Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653.

Bild:
<< vorherige Seite

Lufft.
Weltgrosse/ bewegte/ bewende/ schwebende Lufft
die Goldgestralte/ odmende/ leichte/ liechte/ weit-
schweiffende Luft. Jaget durch die grünen Blät-
ter. Die unbewohnte Lufft durchschwebet das Ge-
flitter.Wind.

Die Poeten halten Junonem für die Göttin
der Luffte und mahlen sie mit einer Kron/ See-
pter und einem Pfauen/ welcher die Verände-
rung deß Lufftes am ersten gewahr wird/ und sol-
che mit seinem rauhen Geschrey verkündiget/ der
schale Lufft/ (welcher alles wie eine Schalen den
Kern umgiebet) beküsst die tieffe Grufft.

Jn dem der Lufft oder vielmehr der linde West-
wind die Blumenfelder durchwandert/ und jedes
Gräslein beweget/ erinnert er die schönen Töch-
ter der holdseligen Flora/ daß sie in ihrer beständi-
gen Unbeständigkeit bestehen und vergehen. Der
Lufft durchsausselt mit lisplender Zusammenstim-
mung die rauslenden Gefülte/ die grün bewachs-
ne Fruchtbaumen/ beküsset die Lippen roten Ro-
sen/ umbfängt die Lilien/ und erwecket zuweilen
bey reiffer Erndzeit trockne Wellen/ in den ge-
neigten und begelbten ähren. Dem Lufft ist nichts/
dem Wasser wenig verschlossen. Der Lufft hat
die Abbildung der Freyheit/ in dem er sich nicht
will verbinden oder verrigeln lassen/ und beseufft-
zet gleichsam seinen Ausbrug/ welcher mehr-
mals auch etliche Threnen hinterlässet.

Lügen.

Lufft.
Weltgroſſe/ bewegte/ bewende/ ſchwebende Lufft
die Goldgeſtralte/ odmende/ leichte/ liechte/ weit-
ſchweiffende Luft. Jaget durch die gruͤnen Blaͤt-
teꝛ. Die unbewohnte Lufft duꝛchſchwebet das Ge-
flitter.☞Wind.

Die Poëten halten Junonem fuͤr die Goͤttin
der Luffte und mahlen ſie mit einer Kron/ See-
pter und einem Pfauen/ welcher die Veraͤnde-
rung deß Lufftes am erſten gewahr wird/ und ſol-
che mit ſeinem rauhen Geſchrey verkuͤndiget/ der
ſchale Lufft/ (welcher alles wie eine Schalen den
Kern umgiebet) bekuͤſſt die tieffe Grufft.

Jn dem der Lufft oder vielmehr der linde Weſt-
wind die Blumenfelder durchwandert/ und jedes
Graͤslein beweget/ erinnert er die ſchoͤnen Toͤch-
ter der holdſeligen Flora/ daß ſie in ihrer beſtaͤndi-
gen Unbeſtaͤndigkeit beſtehen und vergehen. Der
Lufft durchſauſſelt mit liſplender Zuſam̃enſtim-
mung die rauſlenden Gefuͤlte/ die gruͤn bewachſ-
ne Fruchtbaumen/ bekuͤſſet die Lippen roten Ro-
ſen/ umbfaͤngt die Lilien/ und erwecket zuweilen
bey reiffer Erndzeit trockne Wellen/ in den ge-
neigten und begelbtẽ aͤhren. Dem Lufft iſt nichts/
dem Waſſer wenig verſchloſſen. Der Lufft hat
die Abbildung der Freyheit/ in dem er ſich nicht
will verbindẽ oder verrigeln laſſen/ und beſeufft-
zet gleichſam ſeinen Ausbrug/ welcher mehr-
mals auch etliche Threnen hinterlaͤſſet.

