. Eine Stelle, die gerade alle Gedanken an cours d’amour widerlegt, wozu ſonſt hier der Ort geweſen waͤre. Die wohlbekannten Worte Kaiſer Heinrichs, der allen und jeden auftraͤgt, Weib oder Mann, die ſeine Lieder ſaͤngen, ſeine geliebte Frau zu gruͤßen, (wie ein Gebet durch den Mund vieler gegangen beruhigende Kraft gewinnt) beweiſen nicht, daß die Weiber zu den Saͤngern mitgehoͤrt, wohl aber, was ſich verſteht, daß ſie die Lieder geſungen. So ſingt bei Stamheim eine Jungfrau mit ihren Geſpielinnen ein Tanzlied vor 156). Zur Noth finde ich einige ſpaͤte Meiſterſaͤngerinnen; Schil- ter (v. Bardus) hat deutlich, daß in Straßburg Perſonen bei- derlei Geſchlechts den Meiſterſang geliebt und getrieben haben ſollen 157), vielleicht daß Witwen und alte Jungfrauen darin eine gottesfuͤrchtige Uebung gefunden. Allein außerdem wuͤßte man von dieſen nicht das geringſte und ſchwerlich haben die wenigen ſich bei Fiſchart Raths erhohlt, welcher (Garg, cap. 28. fin.) uͤber die Lage der Maͤnner ſcherzt, deren Frauen Mei- ſtergeſang 158) ſingen wollen. 5) Es iſt wahrzunehmen, daß die meiſten Liebeshaͤndel der Provenzalen mit allen beſtimmten Namen auf die Nachwelt 156) Etwas anders iſt es auch, daß ſich bei wandernden Volksſin- gern, vermuthlich ſehr fruͤh ſchon, die Weiber des Amts mit angenommen. S. die alte Gloße: Spilewiba = tympanistae. (Docen Miſc. 1. 236.) 157) Wolfg. Spangenberg bringt wirklich eine Weißbeckin aus dieſer Stadt, Suſanna Granerin bei. (Neuer Buͤcherſaal, 19. Oeffn. p. 523.) 158) Gegen dieſe Meiſterſchaft der Frauen ſtimmt ſchon Reinmar v. Zw. (2. 129. ſwa gut man ꝛc.), indeſſen ſteht im Leipz. Ms. von Minneliedern der Gegenſatz dazu.

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Über den altdeutschen Meistergesang. Göttingen, 1811, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_meistergesang_1811/158>, abgerufen am 26.04.2024.