Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759.

Bild:
<< vorherige Seite

Viertes Buch. Das Herz.
Herzen her, indem dasselbe sich zu derjenigen Zeit ebener
massen fortbeweget, wenn sich die Schlagadern erwei-
tern, und folglich gar keine Wirksamkeit in ihr Blut
äussern.

§. 27.
Oder auch bis in die kleinen Gefässe?

Man kann es mit keinem Versuche bewähren, ob
auch die Säfte der kleinen Gefässe durch das Herz in
Bewegung gebracht werden, weil man überhaupt weder
an den Flieswassergefässen einen abwechselnden Stoß
wahrnimmt, noch an den farbenlosen Schlagadern Ver-
suche sind gemacht worden, oder etwa nicht gar zu leicht
können gemacht werden. Jndessen scheinet doch die
Vernunft zu erkennen zu geben, daß diese Gefässe mit
den rothen Blutadern von gleicher Beschaffenheit sind,
und daß das Herz über beide Arten dererselben gleiche
Macht habe. Denn da wir gezeiget haben, daß das in
den Blutadern befindliche Blut von dem Herzen herum-
beweget werde, und die Säfte in die mehresten kleine
Gefässe eben so leicht, als in die Blutadern, hineingetrie-
ben werden (l), mithin also die Bewegung aus den
Schlagadern eben sowol bis in die kleinsten Gefässe ge-
langet, wie sie in die Blutadern kommt, so sollte ich
glauben, daß sich die Kraft des Herzens auch ebenfalls
bis in die kleinsten Gefässe wirksam bezeige, wie sie es in
den Blutadern ist. Hiernächst kommt es mir auch sehr
wahrscheinlich vor, daß die sämtlichen Säfte in dem
thierischen Körper von einer einzigen bewegenden Kraft
im Kreise herumgetrieben werden; weil bei einem er-
trunknen Menschen, oder gestorbenen Thiere, wo alle
Feuchtigkeiten stille stehen, das Herz allein vermögend ist,
die Bewegung wieder herzustellen, also daß die Säfte,

wel-
(l) Jm 2ten Buch §. 31.

Viertes Buch. Das Herz.
Herzen her, indem daſſelbe ſich zu derjenigen Zeit ebener
maſſen fortbeweget, wenn ſich die Schlagadern erwei-
tern, und folglich gar keine Wirkſamkeit in ihr Blut
aͤuſſern.

§. 27.
Oder auch bis in die kleinen Gefaͤſſe?

Man kann es mit keinem Verſuche bewaͤhren, ob
auch die Saͤfte der kleinen Gefaͤſſe durch das Herz in
Bewegung gebracht werden, weil man uͤberhaupt weder
an den Flieswaſſergefaͤſſen einen abwechſelnden Stoß
wahrnimmt, noch an den farbenloſen Schlagadern Ver-
ſuche ſind gemacht worden, oder etwa nicht gar zu leicht
koͤnnen gemacht werden. Jndeſſen ſcheinet doch die
Vernunft zu erkennen zu geben, daß dieſe Gefaͤſſe mit
den rothen Blutadern von gleicher Beſchaffenheit ſind,
und daß das Herz uͤber beide Arten dererſelben gleiche
Macht habe. Denn da wir gezeiget haben, daß das in
den Blutadern befindliche Blut von dem Herzen herum-
beweget werde, und die Saͤfte in die mehreſten kleine
Gefaͤſſe eben ſo leicht, als in die Blutadern, hineingetrie-
ben werden (l), mithin alſo die Bewegung aus den
Schlagadern eben ſowol bis in die kleinſten Gefaͤſſe ge-
langet, wie ſie in die Blutadern kommt, ſo ſollte ich
glauben, daß ſich die Kraft des Herzens auch ebenfalls
bis in die kleinſten Gefaͤſſe wirkſam bezeige, wie ſie es in
den Blutadern iſt. Hiernaͤchſt kommt es mir auch ſehr
wahrſcheinlich vor, daß die ſaͤmtlichen Saͤfte in dem
thieriſchen Koͤrper von einer einzigen bewegenden Kraft
im Kreiſe herumgetrieben werden; weil bei einem er-
trunknen Menſchen, oder geſtorbenen Thiere, wo alle
Feuchtigkeiten ſtille ſtehen, das Herz allein vermoͤgend iſt,
die Bewegung wieder herzuſtellen, alſo daß die Saͤfte,

