Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

Bild:
<< vorherige Seite

Erstes Buch.
und wurde so wol als andere zum Trunck genötiget/
er aber wolte nicht recht daran/ sondern sagte: Er
möchte so bestialisch nicht sauffen; hingegen erwiese
ihm ein guter Zech-Bruder/ daß er Pfarrer wie eine
Bestia/ er der Säuffer und andere Anwesende aber/
wie Menschen söffen; dann/ sagte er/ ein Vieh säufft
nur so viel als ihm wol schmecket/ und den Durst
lescht/ weil sie nicht wissen was gut ist/ noch den
Wein trincken mögen; uns Menschen aber beliebt/
daß wir uns den Trunck zu nutz machen/ und den ed-
len Reben-Safft einschleichen lassen/ wie unser Vor-
Eltern auch gethan haben: So wol/ sagt der Pfar-
rer/ es gebührt mir aber rechte Maaß zu halten;
Wol/ antwort jener/ ein ehrlicher Mann hält sein
Wort/ und ließ ihm darauff einen mässigen Becher
einschencken/ denselben dem Pfarrer zuzuzottlen; er
hingegen gieng durch/ und ließ den Säuffer mit sei-
nem Eymer stehen.

Als dieser abgeschafft war/ gieng es drunter und
drüber/ und liesse sich ansehen/ als wenn diese Gaste-
rey ein bestimpte Zeit und Gelegenheit seyn solte/ sich
gegeneinander mit Vollsauffen zu rächen/ einander
in Schand zu bringen/ oder sonst ein Possen zu reis-
sen; dann wann einer expedirt wurde/ daß er weder
sitzen/ gehen oder stehen mehr konte/ so bieß es: Nun
ists Wett! Du hast mirs hiebevor auch so gekocht/
jetzt ist dirs eingetränckt/ und so fortan/ etc. Welcher
aber außdauren/ und am besten sauffen konte/ wuste
sich dessen groß zu machen/ und dünckte sich kein ge-
ringer Kerl zu seyn; zuletzt dürmelten sie alle herum/

als

Erſtes Buch.
und wurde ſo wol als andere zum Trunck genoͤtiget/
er aber wolte nicht recht daran/ ſondern ſagte: Er
moͤchte ſo beſtialiſch nicht ſauffen; hingegen erwieſe
ihm ein guter Zech-Bruder/ daß er Pfarꝛer wie eine
Beſtia/ er der Saͤuffer und andere Anweſende aber/
wie Menſchen ſoͤffen; dann/ ſagte er/ ein Vieh ſaͤufft
nur ſo viel als ihm wol ſchmecket/ und den Durſt
leſcht/ weil ſie nicht wiſſen was gut iſt/ noch den
Wein trincken moͤgen; uns Menſchen aber beliebt/
daß wir uns den Trunck zu nutz machen/ und den ed-
len Reben-Safft einſchleichen laſſen/ wie unſer Vor-
Eltern auch gethan haben: So wol/ ſagt der Pfar-
rer/ es gebuͤhrt mir aber rechte Maaß zu halten;
Wol/ antwort jener/ ein ehrlicher Mann haͤlt ſein
Wort/ und ließ ihm darauff einen maͤſſigen Becher
einſchencken/ denſelben dem Pfarꝛer zuzuzottlen; er
hingegen gieng durch/ und ließ den Saͤuffer mit ſei-
nem Eymer ſtehen.

Als dieſer abgeſchafft war/ gieng es drunter und
druͤber/ und lieſſe ſich anſehen/ als wenn dieſe Gaſte-
rey ein beſtimpte Zeit und Gelegenheit ſeyn ſolte/ ſich
gegeneinander mit Vollſauffen zu raͤchen/ einander
in Schand zu bringen/ oder ſonſt ein Poſſen zu reiſ-
ſen; dann wann einer expedirt wurde/ daß er weder
ſitzen/ gehen oder ſtehen mehr konte/ ſo bieß es: Nun
iſts Wett! Du haſt mirs hiebevor auch ſo gekocht/
jetzt iſt dirs eingetraͤnckt/ und ſo fortan/ ꝛc. Welcher
aber außdauren/ und am beſten ſauffen konte/ wuſte
ſich deſſen groß zu machen/ und duͤnckte ſich kein ge-
ringer Kerl zu ſeyn; zuletzt duͤrmelten ſie alle herum/