Luͤgen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0360" n="330[328]"/><fw place="top" type="header">Lufft.</fw><lb/>
Weltgro&#x017F;&#x017F;e/ bewegte/ bewende/ &#x017F;chwebende Lufft<lb/>
die Goldge&#x017F;tralte/ odmende/ leichte/ liechte/ weit-<lb/>
&#x017F;chweiffende Luft. Jaget durch die gru&#x0364;nen Bla&#x0364;t-<lb/>
te&#xA75B;. Die unbewohnte Lufft du&#xA75B;ch&#x017F;chwebet das Ge-<lb/>
flitter.&#x261E;<hi rendition="#fr">Wind.</hi></p><lb/>
            <p>Die Po<hi rendition="#aq">ë</hi>ten halten Junonem fu&#x0364;r die Go&#x0364;ttin<lb/>
der <hi rendition="#fr">Luffte</hi> und mahlen &#x017F;ie mit einer Kron/ See-<lb/>
pter und einem Pfauen/ welcher die Vera&#x0364;nde-<lb/>
rung deß Lufftes am er&#x017F;ten gewahr wird/ und &#x017F;ol-<lb/>
che mit &#x017F;einem rauhen Ge&#x017F;chrey verku&#x0364;ndiget/ der<lb/>
&#x017F;chale Lufft/ (welcher alles wie eine Schalen den<lb/>
Kern umgiebet) beku&#x0364;&#x017F;&#x017F;t die tieffe Grufft.</p><lb/>
            <p>Jn dem der Lufft oder vielmehr der linde We&#x017F;t-<lb/>
wind die Blumenfelder durchwandert/ und jedes<lb/>
Gra&#x0364;slein beweget/ erinnert er die &#x017F;cho&#x0364;nen To&#x0364;ch-<lb/>
ter der hold&#x017F;eligen Flora/ daß &#x017F;ie in ihrer be&#x017F;ta&#x0364;ndi-<lb/>
gen <hi rendition="#fr">U</hi>nbe&#x017F;ta&#x0364;ndigkeit be&#x017F;tehen und vergehen. Der<lb/>
Lufft durch&#x017F;au&#x017F;&#x017F;elt mit li&#x017F;plender Zu&#x017F;am&#x0303;en&#x017F;tim-<lb/>
mung die rau&#x017F;lenden Gefu&#x0364;lte/ die gru&#x0364;n bewach&#x017F;-<lb/>
ne Fruchtbaumen/ beku&#x0364;&#x017F;&#x017F;et die Lippen roten Ro-<lb/>
&#x017F;en/ umbfa&#x0364;ngt die Lilien/ und erwecket zuweilen<lb/>
bey reiffer Erndzeit trockne Wellen/ in den ge-<lb/>
neigten und begelbt&#x1EBD; a&#x0364;hren. Dem Lufft i&#x017F;t nichts/<lb/>
dem Wa&#x017F;&#x017F;er wenig ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en. Der Lufft hat<lb/>
die Abbildung der Freyheit/ in dem er &#x017F;ich nicht<lb/>
will verbind&#x1EBD; oder verrigeln la&#x017F;&#x017F;en/ und be&#x017F;eufft-<lb/>
zet gleich&#x017F;am &#x017F;einen Ausbrug/ welcher mehr-<lb/>
mals auch etliche Threnen hinterla&#x0364;&#x017F;&#x017F;et.</p>
          </div><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Lu&#x0364;gen.</hi> </fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[330[328]/0360] Lufft. Weltgroſſe/ bewegte/ bewende/ ſchwebende Lufft die Goldgeſtralte/ odmende/ leichte/ liechte/ weit- ſchweiffende Luft. Jaget durch die gruͤnen Blaͤt- teꝛ. Die unbewohnte Lufft duꝛchſchwebet das Ge- flitter.☞Wind. Die Poëten halten Junonem fuͤr die Goͤttin der Luffte und mahlen ſie mit einer Kron/ See- pter und einem Pfauen/ welcher die Veraͤnde- rung deß Lufftes am erſten gewahr wird/ und ſol- che mit ſeinem rauhen Geſchrey verkuͤndiget/ der ſchale Lufft/ (welcher alles wie eine Schalen den Kern umgiebet) bekuͤſſt die tieffe Grufft. Jn dem der Lufft oder vielmehr der linde Weſt- wind die Blumenfelder durchwandert/ und jedes Graͤslein beweget/ erinnert er die ſchoͤnen Toͤch- ter der holdſeligen Flora/ daß ſie in ihrer beſtaͤndi- gen Unbeſtaͤndigkeit beſtehen und vergehen. Der Lufft durchſauſſelt mit liſplender Zuſam̃enſtim- mung die rauſlenden Gefuͤlte/ die gruͤn bewachſ- ne Fruchtbaumen/ bekuͤſſet die Lippen roten Ro- ſen/ umbfaͤngt die Lilien/ und erwecket zuweilen bey reiffer Erndzeit trockne Wellen/ in den ge- neigten und begelbtẽ aͤhren. Dem Lufft iſt nichts/ dem Waſſer wenig verſchloſſen. Der Lufft hat die Abbildung der Freyheit/ in dem er ſich nicht will verbindẽ oder verrigeln laſſen/ und beſeufft- zet gleichſam ſeinen Ausbrug/ welcher mehr- mals auch etliche Threnen hinterlaͤſſet. Luͤgen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter03_1653
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter03_1653/360
Zitationshilfe: Harsdörffer, Georg Philipp: Poetischer Trichter. Bd. 3. Nürnberg, 1653, S. 330[328]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/harsdoerffer_trichter03_1653/360>, abgerufen am 26.04.2024.