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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759.

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Schlagadern.
§. 13.
Die zusammenziehende Kraft der
Schlagader.

Wenn es in der Schlagader Fleischfasern giebt, so
mus sie eine reizbare Natur besizzen, weil es zwei am
menschlichen Körper unzertrennliche Dinge sind, muskel-
haft und reizbar zu seyn (o). Jndessen müssen wir doch
etwas deutlicher und umständlicher von der Verkürzungs-
kraft der Schlagader handeln, damit wir darüber in kei-
ne Jrrthümer geraten.

Erstlich giebt die Festigkeit der Schlagader allein,
und die dem Zellgewebe natürliche Federkraft, einige An-
zeige von derselben Stärke. Jch rechne folglich hieher,
daß eine zerschnittne Schlagader ihre vorige Oefnung im
Lichten ungekränkt übrig behält, wie ich dieses vor eini-
gen Tagen noch an einem Hühnchen beobachtet habe.
Eine zerschnittne Blutader fällt sogleich zusammen; eine
Schlagader zieht sich dagegen zurükke und bleibt hol, da-
bei sie nicht im geringsten enger wird. Jch glaube auch,
daß nichts weiter nöthig ist, um diejenigen Falten zu
machen, in welche sich eine zerschnittene Schlagader in
Verwundungen runzelt (p), und welches der wichtigste
Theil von der besondern Vorsorge ist, so die Natur zu
Hemmung des Blutsturzes anwendet. Jch halte auch
davor, daß es eben die Kraft sey, vermöge der eine
Schlagader, in Vergleichung mit dem Nerven, kürzer
gemacht wird. Eine 27 Linien lange Schlagader zog
sich, als man sie zerschnitte, bis auf 12 Linien zurük (q),
welches 3 und 5 mal mehr betrug, als bey dem Ner-

ven
(o) [Spaltenumbruch] Prem. Mem. sur l'irritabilite,
S. 53.
(p) savvages theor. tumor.
S. 8. De pulsu. S. 2.
(q) [Spaltenumbruch] Senak beobachtete, daß
sich ein Stük der menschlichen
Aorte von 21. Lin bis auf 13. zu-
rükkegezogen. angef. Ort. S 239.
J 2
Schlagadern.
§. 13.
Die zuſammenziehende Kraft der
Schlagader.

Wenn es in der Schlagader Fleiſchfaſern giebt, ſo
mus ſie eine reizbare Natur beſizzen, weil es zwei am
menſchlichen Koͤrper unzertrennliche Dinge ſind, muskel-
haft und reizbar zu ſeyn (o). Jndeſſen muͤſſen wir doch
etwas deutlicher und umſtaͤndlicher von der Verkuͤrzungs-
kraft der Schlagader handeln, damit wir daruͤber in kei-
ne Jrrthuͤmer geraten.

Erſtlich giebt die Feſtigkeit der Schlagader allein,
und die dem Zellgewebe natuͤrliche Federkraft, einige An-
zeige von derſelben Staͤrke. Jch rechne folglich hieher,
daß eine zerſchnittne Schlagader ihre vorige Oefnung im
Lichten ungekraͤnkt uͤbrig behaͤlt, wie ich dieſes vor eini-
gen Tagen noch an einem Huͤhnchen beobachtet habe.
Eine zerſchnittne Blutader faͤllt ſogleich zuſammen; eine
Schlagader zieht ſich dagegen zuruͤkke und bleibt hol, da-
bei ſie nicht im geringſten enger wird. Jch glaube auch,
daß nichts weiter noͤthig iſt, um diejenigen Falten zu
machen, in welche ſich eine zerſchnittene Schlagader in
Verwundungen runzelt (p), und welches der wichtigſte
Theil von der beſondern Vorſorge iſt, ſo die Natur zu
Hemmung des Blutſturzes anwendet. Jch halte auch
davor, daß es eben die Kraft ſey, vermoͤge der eine
Schlagader, in Vergleichung mit dem Nerven, kuͤrzer
gemacht wird. Eine 27 Linien lange Schlagader zog
ſich, als man ſie zerſchnitte, bis auf 12 Linien zuruͤk (q),
welches 3 und 5 mal mehr betrug, als bey dem Ner-

ven
(o) [Spaltenumbruch] Prem. Mem. ſur l’irritabilité,
S. 53.
(p) savvages theor. tumor.
S. 8. De pulſu. S. 2.
(q) [Spaltenumbruch] Senak beobachtete, daß
ſich ein Stuͤk der menſchlichen
Aorte von 21. Lin bis auf 13. zu-
ruͤkkegezogen. angef. Ort. S 239.
J 2
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[131/0187] Schlagadern. §. 13. Die zuſammenziehende Kraft der Schlagader. Wenn es in der Schlagader Fleiſchfaſern giebt, ſo mus ſie eine reizbare Natur beſizzen, weil es zwei am menſchlichen Koͤrper unzertrennliche Dinge ſind, muskel- haft und reizbar zu ſeyn (o). Jndeſſen muͤſſen wir doch etwas deutlicher und umſtaͤndlicher von der Verkuͤrzungs- kraft der Schlagader handeln, damit wir daruͤber in kei- ne Jrrthuͤmer geraten. Erſtlich giebt die Feſtigkeit der Schlagader allein, und die dem Zellgewebe natuͤrliche Federkraft, einige An- zeige von derſelben Staͤrke. Jch rechne folglich hieher, daß eine zerſchnittne Schlagader ihre vorige Oefnung im Lichten ungekraͤnkt uͤbrig behaͤlt, wie ich dieſes vor eini- gen Tagen noch an einem Huͤhnchen beobachtet habe. Eine zerſchnittne Blutader faͤllt ſogleich zuſammen; eine Schlagader zieht ſich dagegen zuruͤkke und bleibt hol, da- bei ſie nicht im geringſten enger wird. Jch glaube auch, daß nichts weiter noͤthig iſt, um diejenigen Falten zu machen, in welche ſich eine zerſchnittene Schlagader in Verwundungen runzelt (p), und welches der wichtigſte Theil von der beſondern Vorſorge iſt, ſo die Natur zu Hemmung des Blutſturzes anwendet. Jch halte auch davor, daß es eben die Kraft ſey, vermoͤge der eine Schlagader, in Vergleichung mit dem Nerven, kuͤrzer gemacht wird. Eine 27[FORMEL] Linien lange Schlagader zog ſich, als man ſie zerſchnitte, bis auf 12 Linien zuruͤk (q), welches 3 und 5 mal mehr betrug, als bey dem Ner- ven (o) Prem. Mem. ſur l’irritabilité, S. 53. (p) savvages theor. tumor. S. 8. De pulſu. S. 2. (q) Senak beobachtete, daß ſich ein Stuͤk der menſchlichen Aorte von 21. Lin bis auf 13. zu- ruͤkkegezogen. angef. Ort. S 239. J 2

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/187>, abgerufen am 29.04.2024.