Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heckert, Adolph (Hrsg.): Handbuch der Schulgesetzgebung Preußens. Berlin, 1847.

Bild:
<< vorherige Seite

Unterthanen, welche zur Aufbringung ihres schuldigen Beitrags
zur Unterhaltung der Ortsschullehrer ganz oder zum Theil auf
eine Zeit hindurch unvermögend sind, dabei nach Nothdurft zu
unterstützen,

mit den Verhältnissen der Erbunterthänigkeit nicht in unzertrennlicher
Verbindung stehe. Dies ergiebt sich schon zunächst aus folgender Ver-
gleichung der gesetzlichen Vorschriften.

Der allegirte §. 33. steht in dem genauesten Zusammenhange mit
den §§. 122. und 125. Thl. II. Tit. 7. A. L.-R., wonach eine jede
Gutsherrschaft schuldig ist, sich ihrer Unterthanen in vorkommenden
Noth-Fällen
werkthätig anzunehmen und besonders für eine gute und christ-
liche Erziehung der Kinder ihrer Unterthanen zu sorgen.

Diese gesetzlichen Bestimmungen folgen unmittelbar auf solche
Vorschriften §§. 113--121. l. c., welche die Schutzunterthanen,
also solche Personen betreffen, die sich zu der Gutsherrschaft in keinem
erbunterthänigen Verhältnisse befinden, sondern nach §. 118. l. c.
als Tagelöhner behandelt werden sollen. Der Zusammenhang lehrt,
daß die nun folgenden allgemeinen Pflichten der Gutsherrschaft und
insbesondere die §§. 122. und 125. auch auf die Schutzunterthanen sich
beziehen, und es muß schon daraus gefolgert werden, daß auch noch
jetzt, nach erfolgter Aufhebung der Erbunterthänigkeit, die Verpflichtung
der Gutsherrschaften, für den Schulunterricht und die Erziehung der
Kinder ihrer Arbeiter zu sorgen, fortdauert.

Zu derselben Ueberzeugung gelangt man aber auch durch folgende
Betrachtungen. Nach §. 36. Thl. II. Tit. 12. A. L.-R. müssen die
Magistrate in den Städten und die Gutsherrschaften auf dem
Lande bei Bauen und Reparaturen der Schulgebäude die auf dem
Gute oder Kämmerei-Eigenthume, wo die Schule sich befindet, ge-
wachsenen oder gewonnenen Materialien, soweit selbige hinreichend
vorhanden und zum Bau nothwendig sind, unentgeltlich verabfolgen.
Hier sind also die Gutsherrschaften auf dem Lande den Magistraten
in den Städten gleichgestellt, und eben diese Gleichstellung lehrt, daß
jene Verpflichtung der Gutsherrschaften und Magistrate von dem Ver-
hältnisse der Erbunterthänigkeit unabhängig ist, da die letztere in den
Städten niemals existirt hat. Eben diese Gutsherrschaften auf dem
Lande, welche zur unentgeltlichen Verabfolgung der Materialien ver-

Unterthanen, welche zur Aufbringung ihres ſchuldigen Beitrags
zur Unterhaltung der Ortsſchullehrer ganz oder zum Theil auf
eine Zeit hindurch unvermögend ſind, dabei nach Nothdurft zu
unterſtützen,

mit den Verhältniſſen der Erbunterthänigkeit nicht in unzertrennlicher
Verbindung ſtehe. Dies ergiebt ſich ſchon zunächſt aus folgender Ver-
gleichung der geſetzlichen Vorſchriften.

Der allegirte §. 33. ſteht in dem genaueſten Zuſammenhange mit
den §§. 122. und 125. Thl. II. Tit. 7. A. L.-R., wonach eine jede
Gutsherrſchaft ſchuldig iſt, ſich ihrer Unterthanen in vorkommenden
Noth-Fällen
werkthätig anzunehmen und beſonders für eine gute und chriſt-
liche Erziehung der Kinder ihrer Unterthanen zu ſorgen.

Dieſe geſetzlichen Beſtimmungen folgen unmittelbar auf ſolche
Vorſchriften §§. 113—121. l. c., welche die Schutzunterthanen,
alſo ſolche Perſonen betreffen, die ſich zu der Gutsherrſchaft in keinem
erbunterthänigen Verhältniſſe befinden, ſondern nach §. 118. l. c.
als Tagelöhner behandelt werden ſollen. Der Zuſammenhang lehrt,
daß die nun folgenden allgemeinen Pflichten der Gutsherrſchaft und
insbeſondere die §§. 122. und 125. auch auf die Schutzunterthanen ſich
beziehen, und es muß ſchon daraus gefolgert werden, daß auch noch
jetzt, nach erfolgter Aufhebung der Erbunterthänigkeit, die Verpflichtung
der Gutsherrſchaften, für den Schulunterricht und die Erziehung der
Kinder ihrer Arbeiter zu ſorgen, fortdauert.

