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Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776.

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Leben u. Tod der Menschen. XXX. B.

Wir haben von der Art, wie sich der ernährende
Saft bei uns anlegt, weitläuftig gehandelt (c). Da sich
aber demohngeachter doch an den benannten Orten, zu-
gleich mit dem Wachsthume des Körpers vermischte, so
erlaube man mir mit kurzen Worten die Meinung mei-
nes guten Lehrers hier zu wiederholen und zu verthei-
digen.

Um meinen Vortrag desto einfacher zu machen, so
soll die ganze Ernährung, entweder auf ein inwendiges
oder äusserliches Ansezzen ankommen: die erste ist eine
Wiederergänzung der kleinen Gruben, so die von dem
Gefässe losgerissene Elemente übrig gelassen haben; diese
ist hingegen eine Ergänzung der äussern Rinde des Ge-
fässes, von der die verzehrende Bewegung etwas ent-
wandt hat.

Der erste Verlust kann aus einem Safte wieder er-
gänzt werden, welcher durch ein Gefässe fließt, dessen in-
nerste Haut den Verlust erlitten hat. Folglich begiebt
sich in diese Grube (d), welche man sich als leer geden-
ket, eine Portion von dem nächsten Safte, von dem
dieses Gefäß durchströmt wird, woran eine Grube aus-
gehölt worden. Jst dieser Saft wäßriger Art, und hat
er keine Kraft zu gerinnen, so verläst dieses so wenig zähe
Element sogleich seine Grube, bis endlich ein anderes hin-
ternach folgt, welches mit einer gerinnbaren und leimar-
tigen Natur versehen ist. Man sezze, daß dieses Klebe-
theilchen viel zu groß sey: so wird es also die Grube aus-
füllen, und allenthalben mit dem erdigen Grundstoffe
des Gefässes, so den Trichter dieser Grube ausmacht,

aus
(c) [Spaltenumbruch] L. XXIX. Sect. IV.
(d) Ibid. die Ernährung ist ein
Ansazz der nährenden Theile.
WINTRINGHAM p. 40. Nun-
mehr sahe ich, daß der nicht zu
verachtende Schriftsteller Guierus
Gulielmus MUYS
unsern muth-
maslichen Bau durch das Ver-
[Spaltenumbruch] grösserungsglas eingesehen. Denn
es war die innere Dekke der Schlag-
ader gleichsam eine, aus Ruthen
geflochtene Hurde, von ganz dün-
nen, der Länge und Breite nach
durch einander geflochtenen Fäden.
fibr. musc. p. 284.
Leben u. Tod der Menſchen. XXX. B.

Wir haben von der Art, wie ſich der ernaͤhrende
Saft bei uns anlegt, weitlaͤuftig gehandelt (c). Da ſich
aber demohngeachter doch an den benannten Orten, zu-
gleich mit dem Wachsthume des Koͤrpers vermiſchte, ſo
erlaube man mir mit kurzen Worten die Meinung mei-
nes guten Lehrers hier zu wiederholen und zu verthei-
digen.

Um meinen Vortrag deſto einfacher zu machen, ſo
ſoll die ganze Ernaͤhrung, entweder auf ein inwendiges
oder aͤuſſerliches Anſezzen ankommen: die erſte iſt eine
Wiederergaͤnzung der kleinen Gruben, ſo die von dem
Gefaͤſſe losgeriſſene Elemente uͤbrig gelaſſen haben; dieſe
iſt hingegen eine Ergaͤnzung der aͤuſſern Rinde des Ge-
faͤſſes, von der die verzehrende Bewegung etwas ent-
wandt hat.

