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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776.

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Die Frucht. XXIX. B.
§. 20.
Jst hier die Seele die Baumeisterin?

Mit dieser ganzen Theorie hat die bildende Kraft
der Seele nichts zu thun, ob sie gleich ebenfalls eine
sehr alte Hipothese ist: indessen sind doch beide in so fern
mit einander verwannt, daß die Freunde dieser Meinung
gemeiniglich ebenfalls eine Erzeugung aus sich anneh-
men, indem sie behaupten, daß die neue Frucht von
der Seele erbauet werde.

Diejenigen Lehrer, welche einsahen, daß der Bau
einer Frucht allenthalben die Spuren von einer höchsten
Weisheit verräth, nahmen daher zu einer verständigen
und vorhergesehener Absichten kundigen Ursache ihre
Zuflucht, von welcher die Frucht nach einem, ihr ein-
gedrükkten Vorbilde gebaut werden sollte.

Einige wandten dabei körperliche, jedoch geistige
Kräfte an, welche dem unförmlichen Klumpen des neuen
Thieres bilden sollten, und es war dieses, ich weis selbst
nicht, was für eine Verjüngerung in der Stahlischen
Meinung.

Es bildet der sich in den anfänglichen Gefässen be-
wegende Saamengeist, die von der Frau herkommende
Materie aus (a).

J. Targir (b) stellet sich vor, daß der geistige
Theil des männlichen Saamens den weiblichen Saamen
zu einer Frucht formet (c).

Ein anderer berühmter Mann will, daß der Saa-
mengeist des Hahnes (d) in dem Henneneye die erste
Grundzüge entwikkele. Der von dem Manne sich er-
giessende Geist, dringt in die flüßige Materie des Eyes
ein, bewegt sich nach seiner alten Gewohnheit in dieser
flüßigen Materie, und treibet Gefässe darinnen hervor,

wel-
(a) [Spaltenumbruch] BARBAT. form. fet. p. 105.
(b) p. 264.
(c) [Spaltenumbruch] p. 281.
(d) BAYLE diss. phys. III.
Die Frucht. XXIX. B.
§. 20.
Jſt hier die Seele die Baumeiſterin?

Mit dieſer ganzen Theorie hat die bildende Kraft
der Seele nichts zu thun, ob ſie gleich ebenfalls eine
ſehr alte Hipotheſe iſt: indeſſen ſind doch beide in ſo fern
mit einander verwannt, daß die Freunde dieſer Meinung
gemeiniglich ebenfalls eine Erzeugung aus ſich anneh-
men, indem ſie behaupten, daß die neue Frucht von
der Seele erbauet werde.

Diejenigen Lehrer, welche einſahen, daß der Bau
einer Frucht allenthalben die Spuren von einer hoͤchſten
Weisheit verraͤth, nahmen daher zu einer verſtaͤndigen
und vorhergeſehener Abſichten kundigen Urſache ihre
Zuflucht, von welcher die Frucht nach einem, ihr ein-
gedruͤkkten Vorbilde gebaut werden ſollte.

Einige wandten dabei koͤrperliche, jedoch geiſtige
Kraͤfte an, welche dem unfoͤrmlichen Klumpen des neuen
Thieres bilden ſollten, und es war dieſes, ich weis ſelbſt
nicht, was fuͤr eine Verjuͤngerung in der Stahliſchen
Meinung.

Es bildet der ſich in den anfaͤnglichen Gefaͤſſen be-
wegende Saamengeiſt, die von der Frau herkommende
Materie aus (a).

J. Targir (b) ſtellet ſich vor, daß der geiſtige
Theil des maͤnnlichen Saamens den weiblichen Saamen
zu einer Frucht formet (c).

Ein anderer beruͤhmter Mann will, daß der Saa-
mengeiſt des Hahnes (d) in dem Henneneye die erſte
Grundzuͤge entwikkele. Der von dem Manne ſich er-
gieſſende Geiſt, dringt in die fluͤßige Materie des Eyes
ein, bewegt ſich nach ſeiner alten Gewohnheit in dieſer
fluͤßigen Materie, und treibet Gefaͤſſe darinnen hervor,

wel-
(a) [Spaltenumbruch] BARBAT. form. fet. p. 105.
(b) p. 264.
(c) [Spaltenumbruch] p. 281.
(d) BAYLE diſſ. phyſ. III.
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[216/0268] Die Frucht. XXIX. B. §. 20. Jſt hier die Seele die Baumeiſterin? Mit dieſer ganzen Theorie hat die bildende Kraft der Seele nichts zu thun, ob ſie gleich ebenfalls eine ſehr alte Hipotheſe iſt: indeſſen ſind doch beide in ſo fern mit einander verwannt, daß die Freunde dieſer Meinung gemeiniglich ebenfalls eine Erzeugung aus ſich anneh- men, indem ſie behaupten, daß die neue Frucht von der Seele erbauet werde. Diejenigen Lehrer, welche einſahen, daß der Bau einer Frucht allenthalben die Spuren von einer hoͤchſten Weisheit verraͤth, nahmen daher zu einer verſtaͤndigen und vorhergeſehener Abſichten kundigen Urſache ihre Zuflucht, von welcher die Frucht nach einem, ihr ein- gedruͤkkten Vorbilde gebaut werden ſollte. Einige wandten dabei koͤrperliche, jedoch geiſtige Kraͤfte an, welche dem unfoͤrmlichen Klumpen des neuen Thieres bilden ſollten, und es war dieſes, ich weis ſelbſt nicht, was fuͤr eine Verjuͤngerung in der Stahliſchen Meinung. Es bildet der ſich in den anfaͤnglichen Gefaͤſſen be- wegende Saamengeiſt, die von der Frau herkommende Materie aus (a). J. Targir (b) ſtellet ſich vor, daß der geiſtige Theil des maͤnnlichen Saamens den weiblichen Saamen zu einer Frucht formet (c). Ein anderer beruͤhmter Mann will, daß der Saa- mengeiſt des Hahnes (d) in dem Henneneye die erſte Grundzuͤge entwikkele. Der von dem Manne ſich er- gieſſende Geiſt, dringt in die fluͤßige Materie des Eyes ein, bewegt ſich nach ſeiner alten Gewohnheit in dieſer fluͤßigen Materie, und treibet Gefaͤſſe darinnen hervor, wel- (a) BARBAT. form. fet. p. 105. (b) p. 264. (c) p. 281. (d) BAYLE diſſ. phyſ. III.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/268>, abgerufen am 26.04.2024.