Zu derſelben Ueberzeugung gelangt man aber auch durch folgende
Betrachtungen. Nach §. 36. Thl. II. Tit. 12. A. L.-R. müſſen die
Magiſtrate in den Städten und die Gutsherrſchaften auf dem
Lande bei Bauen und Reparaturen der Schulgebäude die auf dem
Gute oder Kämmerei-Eigenthume, wo die Schule ſich befindet, ge-
wachſenen oder gewonnenen Materialien, ſoweit ſelbige hinreichend
vorhanden und zum Bau nothwendig ſind, unentgeltlich verabfolgen.
Hier ſind alſo die Gutsherrſchaften auf dem Lande den Magiſtraten
in den Städten gleichgeſtellt, und eben dieſe Gleichſtellung lehrt, daß
jene Verpflichtung der Gutsherrſchaften und Magiſtrate von dem Ver-
hältniſſe der Erbunterthänigkeit unabhängig iſt, da die letztere in den
Städten niemals exiſtirt hat. Eben dieſe Gutsherrſchaften auf dem
Lande, welche zur unentgeltlichen Verabfolgung der Materialien ver-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><hi rendition="#et"><pb facs="#f0494" n="480"/>
Unterthanen, welche zur Aufbringung ihres &#x017F;chuldigen Beitrags<lb/>
zur Unterhaltung der Orts&#x017F;chullehrer ganz oder zum Theil auf<lb/>
eine Zeit hindurch unvermögend &#x017F;ind, dabei nach Nothdurft zu<lb/>
unter&#x017F;tützen,</hi><lb/>
mit den Verhältni&#x017F;&#x017F;en der Erbunterthänigkeit nicht in unzertrennlicher<lb/>
Verbindung &#x017F;tehe. Dies ergiebt &#x017F;ich &#x017F;chon zunäch&#x017F;t aus folgender Ver-<lb/>
gleichung der ge&#x017F;etzlichen Vor&#x017F;chriften.</p><lb/>
          <p>Der allegirte §. 33. &#x017F;teht in dem genaue&#x017F;ten Zu&#x017F;ammenhange mit<lb/>
den §§. 122. und 125. Thl. <hi rendition="#aq">II.</hi> Tit. 7. A. L.-R., wonach eine jede<lb/>
Gutsherr&#x017F;chaft &#x017F;chuldig i&#x017F;t, &#x017F;ich ihrer Unterthanen in vorkommenden<lb/>
Noth-Fällen<lb/><hi rendition="#et">werkthätig anzunehmen und be&#x017F;onders für eine gute und chri&#x017F;t-<lb/>
liche Erziehung der Kinder ihrer Unterthanen zu &#x017F;orgen.</hi></p><lb/>
          <p>Die&#x017F;e ge&#x017F;etzlichen Be&#x017F;timmungen folgen unmittelbar auf &#x017F;olche<lb/>
Vor&#x017F;chriften §§. 113&#x2014;121. <hi rendition="#aq">l. c.</hi>, welche die <hi rendition="#g">Schutzunterthanen</hi>,<lb/>
al&#x017F;o &#x017F;olche Per&#x017F;onen betreffen, die &#x017F;ich zu der Gutsherr&#x017F;chaft in keinem<lb/><hi rendition="#g">erbunterthänigen</hi> Verhältni&#x017F;&#x017F;e befinden, &#x017F;ondern nach §. 118. <hi rendition="#aq">l. c.</hi><lb/>
als Tagelöhner behandelt werden &#x017F;ollen. Der Zu&#x017F;ammenhang lehrt,<lb/>
daß die nun folgenden allgemeinen Pflichten der Gutsherr&#x017F;chaft und<lb/>
insbe&#x017F;ondere die §§. 122. und 125. auch auf die Schutzunterthanen &#x017F;ich<lb/>
beziehen, und es muß &#x017F;chon daraus gefolgert werden, daß auch noch<lb/>
jetzt, nach erfolgter Aufhebung der Erbunterthänigkeit, die Verpflichtung<lb/>
der Gutsherr&#x017F;chaften, für den Schulunterricht und die Erziehung der<lb/>
Kinder ihrer Arbeiter zu &#x017F;orgen, fortdauert.</p><lb/>
          <p>Zu der&#x017F;elben Ueberzeugung gelangt man aber auch durch folgende<lb/>
Betrachtungen. Nach §. 36. Thl. <hi rendition="#aq">II.</hi> