Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

Die Bewegung des Herzens.
von seinen Verhältnissen, aus gleichmäßiger Ueberzeu-
gung, bereits mit unter die meinige genommen.

§. 53.
Unsere Meinung von denen Kräften des
Herzens.

Um nun auch etwas von meinen eigenen Gedanken
hinzuzufügen, so glaube ich für meine Person, daß sich
keine bestimmte Zahlen von Pfunden und Fussen ange-
ben lassen. Erstlich sehe ich nicht ein, wie man die klei-
ne Zeit, in der das Herz seine Zusammenziehung verrich-
tet, mit Zuverläßigkeit bestimmen könne. Jch halte
nicht einmal davor, daß man die Menge des herausge-
stossenen Blutes recht genau nach dem Gewichte anzeigen
könne. Solchemnach mangeln also die beiden Grund-
stükke, aus denen eigentlich die Schnelligkeit bestehet,
nämlich die Zeit, und die Länge, welche durchwandert
wird. Verlangt man nun noch überdem die gemeine Kraft
des Herzens zu wissen, so wird es nöthig seyn, daß man zwi-
schen dem ersten, als dem höchsten, und dem lezten, als
dem niedrigsten Blutstrale, eine Mittelhöhe annehme;
aber auch diese willkührliche Mittelhöhe wendet man oh-
ne allen Versuch, und folglich ohne alle Gewißheit, auf
den Menschen an.

Es scheinet zwar die Methode, welche Bernoulli
aus den Säzzen des Hales angenommen, höchst einfach
zu seyn. Es bestehet aber doch bei dieser Rechnung der
grösseste Fehler darinnen, daß der berühmte Mann nicht
zugleich mit auf den ungeheuren Widerstand gesehen, wel-
chen die gegen das Blut erregte Kraft des Herzens an-
trift. Wir wollen also etliche von diesen Widerständen
hiervon beifügen.

Es werden alle Schlagadern des thierischen Körpers,
die so zahlreich, und so fest gewebt sind, von einem einzi-

gen

Die Bewegung des Herzens.
von ſeinen Verhaͤltniſſen, aus gleichmaͤßiger Ueberzeu-
gung, bereits mit unter die meinige genommen.

§. 53.
Unſere Meinung von denen Kraͤften des
Herzens.

Um nun auch etwas von meinen eigenen Gedanken
hinzuzufuͤgen, ſo glaube ich fuͤr meine Perſon, daß ſich
keine beſtimmte Zahlen von Pfunden und Fuſſen ange-
ben laſſen. Erſtlich ſehe ich nicht ein, wie man die klei-
ne Zeit, in der das Herz ſeine Zuſammenziehung verrich-
tet, mit Zuverlaͤßigkeit beſtimmen koͤnne. Jch halte
nicht einmal davor, daß man die Menge des herausge-
ſtoſſenen Blutes recht genau nach dem Gewichte anzeigen
koͤnne. Solchemnach mangeln alſo die beiden Grund-
ſtuͤkke, aus denen eigentlich die Schnelligkeit beſtehet,
naͤmlich die Zeit, und die Laͤnge, welche durchwandert
wird. Verlangt man nun noch uͤberdem die gemeine Kraft
des Herzens zu wiſſen, ſo wird es noͤthig ſeyn, daß man zwi-
ſchen dem erſten, als dem hoͤchſten, und dem lezten, als
dem niedrigſten Blutſtrale, eine Mittelhoͤhe annehme;
aber auch dieſe willkuͤhrliche Mittelhoͤhe wendet man oh-
ne allen Verſuch, und folglich ohne alle Gewißheit, auf
den Menſchen an.

Es ſcheinet zwar die Methode, welche Bernoulli
aus den Saͤzzen des Hales angenommen, hoͤchſt einfach
zu ſeyn. Es beſtehet aber doch bei dieſer Rechnung der
groͤſſeſte Fehler darinnen, daß der beruͤhmte Mann nicht
zugleich mit auf den ungeheuren Widerſtand geſehen, wel-
chen die gegen das Blut erregte Kraft des Herzens an-
trift. Wir wollen alſo etliche von dieſen Widerſtaͤnden
hiervon beifuͤgen.

Es werden alle Schlagadern des thieriſchen Koͤrpers,
die ſo zahlreich, und ſo feſt gewebt ſind, von einem einzi-

