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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792.

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Von Garantirung der Lande.
§. 5.
Garantie streitiger Lande und künftiger
Besitzungen
.

Eigentlich gehen die Garantieen nur auf dieienigen
Lande in deren ruhigem Besitz eine Macht sich bey Er-
richtung des Garantievertrages befindet, wie dies öfters
ausdrücklich bemerkt zu werden pflegt a]. Doch ge-
schieht es auch wohl, daß eine Nazion die Garantie
solcher Lande übernimt, deren Eigenthumsrecht noch
nicht entschieden und der Besitz daher streitig ist b] oder
auch solcher, deren Besitz die andere Nazion erst künf-
tig zu hoffen hat c]. Da es, bey entstehenden Strei-
tigkeiten, schwer zu bestimmen ist, welcher Theil das
stärkste Recht an einem Lande habe, so hängt es von
dem Gutbefinden eines ieden Volks ab, ob es sich zur
Garantie des einstweiligen Besitzes, nicht sowohl gegen
Recht, als nur gegen unerlaubte Gewalt verstehen
wolle; doch kann den gegründetern Rechten eines drit-
ten dadurch nie einiger Nachtheil zugefügt werden d].

a] Dahin lauten die meisten Garantieverträge. Der mehr-
gedachte Burbonische Familienvertrag verlangt deutlich:
les possessions, objet de leur Garantie, seront con-
stituees suivant l'etat actuel ou elles seront au pre-
mier moment ou l'une et l'autre couronne se trou-
veront en paix avec toutes les autres puissances.

In der Hannöverschen Allianz zwischen Grosbritannien
Frankreich und Preussen von 1725. Art. 2. heißt es:
Leurs Majestes susdites s'entrepromettent leur garan-
tie reciproque pour proteger et maintenir generale-
ment tous les etats, pays etc. tant dedans que dehors
l'Europe dont chacun des Allies sera actuellement
en possession au tems de la signature de cette alliance.

In dem Bündnisse zwischen Grosbritannien und den Ver-
Q 5
Von Garantirung der Lande.
§. 5.
Garantie ſtreitiger Lande und kuͤnftiger
Beſitzungen
.

Eigentlich gehen die Garantieen nur auf dieienigen
Lande in deren ruhigem Beſitz eine Macht ſich bey Er-
richtung des Garantievertrages befindet, wie dies oͤfters
ausdruͤcklich bemerkt zu werden pflegt a]. Doch ge-
ſchieht es auch wohl, daß eine Nazion die Garantie
ſolcher Lande uͤbernimt, deren Eigenthumsrecht noch
nicht entſchieden und der Beſitz daher ſtreitig iſt b] oder
auch ſolcher, deren Beſitz die andere Nazion erſt kuͤnf-
tig zu hoffen hat c]. Da es, bey entſtehenden Strei-
tigkeiten, ſchwer zu beſtimmen iſt, welcher Theil das
ſtaͤrkſte Recht an einem Lande habe, ſo haͤngt es von
dem Gutbefinden eines ieden Volks ab, ob es ſich zur
Garantie des einſtweiligen Beſitzes, nicht ſowohl gegen
Recht, als nur gegen unerlaubte Gewalt verſtehen
wolle; doch kann den gegruͤndetern Rechten eines drit-
ten dadurch nie einiger Nachtheil zugefuͤgt werden d].

a] Dahin lauten die meiſten Garantievertraͤge. Der mehr-
gedachte Burboniſche Familienvertrag verlangt deutlich:
les poſſeſſions, objet de leur Garantie, ſeront con-
ſtituées ſuivant l’état actuel ou elles ſeront au pre-
mier moment où l’une et l’autre couronne ſe trou-
veront en paix avec toutes les autres puiſſances.

In der Hannoͤverſchen Allianz zwiſchen Grosbritannien
Frankreich und Preuſſen von 1725. Art. 2. heißt es:
Leurs Majeſtés ſusdites ſ’entrepromettent leur garan-
tie réciproque pour proteger et maintenir générale-
ment tous les états, pays etc. tant dedans que dehors
l’Europe dont chacun des Alliés ſera actuellement
en poſſeſſion au tems de la ſignature de cette alliance.

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[249/0263] Von Garantirung der Lande. §. 5. Garantie ſtreitiger Lande und kuͤnftiger Beſitzungen. Eigentlich gehen die Garantieen nur auf dieienigen Lande in deren ruhigem Beſitz eine Macht ſich bey Er- richtung des Garantievertrages befindet, wie dies oͤfters ausdruͤcklich bemerkt zu werden pflegt a]. Doch ge- ſchieht es auch wohl, daß eine Nazion die Garantie ſolcher Lande uͤbernimt, deren Eigenthumsrecht noch nicht entſchieden und der Beſitz daher ſtreitig iſt b] oder auch ſolcher, deren Beſitz die andere Nazion erſt kuͤnf- tig zu hoffen hat c]. Da es, bey entſtehenden Strei- tigkeiten, ſchwer zu beſtimmen iſt, welcher Theil das ſtaͤrkſte Recht an einem Lande habe, ſo haͤngt es von dem Gutbefinden eines ieden Volks ab, ob es ſich zur Garantie des einſtweiligen Beſitzes, nicht ſowohl gegen Recht, als nur gegen unerlaubte Gewalt verſtehen wolle; doch kann den gegruͤndetern Rechten eines drit- ten dadurch nie einiger Nachtheil zugefuͤgt werden d]. a] Dahin lauten die meiſten Garantievertraͤge. Der mehr- gedachte Burboniſche Familienvertrag verlangt deutlich: les poſſeſſions, objet de leur Garantie, ſeront con- ſtituées ſuivant l’état actuel ou elles ſeront au pre- mier moment où l’une et l’autre couronne ſe trou- veront en paix avec toutes les autres puiſſances. In der Hannoͤverſchen Allianz zwiſchen Grosbritannien Frankreich und Preuſſen von 1725. Art. 2. heißt es: Leurs Majeſtés ſusdites ſ’entrepromettent leur garan- tie réciproque pour proteger et maintenir générale- ment tous les états, pays etc. tant dedans que dehors l’Europe dont chacun des Alliés ſera actuellement en poſſeſſion au tems de la ſignature de cette alliance. In dem Buͤndniſſe zwiſchen Grosbritannien und den Ver- einigten Q 5

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht02_1792/263>, abgerufen am 26.04.2024.