Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759.

Bild:
<< vorherige Seite

Viertes Buch. Das Herz.
da ich den zwoten nenne; folglich unterscheidet die Seele
den tausendsten Theil von der Minute. Hingegen ist die
Knieschlagader wenigstens drei Fuß weit von der Mün-
dung der Aorte, wo sie aus dem Herzen hervorkommt,
entfernt, und dennoch unterscheidet die Seele, in diesem
Beispiele, die beiden Augenblikke nicht von einander, wenn
das Herz schlägt, und wenn die Knieschlagader klopfet.
Es muß demnach die Kraft des Herzens (c) das Blut in
viel kürzerer Zeit drei Fuß weit fortgetrieben haben, näm-
lich in einer Zeit die tausendmal kleiner ist, als eine Mi-
nute: und umgekehrt, müste die Kraft des Herzens zu ei-
nem dreitausend Fuß weit entfernten Blute noch eher,
als in einer Minute, hin gelangen, wenn unterdessen dem-
selben nichts an seiner Geschwindigkeit, mit der es sich
durch die grossen Stämme der Schlägadern hindurch be-
wegt, abgienge.

§. 43.
Das Maaß des Borellus.

Dieses sind nun Sachen, die einem, der sie nur oben-
hin betrachtet, ungemein leicht vorkommen; indessen ha-
ben sie andere berühmte Männer in viel genauere Erwe-
gung gezogen. Unter denen mathematischen Aerzten hat
Johann Alphonsus Borellus sich zuerst bemühet, die
Kräfte des Herzens auf gewisse Zahlen zu sezzen. Er
macht diese Kräfte dem Gewichte von 180 000 Pfunden
gleich: es pflegte aber dieser Gelehrte gemeiniglich alle sei-
ne Bemühungen dahin zu richten, daß er recht wunder-
bare Zahlengrössen dadurch herausbringen möchte.

Um
(c) [Spaltenumbruch] Jch sage, es komme die Kraft
des Herzens zum Knie, ich behau-
pte aber darum nicht, daß eine be-
stimmte Menge Blutkügelchen vom
Herzen bis zum Knie fortfliesse, in-
dem es sehr wahrscheinlich ist, daß
[Spaltenumbruch] die Blutwelle, welche vom Herzen
zum Knie fortgetrieben wird, von
der aus der linken Kammer kom-
menden Welle mit einem Stosse
fortbeweget wird.

Viertes Buch. Das Herz.
da ich den zwoten nenne; folglich unterſcheidet die Seele
den tauſendſten Theil von der Minute. Hingegen iſt die
Knieſchlagader wenigſtens drei Fuß weit von der Muͤn-
dung der Aorte, wo ſie aus dem Herzen hervorkommt,
entfernt, und dennoch unterſcheidet die Seele, in dieſem
Beiſpiele, die beiden Augenblikke nicht von einander, wenn
das Herz ſchlaͤgt, und wenn die Knieſchlagader klopfet.
Es muß demnach die Kraft des Herzens (c) das Blut in
viel kuͤrzerer Zeit drei Fuß weit fortgetrieben haben, naͤm-
lich in einer Zeit die tauſendmal kleiner iſt, als eine Mi-
nute: und umgekehrt, muͤſte die Kraft des Herzens zu ei-
nem dreitauſend Fuß weit entfernten Blute noch eher,
als in einer Minute, hin gelangen, wenn unterdeſſen dem-
ſelben nichts an ſeiner Geſchwindigkeit, mit der es ſich
durch die groſſen Staͤmme der Schlaͤgadern hindurch be-
wegt, abgienge.

§. 43.
Das Maaß des Borellus.

Dieſes ſind nun Sachen, die einem, der ſie nur oben-
hin betrachtet, ungemein leicht vorkommen; indeſſen ha-
ben ſie andere beruͤhmte Maͤnner in viel genauere Erwe-
gung gezogen. Unter denen mathematiſchen Aerzten hat
Johann Alphonſus Borellus ſich zuerſt bemuͤhet, die
Kraͤfte des Herzens auf gewiſſe Zahlen zu ſezzen. Er
macht dieſe Kraͤfte dem Gewichte von 180 000 Pfunden
gleich: es pflegte aber dieſer Gelehrte gemeiniglich alle ſei-
ne Bemuͤhungen dahin zu richten, daß er recht wunder-
bare Zahlengroͤſſen dadurch herausbringen moͤchte.