wel-
(l) Jm 2ten Buch §. 31.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0872" n="816"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Viertes Buch. Das Herz.</hi></fw><lb/>
Herzen her, indem da&#x017F;&#x017F;elbe &#x017F;ich zu derjenigen Zeit ebener<lb/>
ma&#x017F;&#x017F;en fortbeweget, wenn &#x017F;ich die Schlagadern erwei-<lb/>
tern, und folglich gar keine Wirk&#x017F;amkeit in ihr Blut<lb/>
a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;ern.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>§. 27.<lb/>
Oder auch bis in die kleinen Gefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;e?</head><lb/>
            <p>Man kann es mit keinem Ver&#x017F;uche bewa&#x0364;hren, ob<lb/>
auch die Sa&#x0364;fte der kleinen Gefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;e durch das Herz in<lb/>
Bewegung gebracht werden, weil man u&#x0364;berhaupt weder<lb/>
an den Flieswa&#x017F;&#x017F;ergefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;en einen abwech&#x017F;elnden Stoß<lb/>
wahrnimmt, noch an den farbenlo&#x017F;en Schlagadern Ver-<lb/>
&#x017F;uche &#x017F;ind gemacht worden, oder etwa nicht gar zu leicht<lb/>
ko&#x0364;nnen gemacht werden. Jnde&#x017F;&#x017F;en &#x017F;cheinet doch die<lb/>
Vernunft zu erkennen zu geben, daß die&#x017F;e Gefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;e mit<lb/>
den rothen Blutadern von gleicher Be&#x017F;chaffenheit &#x017F;ind,<lb/>
und daß das Herz u&#x0364;ber beide Arten derer&#x017F;elben gleiche<lb/>
Macht habe. Denn da wir gezeiget haben, daß das in<lb/>
den Blutadern befindliche Blut von dem Herzen herum-<lb/>
beweget werde, und die Sa&#x0364;fte in die mehre&#x017F;ten kleine<lb/>
Gefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;e eben &#x017F;o leicht, als in die Blutadern, hineingetrie-<lb/>
ben werden <note place="foot" n="(l)">Jm 2ten Buch §. 31.</note>, mithin al&#x017F;o die Bewegung aus den<lb/>
Schlagadern eben &#x017F;owol bis in die klein&#x017F;ten Gefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;e ge-<lb/>
langet, wie &#x017F;ie in die Blutadern kommt, &#x017F;o &#x017F;ollte ich<lb/>
glauben, daß &#x017F;ich die Kraft des Herzens auch ebenfalls<lb/>
bis in die klein&#x017F;ten Gefa&#x0364;&#x017F;&#x017F;e wirk&#x017F;am bezeige, wie &#x017F;ie es in<lb/>
den Blutadern i&#x017F;t. Hierna&#x0364;ch&#x017F;t kommt es mir auch &#x017F;ehr<lb/>
wahr&#x017F;cheinlich vor, daß die &#x017F;a&#x0364;mtlichen Sa&#x0364;fte in dem<lb/>
thieri&#x017F;chen Ko&#x0364;rper von einer einzigen bewegenden Kraft<lb/>
im Krei&#x017F;e herumgetrieben werden; weil bei einem er-<lb/>
trunknen Men&#x017F;chen, oder ge&#x017F;torbenen Thiere, wo alle<lb/>
Feuchtigkeiten &#x017F;tille &#x017F;tehen, das Herz allein vermo&#x0364;gend i&#x017F;t,<lb/>
die Bewegung wieder herzu&#x017F;tellen, al&#x017F;o daß die Sa&#x0364;fte,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wel-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[816/0872] Viertes Buch. Das Herz. Herzen her, indem daſſelbe ſich zu derjenigen Zeit ebener maſſen fortbeweget, wenn ſich die Schlagadern erwei- tern, und folglich gar keine Wirkſamkeit in ihr Blut aͤuſſern. §. 27. Oder auch bis in die kleinen Gefaͤſſe? Man kann es mit keinem Verſuche bewaͤhren, ob auch die Saͤfte der kleinen Gefaͤſſe durch das Herz in Bewegung gebracht werden, weil man uͤberhaupt weder an den Flieswaſſergefaͤſſen einen abwechſelnden Stoß wahrnimmt, noch an den farbenloſen Schlagadern Ver- ſuche ſind gemacht worden, oder etwa nicht gar zu leicht koͤnnen gemacht werden. Jndeſſen ſcheinet doch die Vernunft zu erkennen zu geben, daß dieſe Gefaͤſſe mit den rothen Blutadern von gleicher Beſchaffenheit ſind, und daß das Herz uͤber beide Arten dererſelben gleiche Macht habe. Denn da wir gezeiget haben, daß das in den Blutadern befindliche Blut von dem Herzen herum- beweget werde, und die Saͤfte in die mehreſten kleine Gefaͤſſe eben ſo leicht, als in die Blutadern, hineingetrie- ben werden (l), mithin alſo die Bewegung aus den Schlagadern eben ſowol bis in die kleinſten Gefaͤſſe ge- langet, wie ſie in die Blutadern kommt, ſo ſollte ich glauben, daß ſich die Kraft des Herzens auch ebenfalls bis in die kleinſten Gefaͤſſe wirkſam bezeige, wie ſie es in den Blutadern iſt. Hiernaͤchſt kommt es mir auch ſehr wahrſcheinlich vor, daß die ſaͤmtlichen Saͤfte in dem thieriſchen Koͤrper von einer einzigen bewegenden Kraft im Kreiſe herumgetrieben werden; weil bei einem er- trunknen Menſchen, oder geſtorbenen Thiere, wo alle Feuchtigkeiten ſtille ſtehen, das Herz allein vermoͤgend iſt, die Bewegung wieder herzuſtellen, alſo daß die Saͤfte, wel- (l) Jm 2ten Buch §. 31.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/872
Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 1. Berlin, 1759, S. 816. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende01_1759/872>, abgerufen am 26.04.2024.