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Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792.

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Von Garantirung der Lande.
schmälert geblieben wären. Auf die österreichische Ein-
wendung, daß solchergestalt die Garantieen ohne Wür-
kung seyn würden, entgegnete Frankreich: daß solche nur
gegen dieienigen Aggressores gerichtet wären, die ohne
Titel, Schein und Recht eine garantirte Sache mit Ge-
walt der Waffen anzufechten sich unterstünden. Glafey
Völkerrecht Kap. 8. §. 90. ff. welcher iedoch glaubt, daß
man in vielen Fällen contra iura cujusvis tertii garan-
tiren könne, weil unter Völkern oft kein ander Mittel
zur Ruhe zu gelangen und Frieden zu stiften übrig sey,
als wenn man, mit Hintansetzung des Streits, wer
Recht oder Unrecht hat, entweder das vti possidetis
zum Fundament nehme, oder auch sonst einen bey dem
Besitz einer Sache wider ieden ohne Unterschied zu schü-
tzen verspreche, und weil die Frage: wer Recht zu etwas
habe unter Völkern, sowohl wegen eines ermangelnden
Richters, als auch wegen der gemeiniglich dabey obwal-
tenden Zweifel und angeführten Scheingründe von beiden
Theilen, sehr schwer zu entscheiden sey. Seiner Mei-
nung nach sind daher auch in dergleichen Verträgen die
Gerechtsame dritter Nazionen, wenn es nicht ausdrücklich
bedungen worden, keinesweges stilschweigend für ausge-
nommen zu achten.
§. 6.
Wechselseitige Rechte und Verbindlich-
keiten bey den Landesgarantieen
.

Keine Nazion ist von Natur verbunden, andere
bey dem ruhigen Besitz ihrer Lande zu schützen, ob sie
gleich selbst sich aller Stöhrungen, ohne hinlänglichen
Grund enthalten muß. Eine solche Garantie kann da-
her auch von andern nicht als Schuldigkeit verlangt,
sondern muß durch ihre Einwilligung erworben werden.

In
Von Garantirung der Lande.
ſchmaͤlert geblieben waͤren. Auf die oͤſterreichiſche Ein-
wendung, daß ſolchergeſtalt die Garantieen ohne Wuͤr-
kung ſeyn wuͤrden, entgegnete Frankreich: daß ſolche nur
gegen dieienigen Aggreſſores gerichtet waͤren, die ohne
Titel, Schein und Recht eine garantirte Sache mit Ge-
walt der Waffen anzufechten ſich unterſtuͤnden. Glafey
Voͤlkerrecht Kap. 8. §. 90. ff. welcher iedoch glaubt, daß
man in vielen Faͤllen contra iura cujusvis tertii garan-
tiren koͤnne, weil unter Voͤlkern oft kein ander Mittel
zur Ruhe zu gelangen und Frieden zu ſtiften uͤbrig ſey,
als wenn man, mit Hintanſetzung des Streits, wer
Recht oder Unrecht hat, entweder das vti poſſidetis
zum Fundament nehme, oder auch ſonſt einen bey dem
Beſitz einer Sache wider ieden ohne Unterſchied zu ſchuͤ-
tzen verſpreche, und weil die Frage: wer Recht zu etwas
habe unter Voͤlkern, ſowohl wegen eines ermangelnden
Richters, als auch wegen der gemeiniglich dabey obwal-
tenden Zweifel und angefuͤhrten Scheingruͤnde von beiden
Theilen, ſehr ſchwer zu entſcheiden ſey. Seiner Mei-
nung nach ſind daher auch in dergleichen Vertraͤgen die
Gerechtſame dritter Nazionen, wenn es nicht ausdruͤcklich
bedungen worden, keinesweges ſtilſchweigend fuͤr ausge-
nommen zu achten.
§. 6.
Wechſelſeitige Rechte und Verbindlich-
keiten bey den Landesgarantieen
.

Keine Nazion iſt von Natur verbunden, andere
bey dem ruhigen Beſitz ihrer Lande zu ſchuͤtzen, ob ſie
gleich ſelbſt ſich aller Stoͤhrungen, ohne hinlaͤnglichen
Grund enthalten muß. Eine ſolche Garantie kann da-
her auch von andern nicht als Schuldigkeit verlangt,
ſondern muß durch ihre Einwilligung erworben werden.

In
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[251/0265] Von Garantirung der Lande. d] ſchmaͤlert geblieben waͤren. Auf die oͤſterreichiſche Ein- wendung, daß ſolchergeſtalt die Garantieen ohne Wuͤr- kung ſeyn wuͤrden, entgegnete Frankreich: daß ſolche nur gegen dieienigen Aggreſſores gerichtet waͤren, die ohne Titel, Schein und Recht eine garantirte Sache mit Ge- walt der Waffen anzufechten ſich unterſtuͤnden. Glafey Voͤlkerrecht Kap. 8. §. 90. ff. welcher iedoch glaubt, daß man in vielen Faͤllen contra iura cujusvis tertii garan- tiren koͤnne, weil unter Voͤlkern oft kein ander Mittel zur Ruhe zu gelangen und Frieden zu ſtiften uͤbrig ſey, als wenn man, mit Hintanſetzung des Streits, wer Recht oder Unrecht hat, entweder das vti poſſidetis zum Fundament nehme, oder auch ſonſt einen bey dem Beſitz einer Sache wider ieden ohne Unterſchied zu ſchuͤ- tzen verſpreche, und weil die Frage: wer Recht zu etwas habe unter Voͤlkern, ſowohl wegen eines ermangelnden Richters, als auch wegen der gemeiniglich dabey obwal- tenden Zweifel und angefuͤhrten Scheingruͤnde von beiden Theilen, ſehr ſchwer zu entſcheiden ſey. Seiner Mei- nung nach ſind daher auch in dergleichen Vertraͤgen die Gerechtſame dritter Nazionen, wenn es nicht ausdruͤcklich bedungen worden, keinesweges ſtilſchweigend fuͤr ausge- nommen zu achten. §. 6. Wechſelſeitige Rechte und Verbindlich- keiten bey den Landesgarantieen. Keine Nazion iſt von Natur verbunden, andere bey dem ruhigen Beſitz ihrer Lande zu ſchuͤtzen, ob ſie gleich ſelbſt ſich aller Stoͤhrungen, ohne hinlaͤnglichen Grund enthalten muß. Eine ſolche Garantie kann da- her auch von andern nicht als Schuldigkeit verlangt, ſondern muß durch ihre Einwilligung erworben werden. In

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Zitationshilfe: Günther, Karl Gottlob: Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Bd. 2. Altenburg, 1792, S. 251. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/guenther_voelkerrecht02_1792/265>, abgerufen am 26.04.2024.