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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776.

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I. Abs. Empfängnis.

Jch habe nämlich viel mehr Erfahrungen über diese
Sache, als einer meiner berühmten Gegner eingezogen:
ich habe gegen vierzig Schaafe, gegen dreißig Hündin-
nen, ausser den Ziegen, Kühen, Schweinen, Ratten,
Kaninchen, und von schwangern, oder nach dem Un-
richtiggebären bald darauf verstorbnen, oder von Kind-
betterinnen sieben Personen mit dem Messer untersucht.
So hatte Graaf (a) hundert Kaninchen und vierzig
Schaafmütter zu seinen Experimenten geöfnet.

Und dennoch habe ich in so vielen Versuchen nie ei-
nen gelben Körper vor die Hand bekommen, daß ich
nicht zugleich die von irgend einer vorigen Befruchtung
noch rükkständige Eyerstokkgrübchen (cotyledones) ange-
troffen, und diejenige Leute offenbar wiederlegt hätte,
welche mir die gebrauchten Thiere für völlig unbegattete,
oder doch zum erstenmal belegte Thiere verkauft hatten.

Jch habe auch weder Flekken, noch etwas Gelbes
an so vielen Eyerstökken (b), ausser solche bemerken kön-
nen, welche deutliche Ueberbleibsel von den gelben Kör-
pern waren. Wenn sie die ersten Grundzüge dieser Kör-
per seyn sollten, so müste dieses gelbe kernige Wesen in
der Frucht klein seyn, mit dem Alter wachsen (c), und
gegen die Zeit der Begattung und der Empfängnis recht
groß seyn: so müsten auch eben diese Körper bei jungen
Thieren ungemein zart und weich seyn, und hierauf nach
und nach härter und callöse werden. Allein wir sehen
von allen diesem das Gegentheil, und wir finden vor der
Empfängnis nichts vom gelben Körper: sondern nur
eine Zartheit, aber blos an der Haut und am Bläschen
in den ersten Stunden; nachgehends eben dieselbe Zart-

heit
(a) [Spaltenumbruch] Defens. part. genit. p. 66.
finde sich ausser den Zeiten der
Mannbarkeit nicht SANTORIN.
p.
222.
(b) [Spaltenumbruch] KUHLEMAN. p. 10.
(c) So schreibet VALISNERI
c. 9. n.
5.
D 5
I. Abſ. Empfaͤngnis.

Jch habe naͤmlich viel mehr Erfahrungen uͤber dieſe
Sache, als einer meiner beruͤhmten Gegner eingezogen:
ich habe gegen vierzig Schaafe, gegen dreißig Huͤndin-
nen, auſſer den Ziegen, Kuͤhen, Schweinen, Ratten,
Kaninchen, und von ſchwangern, oder nach dem Un-
richtiggebaͤren bald darauf verſtorbnen, oder von Kind-
betterinnen ſieben Perſonen mit dem Meſſer unterſucht.
So hatte Graaf (a) hundert Kaninchen und vierzig
Schaafmuͤtter zu ſeinen Experimenten geoͤfnet.

Und dennoch habe ich in ſo vielen Verſuchen nie ei-
nen gelben Koͤrper vor die Hand bekommen, daß ich
nicht zugleich die von irgend einer vorigen Befruchtung
noch ruͤkkſtaͤndige Eyerſtokkgruͤbchen (cotyledones) ange-
troffen, und diejenige Leute offenbar wiederlegt haͤtte,
welche mir die gebrauchten Thiere fuͤr voͤllig unbegattete,
oder doch zum erſtenmal belegte Thiere verkauft hatten.

Jch habe auch weder Flekken, noch etwas Gelbes
an ſo vielen Eyerſtoͤkken (b), auſſer ſolche bemerken koͤn-
nen, welche deutliche Ueberbleibſel von den gelben Koͤr-
pern waren. Wenn ſie die erſten Grundzuͤge dieſer Koͤr-
per ſeyn ſollten, ſo muͤſte dieſes gelbe kernige Weſen in
der Frucht klein ſeyn, mit dem Alter wachſen (c), und
gegen die Zeit der Begattung und der Empfaͤngnis recht
groß ſeyn: ſo muͤſten auch eben dieſe Koͤrper bei jungen
Thieren ungemein zart und weich ſeyn, und hierauf nach
und nach haͤrter und calloͤſe werden. Allein wir ſehen
von allen dieſem das Gegentheil, und wir finden vor der
Empfaͤngnis nichts vom gelben Koͤrper: ſondern nur
eine Zartheit, aber blos an der Haut und am Blaͤschen
in den erſten Stunden; nachgehends eben dieſelbe Zart-

heit
(a) [Spaltenumbruch] Defenſ. part. genit. p. 66.
finde ſich auſſer den Zeiten der
Mannbarkeit nicht SANTORIN.
p.
222.
(b) [Spaltenumbruch] KUHLEMAN. p. 10.
(c) So ſchreibet VALISNERI
c. 9. n.
5.
D 5
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[57/0109] I. Abſ. Empfaͤngnis. Jch habe naͤmlich viel mehr Erfahrungen uͤber dieſe Sache, als einer meiner beruͤhmten Gegner eingezogen: ich habe gegen vierzig Schaafe, gegen dreißig Huͤndin- nen, auſſer den Ziegen, Kuͤhen, Schweinen, Ratten, Kaninchen, und von ſchwangern, oder nach dem Un- richtiggebaͤren bald darauf verſtorbnen, oder von Kind- betterinnen ſieben Perſonen mit dem Meſſer unterſucht. So hatte Graaf (a) hundert Kaninchen und vierzig Schaafmuͤtter zu ſeinen Experimenten geoͤfnet. Und dennoch habe ich in ſo vielen Verſuchen nie ei- nen gelben Koͤrper vor die Hand bekommen, daß ich nicht zugleich die von irgend einer vorigen Befruchtung noch ruͤkkſtaͤndige Eyerſtokkgruͤbchen (cotyledones) ange- troffen, und diejenige Leute offenbar wiederlegt haͤtte, welche mir die gebrauchten Thiere fuͤr voͤllig unbegattete, oder doch zum erſtenmal belegte Thiere verkauft hatten. Jch habe auch weder Flekken, noch etwas Gelbes an ſo vielen Eyerſtoͤkken (b), auſſer ſolche bemerken koͤn- nen, welche deutliche Ueberbleibſel von den gelben Koͤr- pern waren. Wenn ſie die erſten Grundzuͤge dieſer Koͤr- per ſeyn ſollten, ſo muͤſte dieſes gelbe kernige Weſen in der Frucht klein ſeyn, mit dem Alter wachſen (c), und gegen die Zeit der Begattung und der Empfaͤngnis recht groß ſeyn: ſo muͤſten auch eben dieſe Koͤrper bei jungen Thieren ungemein zart und weich ſeyn, und hierauf nach und nach haͤrter und calloͤſe werden. Allein wir ſehen von allen dieſem das Gegentheil, und wir finden vor der Empfaͤngnis nichts vom gelben Koͤrper: ſondern nur eine Zartheit, aber blos an der Haut und am Blaͤschen in den erſten Stunden; nachgehends eben dieſelbe Zart- heit (a) Defenſ. part. genit. p. 66. finde ſich auſſer den Zeiten der Mannbarkeit nicht SANTORIN. p. 222. (b) KUHLEMAN. p. 10. (c) So ſchreibet VALISNERI c. 9. n. 5. D 5

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/109>, abgerufen am 26.04.2024.