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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759.

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Schlagadern.
aus dem Herzen in die grosse Schlagader hinein getrieben
wird, und man kann mit Recht glauben, daß es diese
Art von Gefässen ebnermassen in einem Cylinder aus-
dehne, und dieses bestätigen auch die Eröfnungen lebendi-
ger Thiere. Auch so gar die Schlagadererweiterungen
(anevrismata), wenigstens diejenigen, welche ich an Thie-
ren zuwegegebracht (b), oder an damit behafteten Kran-
ken wahrgenommen, haben jederzeit einen zirkelförmigen
Schnitt gezeiget.

§. 3.
Wie fern man die Schlagadern kegel-
förmig nennet.

Die kegelförmige Figur derer Schlagadern wird ge-
meiniglich in ihrer Beschreibung mit angeführet, und
zwar in der Absicht, damit ein anatomischer Zerleger
wisse, daß, wenn er eine oder die andere Schlagader,
wie z. E. die am Finger, bis zu ihrem Stamme, bis
zur grossen Schlagader, und endlich zum Herzen verfol-
get, die Oeffnungen derselben im Lichten immer grösser
werden, je näher die Schlagader dem Herzen kommt;
daher kommt es, daß man die Figur der Schlagadern
eine zusammen geneigte kegelförmige (conica convergens)
nennet (c), so oft man die grosse Schlagader bis zu ei-
nem einzigen Aste und dessen kleinesten Zweigen verfolgt,
und wir halten, vermöge unserer Einbildungskraft, die-
se bis zum Finger fortgesezte Aorte vor einen einzigen
Kanal, dessen Ursprung und Grundlinie im Herzen, das
Ende und die Spizze aber in dem Finger angetroffen
wird. Jnzwischen könnte man dennoch wider diese
durchgängig angenommene Erklärung einer Schlagader
allerdings verschiednes einwenden, und man muß diese

Zweifel
(b) [Spaltenumbruch] Second memoir. sur le mou-
vement du Coeur.
S. 238. N. 10.
(c) [Spaltenumbruch] boerhaave Instit. rei med.
N. 132. Prael. T. II. S. 4.
G 5

Schlagadern.
aus dem Herzen in die groſſe Schlagader hinein getrieben
wird, und man kann mit Recht glauben, daß es dieſe
Art von Gefaͤſſen ebnermaſſen in einem Cylinder aus-
dehne, und dieſes beſtaͤtigen auch die Eroͤfnungen lebendi-
ger Thiere. Auch ſo gar die Schlagadererweiterungen
(anevrismata), wenigſtens diejenigen, welche ich an Thie-
ren zuwegegebracht (b), oder an damit behafteten Kran-
ken wahrgenommen, haben jederzeit einen zirkelfoͤrmigen
Schnitt gezeiget.

§. 3.
Wie fern man die Schlagadern kegel-
foͤrmig nennet.

Die kegelfoͤrmige Figur derer Schlagadern wird ge-
meiniglich in ihrer Beſchreibung mit angefuͤhret, und
zwar in der Abſicht, damit ein anatomiſcher Zerleger
wiſſe, daß, wenn er eine oder die andere Schlagader,
wie z. E. die am Finger, bis zu ihrem Stamme, bis
zur groſſen Schlagader, und endlich zum Herzen verfol-
get, die Oeffnungen derſelben im Lichten immer groͤſſer
werden, je naͤher die Schlagader dem Herzen kommt;
daher kommt es, daß man die Figur der Schlagadern
eine zuſammen geneigte kegelfoͤrmige (conica convergens)
nennet (c), ſo oft man die groſſe Schlagader bis zu ei-
nem einzigen Aſte und deſſen kleineſten Zweigen verfolgt,
und wir halten, vermoͤge unſerer Einbildungskraft, die-
ſe bis zum Finger fortgeſezte Aorte vor einen einzigen
Kanal, deſſen Urſprung und Grundlinie im Herzen, das
Ende und die Spizze aber in dem Finger angetroffen
wird. Jnzwiſchen koͤnnte man dennoch wider dieſe
durchgaͤngig angenommene Erklaͤrung einer Schlagader
allerdings verſchiednes einwenden, und man muß dieſe

Zweifel
(b) [Spaltenumbruch] Second memoir. ſur le mou-
vement du Coeur.
S. 238. N. 10.
(c) [Spaltenumbruch] boerhaave Inſtit. rei med.
N. 132. Præl. T. II. S. 4.
G 5
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[105/0161] Schlagadern. aus dem Herzen in die groſſe Schlagader hinein getrieben wird, und man kann mit Recht glauben, daß es dieſe Art von Gefaͤſſen ebnermaſſen in einem Cylinder aus- dehne, und dieſes beſtaͤtigen auch die Eroͤfnungen lebendi- ger Thiere. Auch ſo gar die Schlagadererweiterungen (anevrismata), wenigſtens diejenigen, welche ich an Thie- ren zuwegegebracht (b), oder an damit behafteten Kran- ken wahrgenommen, haben jederzeit einen zirkelfoͤrmigen Schnitt gezeiget. §. 3. Wie fern man die Schlagadern kegel- foͤrmig nennet. Die kegelfoͤrmige Figur derer Schlagadern wird ge- meiniglich in ihrer Beſchreibung mit angefuͤhret, und zwar in der Abſicht, damit ein anatomiſcher Zerleger wiſſe, daß, wenn er eine oder die andere Schlagader, wie z. E. die am Finger, bis zu ihrem Stamme, bis zur groſſen Schlagader, und endlich zum Herzen verfol- get, die Oeffnungen derſelben im Lichten immer groͤſſer werden, je naͤher die Schlagader dem Herzen kommt; daher kommt es, daß man die Figur der Schlagadern eine zuſammen geneigte kegelfoͤrmige (conica convergens) nennet (c), ſo oft man die groſſe Schlagader bis zu ei- nem einzigen Aſte und deſſen kleineſten Zweigen verfolgt, und wir halten, vermoͤge unſerer Einbildungskraft, die- ſe bis zum Finger fortgeſezte Aorte vor einen einzigen Kanal, deſſen Urſprung und Grundlinie im Herzen, das Ende und die Spizze aber in dem Finger angetroffen wird. Jnzwiſchen koͤnnte man dennoch wider dieſe durchgaͤngig angenommene Erklaͤrung einer Schlagader allerdings verſchiednes einwenden, und man muß dieſe Zweifel (b) Second memoir. ſur le mou- vement du Coeur. S. 238. N. 10. (c) boerhaave Inſtit. rei med. N. 132. Præl. T. II. S. 4. G 5

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/161>, abgerufen am 28.04.2024.