Der erſte Verluſt kann aus einem Safte wieder er-
gaͤnzt werden, welcher durch ein Gefaͤſſe fließt, deſſen in-
nerſte Haut den Verluſt erlitten hat. Folglich begiebt
ſich in dieſe Grube (d), welche man ſich als leer geden-
ket, eine Portion von dem naͤchſten Safte, von dem
dieſes Gefaͤß durchſtroͤmt wird, woran eine Grube aus-
gehoͤlt worden. Jſt dieſer Saft waͤßriger Art, und hat
er keine Kraft zu gerinnen, ſo verlaͤſt dieſes ſo wenig zaͤhe
Element ſogleich ſeine Grube, bis endlich ein anderes hin-
ternach folgt, welches mit einer gerinnbaren und leimar-
tigen Natur verſehen iſt. Man ſezze, daß dieſes Klebe-
theilchen viel zu groß ſey: ſo wird es alſo die Grube aus-
fuͤllen, und allenthalben mit dem erdigen Grundſtoffe
des Gefaͤſſes, ſo den Trichter dieſer Grube ausmacht,

aus
(c) [Spaltenumbruch] L. XXIX. Sect. IV.
(d) Ibid. die Ernaͤhrung iſt ein
Anſazz der naͤhrenden Theile.
WINTRINGHAM p. 40. Nun-
mehr ſahe ich, daß der nicht zu
verachtende Schriftſteller Guierus
Gulielmus MUYS
unſern muth-
maslichen Bau durch das Ver-
[Spaltenumbruch] groͤſſerungsglas eingeſehen. Denn
es war die innere Dekke der Schlag-
ader gleichſam eine, aus Ruthen
geflochtene Hurde, von ganz duͤn-
nen, der Laͤnge und Breite nach
durch einander geflochtenen Faͤden.
fibr. muſc. p. 284.
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[882[884]/0936] Leben u. Tod der Menſchen. XXX. B. Wir haben von der Art, wie ſich der ernaͤhrende Saft bei uns anlegt, weitlaͤuftig gehandelt (c). Da ſich aber demohngeachter doch an den benannten Orten, zu- gleich mit dem Wachsthume des Koͤrpers vermiſchte, ſo erlaube man mir mit kurzen Worten die Meinung mei- nes guten Lehrers hier zu wiederholen und zu verthei- digen. Um meinen Vortrag deſto einfacher zu machen, ſo ſoll die ganze Ernaͤhrung, entweder auf ein inwendiges oder aͤuſſerliches Anſezzen ankommen: die erſte iſt eine Wiederergaͤnzung der kleinen Gruben, ſo die von dem Gefaͤſſe losgeriſſene Elemente uͤbrig gelaſſen haben; dieſe iſt hingegen eine Ergaͤnzung der aͤuſſern Rinde des Ge- faͤſſes, von der die verzehrende Bewegung etwas ent- wandt hat. Der erſte Verluſt kann aus einem Safte wieder er- gaͤnzt werden, welcher durch ein Gefaͤſſe fließt, deſſen in- nerſte Haut den Verluſt erlitten hat. Folglich begiebt ſich in dieſe Grube (d), welche man ſich als leer geden- ket, eine Portion von dem naͤchſten Safte, von dem dieſes Gefaͤß durchſtroͤmt wird, woran eine Grube aus- gehoͤlt worden. Jſt dieſer Saft waͤßriger Art, und hat er keine Kraft zu gerinnen, ſo verlaͤſt dieſes ſo wenig zaͤhe Element ſogleich ſeine Grube, bis endlich ein anderes hin- ternach folgt, welches mit einer gerinnbaren und leimar- tigen Natur verſehen iſt. Man ſezze, daß dieſes Klebe- theilchen viel zu groß ſey: ſo wird es alſo die Grube aus- fuͤllen, und allenthalben mit dem erdigen Grundſtoffe des Gefaͤſſes, ſo den Trichter dieſer Grube ausmacht, aus (c) L. XXIX. Sect. IV. (d) Ibid. die Ernaͤhrung iſt ein Anſazz der naͤhrenden Theile. WINTRINGHAM p. 40. Nun- mehr ſahe ich, daß der nicht zu verachtende Schriftſteller Guierus Gulielmus MUYS unſern muth- maslichen Bau durch das Ver- groͤſſerungsglas eingeſehen. Denn es war die innere Dekke der Schlag- ader gleichſam eine, aus Ruthen geflochtene Hurde, von ganz duͤn- nen, der Laͤnge und Breite nach durch einander geflochtenen Faͤden. fibr. muſc. p. 284.

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Zitationshilfe: Haller, Albrecht von: Anfangsgründe der Phisiologie des menschlichen Körpers. Bd. 8. Berlin, 1776, S. 882[884]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/haller_anfangsgruende08_1776/936>, abgerufen am 26.04.2024.