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German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669.

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Drittes Buch.
dann Spring-ins-feld hatte mir einen unruhigen Floh
ins Ohr gesetzt/ und mich zu glauben persuadirt/ als
ob mich jederman neidete/ wie es denn in der Warbeit
auch nicht anders war. So erinnerte ich mich auch
dessen/ was mir die berühmte Wahrsagerin zu Soest
ehemals gesagt/ und belude mich deßhalber mit noch
grössern Sorgen. Mit diesen Gedancken schärffte
ich meinen Verstand trefflich/ und nam gewahr/ daß
ein Mensch/ der ohne Sorgen dahin lebt/ fast wie
ein Vieh seye. Jch sonne auß/ welcher Ursach halber
mich ein oder ander hassen möchte/ und erwoge/ wie
ich einem jeden begegnen müste/ darmit ich dessen
Gunst wieder erlangte/ verwundert mich darneben
zum höchsten/ daß die Kerl so falsch seyn/ und mir
lauter gute Wort geben solten/ da sie mich nicht lieb-
ten! Derowegen gedachte ich mich anzustellen/ wie
die andere/ und zu reden was jedem gefiel/ auch jedem
mit Ehrerbietung zu begegnen/ ob mirs schon nicht
umbs Hertz wäre; vornemlich aber merckte ich klar/
daß meine eigene Hoffart mich mit den meisten Fein-
den beladen hatte/ deßwegen hielte ich vor nötig/ mich
wieder demütig zu stellen/ ob ichs schon nicht sey/ mit
den gemeinen Kerlen wieder unden und oben zu ligen/
vor den höhern aber den Hut in Händen zu tragen/
und mich deß Kleider-Prachts in etwas abzuthun/
biß sich etwan mein Stand änderte. Jch hatte mir
von dem Kauffherrn in Cöln 100. Thaler geben las-
sen/ solche sampt Interesse wieder zu erlegen/ wenn er
mir meinen Schatz außhändigte/ dieselbe gedachte
ich unterwegs der Convoy halb zu verspendirn/ weil
ich nunmehr erkennete/ daß der Geitz keine Freunde
macht. Solcher gestalt war ich resolvirt/ mich zu

ändern

Drittes Buch.
dann Spring-ins-feld hatte mir einen unruhigen Floh
ins Ohr geſetzt/ und mich zu glauben perſuadirt/ als
ob mich jederman neidete/ wie es deñ in der Warbeit
auch nicht anders war. So erinnerte ich mich auch
deſſen/ was mir die beruͤhmte Wahrſagerin zu Soeſt
ehemals geſagt/ und belude mich deßhalber mit noch
groͤſſern Sorgen. Mit dieſen Gedancken ſchaͤrffte
ich meinen Verſtand trefflich/ und nam gewahr/ daß
ein Menſch/ der ohne Sorgen dahin lebt/ faſt wie
ein Vieh ſeye. Jch ſonne auß/ welcher Urſach halber
mich ein oder ander haſſen moͤchte/ und erwoge/ wie
ich einem jeden begegnen muͤſte/ darmit ich deſſen
Gunſt wieder erlangte/ verwundert mich darneben
zum hoͤchſten/ daß die Kerl ſo falſch ſeyn/ und mir
lauter gute Wort geben ſolten/ da ſie mich nicht lieb-
ten! Derowegen gedachte ich mich anzuſtellen/ wie
die andere/ und zu reden was jedem gefiel/ auch jedem
mit Ehrerbietung zu begegnen/ ob mirs ſchon nicht
umbs Hertz waͤre; vornemlich aber merckte ich klar/
daß meine eigene Hoffart mich mit den meiſten Fein-
den beladen hatte/ deßwegen hielte ich vor noͤtig/ mich
wieder demuͤtig zu ſtellen/ ob ichs ſchon nicht ſey/ mit
den gemeinen Kerlen wieder unden und oben zu ligen/
vor den hoͤhern aber den Hut in Haͤnden zu tragen/
und mich deß Kleider-Prachts in etwas abzuthun/
biß ſich etwan mein Stand aͤnderte. Jch hatte mir
von dem Kauffherꝛn in Coͤln 100. Thaler geben laſ-
ſen/ ſolche ſampt Intereſſe wieder zu erlegen/ wenn er
mir meinen Schatz außhaͤndigte/ dieſelbe gedachte
ich unterwegs der Convoy halb zu verſpendirn/ weil
ich nunmehr erkennete/ daß der Geitz keine Freunde
macht. Solcher geſtalt war ich reſolvirt/ mich zu

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[329/0335] Drittes Buch. dann Spring-ins-feld hatte mir einen unruhigen Floh ins Ohr geſetzt/ und mich zu glauben perſuadirt/ als ob mich jederman neidete/ wie es deñ in der Warbeit auch nicht anders war. So erinnerte ich mich auch deſſen/ was mir die beruͤhmte Wahrſagerin zu Soeſt ehemals geſagt/ und belude mich deßhalber mit noch groͤſſern Sorgen. Mit dieſen Gedancken ſchaͤrffte ich meinen Verſtand trefflich/ und nam gewahr/ daß ein Menſch/ der ohne Sorgen dahin lebt/ faſt wie ein Vieh ſeye. Jch ſonne auß/ welcher Urſach halber mich ein oder ander haſſen moͤchte/ und erwoge/ wie ich einem jeden begegnen muͤſte/ darmit ich deſſen Gunſt wieder erlangte/ verwundert mich darneben zum hoͤchſten/ daß die Kerl ſo falſch ſeyn/ und mir lauter gute Wort geben ſolten/ da ſie mich nicht lieb- ten! Derowegen gedachte ich mich anzuſtellen/ wie die andere/ und zu reden was jedem gefiel/ auch jedem mit Ehrerbietung zu begegnen/ ob mirs ſchon nicht umbs Hertz waͤre; vornemlich aber merckte ich klar/ daß meine eigene Hoffart mich mit den meiſten Fein- den beladen hatte/ deßwegen hielte ich vor noͤtig/ mich wieder demuͤtig zu ſtellen/ ob ichs ſchon nicht ſey/ mit den gemeinen Kerlen wieder unden und oben zu ligen/ vor den hoͤhern aber den Hut in Haͤnden zu tragen/ und mich deß Kleider-Prachts in etwas abzuthun/ biß ſich etwan mein Stand aͤnderte. Jch hatte mir von dem Kauffherꝛn in Coͤln 100. Thaler geben laſ- ſen/ ſolche ſampt Intereſſe wieder zu erlegen/ wenn er mir meinen Schatz außhaͤndigte/ dieſelbe gedachte ich unterwegs der Convoy halb zu verſpendirn/ weil ich nunmehr erkennete/ daß der Geitz keine Freunde macht. Solcher geſtalt war ich reſolvirt/ mich zu aͤndern

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Zitationshilfe: German Schleifheim von Sulsfort [i. e. Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von]: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch. Monpelgart [i. e. Nürnberg], 1669, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimmelshausen_simplicissimus_1669/335>, abgerufen am 26.04.2024.