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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759.

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Schlagadern.
hirne überein: folglich gebe es ohne Zweifel auch noch
andre Ordnungen von Gefässen, welche beständig abnäh-
men, darunter die erste Klasse aus dem dritten Geschlech-
te von Schlagadern entstünde, welche ein durchsichtiges
Flieswasser führten; aus dieser käme eine andre, nämlich
die fünfte Klasse von kleinen Schlagadern hervor, die
wieder feinere Säfte führe, und man finde so wenig En-
de in den Progreßionen, als man noch zur Zeit wüste,
welches das lezte Geschlecht von Gefässen sey.

Daher entstünden also neue Verirrungen von dem
gewöhnlichen Orte, und Entzündungen, die von keiner
Röthe begleitet würden, so oft der gelbrothe Saft (a)
der kleinen Schlagäderchen, die ein salzig Wasser führ-
ten (arteriolae serosae), in die durchsichtige Gefässe hin-
eingetrieben würde, und in diesen engen Kanälen stekken
bliebe; von welcher Art ohngefähr die gelbrothe Rose (b)
(erysipelas flavum) wäre, ingleichen die gelbrothe Fäden
auf der Zunge, die eine schlimme Vorbedeutung abge-
ben (c), wie ich davon unlängst ein betrübtes Exempel an
einer mit der rothen Ruhr behafteten Frauensperson mit
Augen gesehen, deren Zunge ganz und gar safrangelb
aussahe. Man findet aber auch Beispiele von safran-
farbigen durch die monatliche Reinigung abgegangenen
Blute (d).

§. 31.
Die Anmerkungen.

Wir müssen nunmehro untersuchen, was an dieser
so zierlichen und so gefälligen Theorie gründliches ist.
Solche Gefässe, die kleiner wären, als die rothen, kann

aller-
(a) [Spaltenumbruch] Aphor. de cognosc. & cu-
rand. morb. n. 379. 380. Prax.
med. T. II.
S. 25. Steph. Ha-
les
Haemastat. S. 169.
(b) [Spaltenumbruch] G. v. Swieten T. I. S.
644.
(c) viridet du bon chile. S.
407.
(d) lanzoni Animadvers. 75.
O 3

Schlagadern.
hirne uͤberein: folglich gebe es ohne Zweifel auch noch
andre Ordnungen von Gefaͤſſen, welche beſtaͤndig abnaͤh-
men, darunter die erſte Klaſſe aus dem dritten Geſchlech-
te von Schlagadern entſtuͤnde, welche ein durchſichtiges
Flieswaſſer fuͤhrten; aus dieſer kaͤme eine andre, naͤmlich
die fuͤnfte Klaſſe von kleinen Schlagadern hervor, die
wieder feinere Saͤfte fuͤhre, und man finde ſo wenig En-
de in den Progreßionen, als man noch zur Zeit wuͤſte,
welches das lezte Geſchlecht von Gefaͤſſen ſey.

Daher entſtuͤnden alſo neue Verirrungen von dem
gewoͤhnlichen Orte, und Entzuͤndungen, die von keiner
Roͤthe begleitet wuͤrden, ſo oft der gelbrothe Saft (a)
der kleinen Schlagaͤderchen, die ein ſalzig Waſſer fuͤhr-
ten (arteriolae ſeroſae), in die durchſichtige Gefaͤſſe hin-
eingetrieben wuͤrde, und in dieſen engen Kanaͤlen ſtekken
bliebe; von welcher Art ohngefaͤhr die gelbrothe Roſe (b)
(eryſipelas flavum) waͤre, ingleichen die gelbrothe Faͤden
auf der Zunge, die eine ſchlimme Vorbedeutung abge-
ben (c), wie ich davon unlaͤngſt ein betruͤbtes Exempel an
einer mit der rothen Ruhr behafteten Frauensperſon mit
Augen geſehen, deren Zunge ganz und gar ſafrangelb
ausſahe. Man findet aber auch Beiſpiele von ſafran-
farbigen durch die monatliche Reinigung abgegangenen
Blute (d).

§. 31.
Die Anmerkungen.

Wir muͤſſen nunmehro unterſuchen, was an dieſer
ſo zierlichen und ſo gefaͤlligen Theorie gruͤndliches iſt.
Solche Gefaͤſſe, die kleiner waͤren, als die rothen, kann

aller-
(a) [Spaltenumbruch] Aphor. de cognoſc. & cu-
rand. morb. n. 379. 380. Prax.
med. T. II.
S. 25. Steph. Ha-
les
Hæmaſtat. S. 169.
(b) [Spaltenumbruch] G. v. Swieten T. I. S.
644.
(c) viridet du bon chile. S.
407.
(d) lanzoni Animadverſ. 75.
O 3
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[213/0269] Schlagadern. hirne uͤberein: folglich gebe es ohne Zweifel auch noch andre Ordnungen von Gefaͤſſen, welche beſtaͤndig abnaͤh- men, darunter die erſte Klaſſe aus dem dritten Geſchlech- te von Schlagadern entſtuͤnde, welche ein durchſichtiges Flieswaſſer fuͤhrten; aus dieſer kaͤme eine andre, naͤmlich die fuͤnfte Klaſſe von kleinen Schlagadern hervor, die wieder feinere Saͤfte fuͤhre, und man finde ſo wenig En- de in den Progreßionen, als man noch zur Zeit wuͤſte, welches das lezte Geſchlecht von Gefaͤſſen ſey. Daher entſtuͤnden alſo neue Verirrungen von dem gewoͤhnlichen Orte, und Entzuͤndungen, die von keiner Roͤthe begleitet wuͤrden, ſo oft der gelbrothe Saft (a) der kleinen Schlagaͤderchen, die ein ſalzig Waſſer fuͤhr- ten (arteriolae ſeroſae), in die durchſichtige Gefaͤſſe hin- eingetrieben wuͤrde, und in dieſen engen Kanaͤlen ſtekken bliebe; von welcher Art ohngefaͤhr die gelbrothe Roſe (b) (eryſipelas flavum) waͤre, ingleichen die gelbrothe Faͤden auf der Zunge, die eine ſchlimme Vorbedeutung abge- ben (c), wie ich davon unlaͤngſt ein betruͤbtes Exempel an einer mit der rothen Ruhr behafteten Frauensperſon mit Augen geſehen, deren Zunge ganz und gar ſafrangelb ausſahe. Man findet aber auch Beiſpiele von ſafran- farbigen durch die monatliche Reinigung abgegangenen Blute (d). §. 31. Die Anmerkungen. Wir muͤſſen nunmehro unterſuchen, was an dieſer ſo zierlichen und ſo gefaͤlligen Theorie gruͤndliches iſt. Solche Gefaͤſſe, die kleiner waͤren, als die rothen, kann aller- (a) Aphor. de cognoſc. & cu- rand. morb. n. 379. 380. Prax. med. T. II. S. 25. Steph. Ha- les Hæmaſtat. S. 169. (b) G. v. Swieten T. I. S. 644. (c) viridet du bon chile. S. 407. (d) lanzoni Animadverſ. 75. O 3

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/269>, abgerufen am 28.04.2024.