als
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <p><pb facs="#f0117" n="111"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Er&#x017F;tes Buch.</hi></fw><lb/>
und wurde &#x017F;o wol als andere zum Trunck geno&#x0364;tiget/<lb/>
er aber wolte nicht recht daran/ &#x017F;ondern &#x017F;agte: Er<lb/>
mo&#x0364;chte &#x017F;o be&#x017F;tiali&#x017F;ch nicht &#x017F;auffen; hingegen erwie&#x017F;e<lb/>
ihm ein guter Zech-Bruder/ daß er Pfar&#xA75B;er wie eine<lb/>
Be&#x017F;tia/ er der Sa&#x0364;uffer und andere Anwe&#x017F;ende aber/<lb/>
wie Men&#x017F;chen &#x017F;o&#x0364;ffen; dann/ &#x017F;agte er/ ein Vieh &#x017F;a&#x0364;ufft<lb/>
nur &#x017F;o viel als ihm wol &#x017F;chmecket/ und den Dur&#x017F;t<lb/>
le&#x017F;cht/ weil &#x017F;ie nicht wi&#x017F;&#x017F;en was gut i&#x017F;t/ noch den<lb/>
Wein trincken mo&#x0364;gen; uns Men&#x017F;chen aber beliebt/<lb/>
daß wir uns den Trunck zu nutz machen/ und den ed-<lb/>
len Reben-Safft ein&#x017F;chleichen la&#x017F;&#x017F;en/ wie un&#x017F;er Vor-<lb/>
Eltern auch gethan haben: So wol/ &#x017F;agt der Pfar-<lb/>
rer/ es gebu&#x0364;hrt mir aber rechte Maaß zu halten;<lb/>
Wol/ antwort jener/ ein ehrlicher Mann ha&#x0364;lt &#x017F;ein<lb/>
Wort/ und ließ ihm darauff einen ma&#x0364;&#x017F;&#x017F;igen Becher<lb/>
ein&#x017F;chencken/ den&#x017F;elben dem Pfar&#xA75B;er zuzuzottlen; er<lb/>
hingegen gieng durch/ und ließ den Sa&#x0364;uffer mit &#x017F;ei-<lb/>
nem Eymer &#x017F;tehen.</p><lb/>
        <p>Als die&#x017F;er abge&#x017F;chafft war/ gieng es drunter und<lb/>
dru&#x0364;ber/ und lie&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ich an&#x017F;ehen/ als wenn die&#x017F;e Ga&#x017F;te-<lb/>
rey ein be&#x017F;timpte Zeit und Gelegenheit &#x017F;eyn &#x017F;olte/ &#x017F;ich<lb/>
gegeneinander mit Voll&#x017F;auffen zu ra&#x0364;chen/ einander<lb/>
in Schand zu bringen/ oder &#x017F;on&#x017F;t ein Po&#x017F;&#x017F;en zu rei&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en; dann wann einer <hi rendition="#aq">expedi</hi>rt wurde/ daß er weder<lb/>
&#x017F;itzen/ gehen oder &#x017F;tehen mehr konte/ &#x017F;o bieß es: Nun<lb/>
i&#x017F;ts Wett! Du ha&#x017F;t mirs hiebevor auch &#x017F;o gekocht/<lb/>
jetzt i&#x017F;t dirs eingetra&#x0364;nckt/ und &#x017F;o fortan/ &#xA75B;c. Welcher<lb/>
aber außdauren/ und am be&#x017F;ten &#x017F;auffen konte/ wu&#x017F;te<lb/>
&#x017F;ich de&#x017F;&#x017F;en groß zu machen/ und du&#x0364;nckte &#x017F;ich kein ge-<lb/>
ringer Kerl zu &#x017F;eyn; zuletzt du&#x0364;rmelten &#x017F;ie alle herum/<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">als</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[111/0117] Erſtes Buch. und wurde ſo wol als andere zum Trunck genoͤtiget/ er aber wolte nicht recht daran/ ſondern ſagte: Er moͤchte ſo beſtialiſch nicht ſauffen; hingegen erwieſe ihm ein guter Zech-Bruder/ daß er Pfarꝛer wie eine Beſtia/ er der Saͤuffer und andere Anweſende aber/ wie Menſchen ſoͤffen; dann/ ſagte er/ ein Vieh ſaͤufft nur ſo viel als ihm wol ſchmecket/ und den Durſt leſcht/ weil ſie nicht wiſſen was gut iſt/ noch den Wein trincken moͤgen; uns Menſchen aber beliebt/ daß wir uns den Trunck zu nutz machen/ und den ed- len Reben-Safft einſchleichen laſſen/ wie unſer Vor- Eltern auch gethan haben: So wol/ ſagt der Pfar- rer/ es gebuͤhrt mir aber rechte Maaß zu halten; Wol/ antwort jener/ ein ehrlicher Mann haͤlt ſein Wort/ und ließ ihm darauff einen maͤſſigen Becher einſchencken/ denſelben dem Pfarꝛer zuzuzottlen; er hingegen gieng durch/ und ließ den Saͤuffer mit ſei- nem Eymer ſtehen. Als dieſer abgeſchafft war/ gieng es drunter und druͤber/ und lieſſe ſich anſehen/ als wenn dieſe Gaſte- rey ein beſtimpte Zeit und Gelegenheit ſeyn ſolte/ ſich gegeneinander mit Vollſauffen zu raͤchen/ einander in Schand zu bringen/ oder ſonſt ein Poſſen zu reiſ- ſen; dann wann einer expedirt wurde/ daß er weder ſitzen/ gehen oder ſtehen mehr konte/ ſo bieß es: Nun iſts Wett! Du haſt mirs hiebevor auch ſo gekocht/ jetzt iſt dirs eingetraͤnckt/ und ſo fortan/ ꝛc. Welcher aber außdauren/ und am beſten ſauffen konte/ wuſte ſich deſſen groß zu machen/ und duͤnckte ſich kein ge- ringer Kerl zu ſeyn; zuletzt duͤrmelten ſie alle herum/ als

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Der angegebene Verlag (Fillion) ist fiktiv. Die k… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/117
Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/117>, abgerufen am 26.04.2024.