gen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0931" n="875"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Die Bewegung des Herzens.</hi></fw><lb/>
von &#x017F;einen Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;en, aus gleichma&#x0364;ßiger Ueberzeu-<lb/>
gung, bereits mit unter die meinige genommen.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 53.<lb/>
Un&#x017F;ere Meinung von denen Kra&#x0364;ften des<lb/>
Herzens.</head><lb/>
            <p>Um nun auch etwas von meinen eigenen Gedanken<lb/>
hinzuzufu&#x0364;gen, &#x017F;o glaube ich fu&#x0364;r meine Per&#x017F;on, daß &#x017F;ich<lb/>
keine be&#x017F;timmte Zahlen von Pfunden und Fu&#x017F;&#x017F;en ange-<lb/>
ben la&#x017F;&#x017F;en. Er&#x017F;tlich &#x017F;ehe ich nicht ein, wie man die klei-<lb/>
ne Zeit, in der das Herz &#x017F;eine Zu&#x017F;ammenziehung verrich-<lb/>
tet, mit Zuverla&#x0364;ßigkeit be&#x017F;timmen ko&#x0364;nne. Jch halte<lb/>
nicht einmal davor, daß man die Menge des herausge-<lb/>
&#x017F;to&#x017F;&#x017F;enen Blutes recht genau nach dem Gewichte anzeigen<lb/>
ko&#x0364;nne. Solchemnach mangeln al&#x017F;o die beiden Grund-<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;kke, aus denen eigentlich die Schnelligkeit be&#x017F;tehet,<lb/>
na&#x0364;mlich die Zeit, und die La&#x0364;nge, welche durchwandert<lb/>
wird. Verlangt man nun noch u&#x0364;berdem die gemeine Kraft<lb/>
des Herzens zu wi&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;o wird es no&#x0364;thig &#x017F;eyn, daß man zwi-<lb/>
&#x017F;chen dem er&#x017F;ten, als dem ho&#x0364;ch&#x017F;ten, und dem lezten, als<lb/>
dem niedrig&#x017F;ten Blut&#x017F;trale, eine Mittelho&#x0364;he annehme;<lb/>
aber auch die&#x017F;e willku&#x0364;hrliche Mittelho&#x0364;he wendet man oh-<lb/>
ne allen Ver&#x017F;uch, und folglich ohne alle Gewißheit, auf<lb/>
den Men&#x017F;chen an.</p><lb/>
            <p>Es &#x017F;cheinet zwar die Methode, welche <hi rendition="#fr">Bernoulli</hi><lb/>
aus den Sa&#x0364;zzen des <hi rendition="#fr">Hales</hi> angenommen, ho&#x0364;ch&#x017F;t einfach<lb/>
zu &#x017F;eyn. Es be&#x017F;tehet aber doch bei die&#x017F;er Rechnung der<lb/>
gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e&#x017F;te Fehler darinnen, daß der beru&#x0364;hmte Mann nicht<lb/>
zugleich mit auf den ungeheuren Wider&#x017F;tand ge&#x017F;ehen, wel-<lb/>
chen die gegen das Blut erregte Kraft des Herzens an-<lb/>
trift. Wir wollen al&#x017F;o etliche von die&#x017F;en Wider&#x017F;ta&#x0364;nden<lb/>
hiervon beifu&#x0364;gen.</p><lb/>
            <p>Es werden alle Schlagadern des thieri&#x017F;chen Ko&#x0364;rpers,<lb/>
die &#x017F;o zahlreich, und &#x017F;o fe&#x017F;t gewebt &#x017F;ind, von einem einzi-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gen</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[875/0931] Die Bewegung des Herzens. von ſeinen Verhaͤltniſſen, aus gleichmaͤßiger Ueberzeu- gung, bereits mit unter die meinige genommen. §. 53. Unſere Meinung von denen Kraͤften des Herzens. Um nun auch etwas von meinen eigenen Gedanken hinzuzufuͤgen, ſo glaube ich fuͤr meine Perſon, daß ſich keine beſtimmte Zahlen von Pfunden und Fuſſen ange- ben laſſen. Erſtlich ſehe ich nicht ein, wie man die klei- ne Zeit, in der das Herz ſeine Zuſammenziehung verrich- tet, mit Zuverlaͤßigkeit beſtimmen koͤnne. Jch halte nicht einmal davor, daß man die Menge des herausge- ſtoſſenen Blutes recht genau nach dem Gewichte anzeigen koͤnne. Solchemnach mangeln alſo die beiden Grund- ſtuͤkke, aus denen eigentlich die Schnelligkeit beſtehet, naͤmlich die Zeit, und die Laͤnge, welche durchwandert wird. Verlangt man nun noch uͤberdem die gemeine Kraft des Herzens zu wiſſen, ſo wird es noͤthig ſeyn, daß man zwi- ſchen dem erſten, als dem hoͤchſten, und dem lezten, als dem niedrigſten Blutſtrale, eine Mittelhoͤhe annehme; aber auch dieſe willkuͤhrliche Mittelhoͤhe wendet man oh- ne allen Verſuch, und folglich ohne alle Gewißheit, auf den Menſchen an. Es ſcheinet zwar die Methode, welche Bernoulli aus den Saͤzzen des Hales angenommen, hoͤchſt einfach zu ſeyn. Es beſtehet aber doch bei dieſer Rechnung der groͤſſeſte Fehler darinnen, daß der beruͤhmte Mann nicht zugleich mit auf den ungeheuren Widerſtand geſehen, wel- chen die gegen das Blut erregte Kraft des Herzens an- trift. Wir wollen alſo etliche von dieſen Widerſtaͤnden hiervon beifuͤgen. Es werden alle Schlagadern des thieriſchen Koͤrpers, die ſo zahlreich, und ſo feſt gewebt ſind, von einem einzi- gen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/931
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 875. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/931>, abgerufen am 29.04.2024.