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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787.

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und deren Gleichgewicht.
nichts geringeres zur Absicht gehabt, als sich, wenn auch
nicht zu Monarchen der ganzen Welt, doch wenigstens
zu Beherrschern des beträchtlichsten Umfangs dieses oder
ienes Welttheils zu erheben. Einer solchen weitumfas-
senden Herrschaft hat man den Namen der Universal-
monarchie
beigelegt. Sie läßt sich in einem doppelten
Verstande nehmen: entweder es müsten die übrigen
Nazionen nur einen algemeinen Regenten für ihren
Beherrscher erkennen und wie z. B. Teutschland unter
ein einiges Oberhaupt vereinigt seyn; oder man kan
auch das billig für eine Universalmonarchie ansehn,
wenn ein Staat durch Schwächung der übrigen sich in
solche Verfassung setzt, daß diese aus Furcht oder andern
Beweggründen in allen Stücken dem Verlangen iener
Macht sich fügen und ihre Handlungen deren Absichten
gemäß einrichten müssen a]. Eine Universalmonarchie
der erstern Art war wohl hauptsächlich das Werk der
ältern Welteroberer b], wohin man die Chaldeer, Assy-
rer, Perser, Meder, Griechen c] und Römer d] zählt.
Nach dem Untergange des weitläuftigen römischen
Reichs wagte lange kein Volk diesen stolzen Gedanken
wieder. Die Absichten Karls des Großen und seiner
Nachfolger wurden durch die päpstliche Hierarchie zu sehr
beschränkt e]. In neuern Zeiten f] waren die Türken g]
eine zeitlang furchtbar durch ihre Eroberungen: besonders
aber hat man Frankreich und dem Spanisch-Oesterreicht
schen Hause hauptsächlich eine zwar nicht so auffallende,
iedoch eben so gefährliche Vergrösserungsabsicht, nämlich
das Bestreben nach einer Universalmonarchie im zweiten
Verstande beigemessen. Diese zuweilen öffentlich dar-
gelegte Absichten sind mehrenteils mit dem Deckmantel
der Religion oder anderer guten Absichten beschönigt
worden h]. Die Universalmonarchie im erstern Verstan-
de würde, wenn sie möglich wäre, vielleicht noch den
wesentlichsten Nutzen stiften, weil sie durch oberstrich-

terliche
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und deren Gleichgewicht.
nichts geringeres zur Abſicht gehabt, als ſich, wenn auch
nicht zu Monarchen der ganzen Welt, doch wenigſtens
zu Beherrſchern des betraͤchtlichſten Umfangs dieſes oder
ienes Welttheils zu erheben. Einer ſolchen weitumfaſ-
ſenden Herrſchaft hat man den Namen der Univerſal-
monarchie
beigelegt. Sie laͤßt ſich in einem doppelten
Verſtande nehmen: entweder es muͤſten die uͤbrigen
Nazionen nur einen algemeinen Regenten fuͤr ihren
Beherrſcher erkennen und wie z. B. Teutſchland unter
ein einiges Oberhaupt vereinigt ſeyn; oder man kan
auch das billig fuͤr eine Univerſalmonarchie anſehn,
wenn ein Staat durch Schwaͤchung der uͤbrigen ſich in
ſolche Verfaſſung ſetzt, daß dieſe aus Furcht oder andern
Beweggruͤnden in allen Stuͤcken dem Verlangen iener
Macht ſich fuͤgen und ihre Handlungen deren Abſichten
gemaͤß einrichten muͤſſen a]. Eine Univerſalmonarchie
der erſtern Art war wohl hauptſaͤchlich das Werk der
aͤltern Welteroberer b], wohin man die Chaldeer, Aſſy-
rer, Perſer, Meder, Griechen c] und Roͤmer d] zaͤhlt.
Nach dem Untergange des weitlaͤuftigen roͤmiſchen
Reichs wagte lange kein Volk dieſen ſtolzen Gedanken
wieder. Die Abſichten Karls des Großen und ſeiner
Nachfolger wurden durch die paͤpſtliche Hierarchie zu ſehr
beſchraͤnkt e]. In neuern Zeiten f] waren die Tuͤrken g]
eine zeitlang furchtbar durch ihre Eroberungen: beſonders
aber hat man Frankreich und dem Spaniſch-Oeſterreicht
ſchen Hauſe hauptſaͤchlich eine zwar nicht ſo auffallende,
iedoch eben ſo gefaͤhrliche Vergroͤſſerungsabſicht, naͤmlich
das Beſtreben nach einer Univerſalmonarchie im zweiten
Verſtande beigemeſſen. Dieſe zuweilen oͤffentlich dar-
gelegte Abſichten ſind mehrenteils mit dem Deckmantel
der Religion oder anderer guten Abſichten beſchoͤnigt
worden h]. Die Univerſalmonarchie im erſtern Verſtan-
de wuͤrde, wenn ſie moͤglich waͤre, vielleicht noch den
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[323/0349] und deren Gleichgewicht. nichts geringeres zur Abſicht gehabt, als ſich, wenn auch nicht zu Monarchen der ganzen Welt, doch wenigſtens zu Beherrſchern des betraͤchtlichſten Umfangs dieſes oder ienes Welttheils zu erheben. Einer ſolchen weitumfaſ- ſenden Herrſchaft hat man den Namen der Univerſal- monarchie beigelegt. Sie laͤßt ſich in einem doppelten Verſtande nehmen: entweder es muͤſten die uͤbrigen Nazionen nur einen algemeinen Regenten fuͤr ihren Beherrſcher erkennen und wie z. B. Teutſchland unter ein einiges Oberhaupt vereinigt ſeyn; oder man kan auch das billig fuͤr eine Univerſalmonarchie anſehn, wenn ein Staat durch Schwaͤchung der uͤbrigen ſich in ſolche Verfaſſung ſetzt, daß dieſe aus Furcht oder andern Beweggruͤnden in allen Stuͤcken dem Verlangen iener Macht ſich fuͤgen und ihre Handlungen deren Abſichten gemaͤß einrichten muͤſſen a]. Eine Univerſalmonarchie der erſtern Art war wohl hauptſaͤchlich das Werk der aͤltern Welteroberer b], wohin man die Chaldeer, Aſſy- rer, Perſer, Meder, Griechen c] und Roͤmer d] zaͤhlt. Nach dem Untergange des weitlaͤuftigen roͤmiſchen Reichs wagte lange kein Volk dieſen ſtolzen Gedanken wieder. Die Abſichten Karls des Großen und ſeiner Nachfolger wurden durch die paͤpſtliche Hierarchie zu ſehr beſchraͤnkt e]. In neuern Zeiten f] waren die Tuͤrken g] eine zeitlang furchtbar durch ihre Eroberungen: beſonders aber hat man Frankreich und dem Spaniſch-Oeſterreicht ſchen Hauſe hauptſaͤchlich eine zwar nicht ſo auffallende, iedoch eben ſo gefaͤhrliche Vergroͤſſerungsabſicht, naͤmlich das Beſtreben nach einer Univerſalmonarchie im zweiten Verſtande beigemeſſen. Dieſe zuweilen oͤffentlich dar- gelegte Abſichten ſind mehrenteils mit dem Deckmantel der Religion oder anderer guten Abſichten beſchoͤnigt worden h]. Die Univerſalmonarchie im erſtern Verſtan- de wuͤrde, wenn ſie moͤglich waͤre, vielleicht noch den weſentlichſten Nutzen ſtiften, weil ſie durch oberſtrich- terliche X 2

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen, mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 1. Altenburg, 1787, S. 323. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht01_1787/349>, abgerufen am 26.04.2024.