Um
(c) [Spaltenumbruch] Jch ſage, es komme die Kraft
des Herzens zum Knie, ich behau-
pte aber darum nicht, daß eine be-
ſtimmte Menge Blutkuͤgelchen vom
Herzen bis zum Knie fortflieſſe, in-
dem es ſehr wahrſcheinlich iſt, daß
[Spaltenumbruch] die Blutwelle, welche vom Herzen
zum Knie fortgetrieben wird, von
der aus der linken Kammer kom-
menden Welle mit einem Stoſſe
fortbeweget wird.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0912" n="856"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Viertes Buch. Das Herz.</hi></fw><lb/>
da ich den zwoten nenne; folglich unter&#x017F;cheidet die Seele<lb/>
den tau&#x017F;end&#x017F;ten Theil von der Minute. Hingegen i&#x017F;t die<lb/>
Knie&#x017F;chlagader wenig&#x017F;tens drei Fuß weit von der Mu&#x0364;n-<lb/>
dung der Aorte, wo &#x017F;ie aus dem Herzen hervorkommt,<lb/>
entfernt, und dennoch unter&#x017F;cheidet die Seele, in die&#x017F;em<lb/>
Bei&#x017F;piele, die beiden Augenblikke nicht von einander, wenn<lb/>
das Herz &#x017F;chla&#x0364;gt, und wenn die Knie&#x017F;chlagader klopfet.<lb/>
Es muß demnach die Kraft des Herzens <note place="foot" n="(c)"><cb/>
Jch &#x017F;age, es komme die Kraft<lb/>
des Herzens zum Knie, ich behau-<lb/>
pte aber darum nicht, daß eine be-<lb/>
&#x017F;timmte Menge Blutku&#x0364;gelchen vom<lb/>
Herzen bis zum Knie fortflie&#x017F;&#x017F;e, in-<lb/>
dem es &#x017F;ehr wahr&#x017F;cheinlich i&#x017F;t, daß<lb/><cb/>
die Blutwelle, welche vom Herzen<lb/>
zum Knie fortgetrieben wird, von<lb/>
der aus der linken Kammer kom-<lb/>
menden Welle mit einem Sto&#x017F;&#x017F;e<lb/>
fortbeweget wird.</note> das Blut in<lb/>
viel ku&#x0364;rzerer Zeit drei Fuß weit fortgetrieben haben, na&#x0364;m-<lb/>
lich in einer Zeit die tau&#x017F;endmal kleiner i&#x017F;t, als eine Mi-<lb/>
nute: und umgekehrt, mu&#x0364;&#x017F;te die Kraft des Herzens zu ei-<lb/>
nem dreitau&#x017F;end Fuß weit entfernten Blute noch eher,<lb/>
als in einer Minute, hin gelangen, wenn unterde&#x017F;&#x017F;en dem-<lb/>
&#x017F;elben nichts an &#x017F;einer Ge&#x017F;chwindigkeit, mit der es &#x017F;ich<lb/>
durch die gro&#x017F;&#x017F;en Sta&#x0364;mme der Schla&#x0364;gadern hindurch be-<lb/>
wegt, abgienge.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 43.<lb/>
Das Maaß des Borellus.</head><lb/>
            <p>Die&#x017F;es &#x017F;ind nun Sachen, die einem, der &#x017F;ie nur oben-<lb/>
hin betrachtet, ungemein leicht vorkommen; inde&#x017F;&#x017F;en ha-<lb/>
ben &#x017F;ie andere beru&#x0364;hmte Ma&#x0364;nner in viel genauere Erwe-<lb/>
gung gezogen. Unter denen mathemati&#x017F;chen Aerzten hat<lb/>
Johann Alphon&#x017F;us <hi rendition="#fr">Borellus</hi> &#x017F;ich zuer&#x017F;t bemu&#x0364;het, die<lb/>
Kra&#x0364;fte des Herzens auf gewi&#x017F;&#x017F;e Zahlen zu &#x017F;ezzen. Er<lb/>
macht die&#x017F;e Kra&#x0364;fte dem Gewichte von 180 000 Pfunden<lb/>
gleich: es pflegte aber die&#x017F;er Gelehrte gemeiniglich alle &#x017F;ei-<lb/>
ne Bemu&#x0364;hungen dahin zu richten, daß er recht wunder-<lb/>
bare Zahlengro&#x0364;&#x017F;&#x017F;en dadurch herausbringen mo&#x0364;chte.</p><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Um</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[856/0912] Viertes Buch. Das Herz. da ich den zwoten nenne; folglich unterſcheidet die Seele den tauſendſten Theil von der Minute. Hingegen iſt die Knieſchlagader wenigſtens drei Fuß weit von der Muͤn- dung der Aorte, wo ſie aus dem Herzen hervorkommt, entfernt, und dennoch unterſcheidet die Seele, in dieſem Beiſpiele, die beiden Augenblikke nicht von einander, wenn das Herz ſchlaͤgt, und wenn die Knieſchlagader klopfet. Es muß demnach die Kraft des Herzens (c) das Blut in viel kuͤrzerer Zeit drei Fuß weit fortgetrieben haben, naͤm- lich in einer Zeit die tauſendmal kleiner iſt, als eine Mi- nute: und umgekehrt, muͤſte die Kraft des Herzens zu ei- nem dreitauſend Fuß weit entfernten Blute noch eher, als in einer Minute, hin gelangen, wenn unterdeſſen dem- ſelben nichts an ſeiner Geſchwindigkeit, mit der es ſich durch die groſſen Staͤmme der Schlaͤgadern hindurch be- wegt, abgienge. §. 43. Das Maaß des Borellus. Dieſes ſind nun Sachen, die einem, der ſie nur oben- hin betrachtet, ungemein leicht vorkommen; indeſſen ha- ben ſie andere beruͤhmte Maͤnner in viel genauere Erwe- gung gezogen. Unter denen mathematiſchen Aerzten hat Johann Alphonſus Borellus ſich zuerſt bemuͤhet, die Kraͤfte des Herzens auf gewiſſe Zahlen zu ſezzen. Er macht dieſe Kraͤfte dem Gewichte von 180 000 Pfunden gleich: es pflegte aber dieſer Gelehrte gemeiniglich alle ſei- ne Bemuͤhungen dahin zu richten, daß er recht wunder- bare Zahlengroͤſſen dadurch herausbringen moͤchte. Um (c) Jch ſage, es komme die Kraft des Herzens zum Knie, ich behau- pte aber darum nicht, daß eine be- ſtimmte Menge Blutkuͤgelchen vom Herzen bis zum Knie fortflieſſe, in- dem es ſehr wahrſcheinlich iſt, daß die Blutwelle, welche vom Herzen zum Knie fortgetrieben wird, von der aus der linken Kammer kom- menden Welle mit einem Stoſſe fortbeweget wird.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/912
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 856. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/912>, abgerufen am 28.04.2024.