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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 6. Berlin, 1774.

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Der Magen. XIX. Buch.

Man hat wenig Personen, die für Durst gestorben
sind, nach dem Tode geöffnet. An einem Hunde sahe der
berümte Pozzi (o) den Magen rot, die Galle sehr scharf,
und wenig Urin. Der Tod, den der Durst nach sich
zieht, scheint von der Fäulnis der Säfte und einem sehr
hizzigen Fieber herzurühren. Der gedachte Hund war
für Durst bis zur Raserei gebracht worden (p). Nach-
dem jemand wasserscheu geworden war, so fand man den
Magen vom Brande angegriffen (q).

Endlich hat man Merkmale von einer Verdikkung
angetroffen. Eine junge Kazze, die Valisneri ohne
Essen und Trinken eingeschlossen hatte, hatte, da man
sie öffnete, durchgängig ein sehr zähes Blut (r).

§. 10.
Die Notwendigkeit des Hungers.

Das schlechte Wasser schikkt sich freilich am besten
zu dem, wovon wir bisher geredet haben. Es verdünnt
auch vornämlich unser Blut; es legt sich zwischen die
Blutkügelchen; es hindert, daß sie sich einander nicht
berühren; es verdünnt den Gallert des Flieswassers; es
macht alles beweglich; und es giebt den Fasern, die uns
durch ihre Trokkenheit höchst beschwerlich fallen, ihre
Nässe. Es löset alle Salze auf, und macht deren Sta-
chel stumpf, es zerstreut die faulende Theilchen, und be-
zwingt alle Schärfe: und es haben Seefahrer, denen alle
Speisen entgangen waren, blos vom Wassertrinken wie-
der schlafen können (a). Der Vornemste unter denen,
im Bengalischen Kerker eingesperrten Engländern, Holl-
well
merkte, daß er von einem sehr geringen Vorrate

seines
(o) [Spaltenumbruch] p. 77.
(p) Idem p. 78.
(q) DARLUE Journ. de med.
T. III. P.
3.
(r) [Spaltenumbruch] Caus. & sed. morb.
(a) LISTER hum. c. 26. p 271.
Der Magen. XIX. Buch.

Man hat wenig Perſonen, die fuͤr Durſt geſtorben
ſind, nach dem Tode geoͤffnet. An einem Hunde ſahe der
beruͤmte Pozzi (o) den Magen rot, die Galle ſehr ſcharf,
und wenig Urin. Der Tod, den der Durſt nach ſich
zieht, ſcheint von der Faͤulnis der Saͤfte und einem ſehr
hizzigen Fieber herzuruͤhren. Der gedachte Hund war
fuͤr Durſt bis zur Raſerei gebracht worden (p). Nach-
dem jemand waſſerſcheu geworden war, ſo fand man den
Magen vom Brande angegriffen (q).

Endlich hat man Merkmale von einer Verdikkung
angetroffen. Eine junge Kazze, die Valiſneri ohne
Eſſen und Trinken eingeſchloſſen hatte, hatte, da man
ſie oͤffnete, durchgaͤngig ein ſehr zaͤhes Blut (r).

§. 10.
Die Notwendigkeit des Hungers.

Das ſchlechte Waſſer ſchikkt ſich freilich am beſten
zu dem, wovon wir bisher geredet haben. Es verduͤnnt
auch vornaͤmlich unſer Blut; es legt ſich zwiſchen die
Blutkuͤgelchen; es hindert, daß ſie ſich einander nicht
beruͤhren; es verduͤnnt den Gallert des Flieswaſſers; es
macht alles beweglich; und es giebt den Faſern, die uns
durch ihre Trokkenheit hoͤchſt beſchwerlich fallen, ihre
Naͤſſe. Es loͤſet alle Salze auf, und macht deren Sta-
chel ſtumpf, es zerſtreut die faulende Theilchen, und be-
zwingt alle Schaͤrfe: und es haben Seefahrer, denen alle
Speiſen entgangen waren, blos vom Waſſertrinken wie-
der ſchlafen koͤnnen (a). Der Vornemſte unter denen,
im Bengaliſchen Kerker eingeſperrten Englaͤndern, Holl-
well
merkte, daß er von einem ſehr geringen Vorrate

ſeines
(o) [Spaltenumbruch] p. 77.
(p) Idem p. 78.
(q) DARLUE Journ. de med.
T. III. P.
3.
(r) [Spaltenumbruch] Cauſ. & ſed. morb.
(a) LISTER hum. c. 26. p 271.
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[258[274]/0294] Der Magen. XIX. Buch. Man hat wenig Perſonen, die fuͤr Durſt geſtorben ſind, nach dem Tode geoͤffnet. An einem Hunde ſahe der beruͤmte Pozzi (o) den Magen rot, die Galle ſehr ſcharf, und wenig Urin. Der Tod, den der Durſt nach ſich zieht, ſcheint von der Faͤulnis der Saͤfte und einem ſehr hizzigen Fieber herzuruͤhren. Der gedachte Hund war fuͤr Durſt bis zur Raſerei gebracht worden (p). Nach- dem jemand waſſerſcheu geworden war, ſo fand man den Magen vom Brande angegriffen (q). Endlich hat man Merkmale von einer Verdikkung angetroffen. Eine junge Kazze, die Valiſneri ohne Eſſen und Trinken eingeſchloſſen hatte, hatte, da man ſie oͤffnete, durchgaͤngig ein ſehr zaͤhes Blut (r). §. 10. Die Notwendigkeit des Hungers. Das ſchlechte Waſſer ſchikkt ſich freilich am beſten zu dem, wovon wir bisher geredet haben. Es verduͤnnt auch vornaͤmlich unſer Blut; es legt ſich zwiſchen die Blutkuͤgelchen; es hindert, daß ſie ſich einander nicht beruͤhren; es verduͤnnt den Gallert des Flieswaſſers; es macht alles beweglich; und es giebt den Faſern, die uns durch ihre Trokkenheit hoͤchſt beſchwerlich fallen, ihre Naͤſſe. Es loͤſet alle Salze auf, und macht deren Sta- chel ſtumpf, es zerſtreut die faulende Theilchen, und be- zwingt alle Schaͤrfe: und es haben Seefahrer, denen alle Speiſen entgangen waren, blos vom Waſſertrinken wie- der ſchlafen koͤnnen (a). Der Vornemſte unter denen, im Bengaliſchen Kerker eingeſperrten Englaͤndern, Holl- well merkte, daß er von einem ſehr geringen Vorrate ſeines (o) p. 77. (p) Idem p. 78. (q) DARLUE Journ. de med. T. III. P. 3. (r) Cauſ. & ſed. morb. (a) LISTER hum. c. 26. p 271.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 6. Berlin, 1774, S. 258[274]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende06_1774/294>, abgerufen am 26.04.2024.