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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776.

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II. Abs. Anfänge des Thieres.
bilden, und aus ihren Säften erzeugen, oder daß sich
die Theile des beiderseitigen Saamens, vermöge seiner
Schwere, neben einander in Ordnung legen (k), oder
daß die Gebärmutter in der Empfängniß in Hügelchen
aufblühe, daß sich ihre Gefässe und Fasern der Länge
nach ausstrekken und ausbilden, nachdem der Saame
die Richtung dazu vorschreibe, und daß endlich daraus
Eingeweide werden.

Diejenigen, welche dieses vorgeben, mögen immer
glauben, daß sich der kleine Mensch aus dem männlichen
Saamen, vermittelst der Mistwärme, erzeugen lasse (m).

Wir glauben unsrer Seits, daß keine Kraft, ausser
einer solchen, welche von der Weisheit geleitet wird, in
eine Materie, nach Richtungen, welche immer anders,
und dergestalt gemäßigt sind, wirken könne, daß aus
einer solchen rohen unförmlichen Materie Knochen,
Muskeln, Eingeweide und Gefässe entstehen, und sich
alle diese Dinge in einer gewissen Ordnung zwekkmäßig
an einander schliessen können. Alles, was von sich
selbst hervorgebracht wird, bildet sich auch nach der
künstlichen Schneefigur, blos in einer einzigen Richtungs-
linie, jederzeit zu Sechsekken, und jederzeit zu Stacheln.

Derjenige, welcher so viel Gewalt über sich hat,
daß er dergleichen Hipothesen Gehör geben kann, erin-
nere sich einzig und allein des Auges; wie könnte dieses
vermittelst einer ausdehnenden Kraft dergestalt gebaut
werden, und zu Membranen werden, die auf einander
folgen, die alle anders gewebt sind, daß das Licht von
den durchsichtigen Theilen, welche allenthalben mit an-
dern sehr undurchsichtigen Theilen umgeben und einge-
faßt sind, aufgefangen werden kann, deren Bau so ge-
(l)

nau
(k) [Spaltenumbruch] MAZIN Instit. med. me-
chan p.
212.
(m) [Spaltenumbruch] MARCELL DONAT p.
466. FRANC. Satyr. p.
354.
(l) PAPI Critica sacra p. 218. 222.

II. Abſ. Anfaͤnge des Thieres.
bilden, und aus ihren Saͤften erzeugen, oder daß ſich
die Theile des beiderſeitigen Saamens, vermoͤge ſeiner
Schwere, neben einander in Ordnung legen (k), oder
daß die Gebaͤrmutter in der Empfaͤngniß in Huͤgelchen
aufbluͤhe, daß ſich ihre Gefaͤſſe und Faſern der Laͤnge
nach ausſtrekken und ausbilden, nachdem der Saame
die Richtung dazu vorſchreibe, und daß endlich daraus
Eingeweide werden.

Diejenigen, welche dieſes vorgeben, moͤgen immer
glauben, daß ſich der kleine Menſch aus dem maͤnnlichen
Saamen, vermittelſt der Miſtwaͤrme, erzeugen laſſe (m).

Wir glauben unſrer Seits, daß keine Kraft, auſſer
einer ſolchen, welche von der Weisheit geleitet wird, in
eine Materie, nach Richtungen, welche immer anders,
und dergeſtalt gemaͤßigt ſind, wirken koͤnne, daß aus
einer ſolchen rohen unfoͤrmlichen Materie Knochen,
Muſkeln, Eingeweide und Gefaͤſſe entſtehen, und ſich
alle dieſe Dinge in einer gewiſſen Ordnung zwekkmaͤßig
an einander ſchlieſſen koͤnnen. Alles, was von ſich
ſelbſt hervorgebracht wird, bildet ſich auch nach der
kuͤnſtlichen Schneefigur, blos in einer einzigen Richtungs-
linie, jederzeit zu Sechsekken, und jederzeit zu Stacheln.

Derjenige, welcher ſo viel Gewalt uͤber ſich hat,
daß er dergleichen Hipotheſen Gehoͤr geben kann, erin-
nere ſich einzig und allein des Auges; wie koͤnnte dieſes
vermittelſt einer ausdehnenden Kraft dergeſtalt gebaut
werden, und zu Membranen werden, die auf einander
folgen, die alle anders gewebt ſind, daß das Licht von
den durchſichtigen Theilen, welche allenthalben mit an-
dern ſehr undurchſichtigen Theilen umgeben und einge-
faßt ſind, aufgefangen werden kann, deren Bau ſo ge-
(l)

nau
(k) [Spaltenumbruch] MAZIN Inſtit. med. me-
chan p.
212.
(m) [Spaltenumbruch] MARCELL DONAT p.
466. FRANC. Satyr. p.
354.
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[203/0255] II. Abſ. Anfaͤnge des Thieres. bilden, und aus ihren Saͤften erzeugen, oder daß ſich die Theile des beiderſeitigen Saamens, vermoͤge ſeiner Schwere, neben einander in Ordnung legen (k), oder daß die Gebaͤrmutter in der Empfaͤngniß in Huͤgelchen aufbluͤhe, daß ſich ihre Gefaͤſſe und Faſern der Laͤnge nach ausſtrekken und ausbilden, nachdem der Saame die Richtung dazu vorſchreibe, und daß endlich daraus Eingeweide werden. Diejenigen, welche dieſes vorgeben, moͤgen immer glauben, daß ſich der kleine Menſch aus dem maͤnnlichen Saamen, vermittelſt der Miſtwaͤrme, erzeugen laſſe (m). Wir glauben unſrer Seits, daß keine Kraft, auſſer einer ſolchen, welche von der Weisheit geleitet wird, in eine Materie, nach Richtungen, welche immer anders, und dergeſtalt gemaͤßigt ſind, wirken koͤnne, daß aus einer ſolchen rohen unfoͤrmlichen Materie Knochen, Muſkeln, Eingeweide und Gefaͤſſe entſtehen, und ſich alle dieſe Dinge in einer gewiſſen Ordnung zwekkmaͤßig an einander ſchlieſſen koͤnnen. Alles, was von ſich ſelbſt hervorgebracht wird, bildet ſich auch nach der kuͤnſtlichen Schneefigur, blos in einer einzigen Richtungs- linie, jederzeit zu Sechsekken, und jederzeit zu Stacheln. Derjenige, welcher ſo viel Gewalt uͤber ſich hat, daß er dergleichen Hipotheſen Gehoͤr geben kann, erin- nere ſich einzig und allein des Auges; wie koͤnnte dieſes vermittelſt einer ausdehnenden Kraft dergeſtalt gebaut werden, und zu Membranen werden, die auf einander folgen, die alle anders gewebt ſind, daß das Licht von den durchſichtigen Theilen, welche allenthalben mit an- dern ſehr undurchſichtigen Theilen umgeben und einge- faßt ſind, aufgefangen werden kann, deren Bau ſo ge- nau (l) (k) MAZIN Inſtit. med. me- chan p. 212. (m) MARCELL DONAT p. 466. FRANC. Satyr. p. 354. (l) PAPI Critica ſacra p. 218. 222.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/255>, abgerufen am 27.04.2024.