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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792.

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und dem ursprünglichen Erwerbe.
neuern Zeiten auf diese päbstliche Schenkungen sich we-
nig gestützt. Doch wolte Spanien im Jahre 1784
dem Vorgeben nach, unter andern auch aus diesem
Grunde, der sämtlichen Etablissements auf der Küste von
Guinea sich bemächtigen, s. Polit. Journal 1784. Jan.
S. 57.
§. 7.
Unbewohnter Lande.

Wenn unangebaute und unbewohnte Gegenden, die
nicht in dem Gebiete eines andern Volks liegen, keinen
Eigenthümer haben, so ist kein Zweifel, daß sich jede
Nazion derselben nach Gefallen bemächtigen und zueig-
nen könne, und daß solche, da sie alle gleiche Rechte
darauf haben, derjenigen gehören, die sie zuerst in Be-
sitz nimt, ohne daß eine andere ihr desfals Einhalt
thun könte.

§. 8.
Lande der Wilden.

Ganz anders verhält sichs aber, nach den Grund-
sätzen des natürlichen Völkerrechts, mit den von Wil-
den bewohnten Ländern. Ein Land, das einmal be-
wohnt ist, kann, weil es nicht mehr herrnlos [res
nullius
] ist, von Rechts wegen, ohne Bewilligung der
Bewohner, von keiner andern Nazion eigen gemacht,
und ihrer Herrschaft unterworfen werden, dessen Be-
wohner mögen auch noch so wild, roh und ohne Be-
griffe von Religion und Gottesdienst seyn. Indes ha-
ben die europäischen Völker hierinn allerdings ganz an-
dere Grundsätze angenommen, und sich, besonders un-
ter dem Schein der Ausbreitung christlicher Religion,
für berechtigt gehalten, nicht nur die Lande der Wil-

den
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und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.
neuern Zeiten auf dieſe paͤbſtliche Schenkungen ſich we-
nig geſtuͤtzt. Doch wolte Spanien im Jahre 1784
dem Vorgeben nach, unter andern auch aus dieſem
Grunde, der ſaͤmtlichen Etabliſſements auf der Kuͤſte von
Guinea ſich bemaͤchtigen, ſ. Polit. Journal 1784. Jan.
S. 57.
§. 7.
Unbewohnter Lande.

Wenn unangebaute und unbewohnte Gegenden, die
nicht in dem Gebiete eines andern Volks liegen, keinen
Eigenthuͤmer haben, ſo iſt kein Zweifel, daß ſich jede
Nazion derſelben nach Gefallen bemaͤchtigen und zueig-
nen koͤnne, und daß ſolche, da ſie alle gleiche Rechte
darauf haben, derjenigen gehoͤren, die ſie zuerſt in Be-
ſitz nimt, ohne daß eine andere ihr desfals Einhalt
thun koͤnte.

§. 8.
Lande der Wilden.

Ganz anders verhaͤlt ſichs aber, nach den Grund-
ſaͤtzen des natuͤrlichen Voͤlkerrechts, mit den von Wil-
den bewohnten Laͤndern. Ein Land, das einmal be-
wohnt iſt, kann, weil es nicht mehr herrnlos [res
nullius
] iſt, von Rechts wegen, ohne Bewilligung der
Bewohner, von keiner andern Nazion eigen gemacht,
und ihrer Herrſchaft unterworfen werden, deſſen Be-
wohner moͤgen auch noch ſo wild, roh und ohne Be-
griffe von Religion und Gottesdienſt ſeyn. Indes ha-
ben die europaͤiſchen Voͤlker hierinn allerdings ganz an-
dere Grundſaͤtze angenommen, und ſich, beſonders un-
ter dem Schein der Ausbreitung chriſtlicher Religion,
fuͤr berechtigt gehalten, nicht nur die Lande der Wil-

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[9/0023] und dem urſpruͤnglichen Erwerbe. a] neuern Zeiten auf dieſe paͤbſtliche Schenkungen ſich we- nig geſtuͤtzt. Doch wolte Spanien im Jahre 1784 dem Vorgeben nach, unter andern auch aus dieſem Grunde, der ſaͤmtlichen Etabliſſements auf der Kuͤſte von Guinea ſich bemaͤchtigen, ſ. Polit. Journal 1784. Jan. S. 57. §. 7. Unbewohnter Lande. Wenn unangebaute und unbewohnte Gegenden, die nicht in dem Gebiete eines andern Volks liegen, keinen Eigenthuͤmer haben, ſo iſt kein Zweifel, daß ſich jede Nazion derſelben nach Gefallen bemaͤchtigen und zueig- nen koͤnne, und daß ſolche, da ſie alle gleiche Rechte darauf haben, derjenigen gehoͤren, die ſie zuerſt in Be- ſitz nimt, ohne daß eine andere ihr desfals Einhalt thun koͤnte. §. 8. Lande der Wilden. Ganz anders verhaͤlt ſichs aber, nach den Grund- ſaͤtzen des natuͤrlichen Voͤlkerrechts, mit den von Wil- den bewohnten Laͤndern. Ein Land, das einmal be- wohnt iſt, kann, weil es nicht mehr herrnlos [res nullius] iſt, von Rechts wegen, ohne Bewilligung der Bewohner, von keiner andern Nazion eigen gemacht, und ihrer Herrſchaft unterworfen werden, deſſen Be- wohner moͤgen auch noch ſo wild, roh und ohne Be- griffe von Religion und Gottesdienſt ſeyn. Indes ha- ben die europaͤiſchen Voͤlker hierinn allerdings ganz an- dere Grundſaͤtze angenommen, und ſich, beſonders un- ter dem Schein der Ausbreitung chriſtlicher Religion, fuͤr berechtigt gehalten, nicht nur die Lande der Wil- den A 5

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht02_1792/23>, abgerufen am 27.04.2024.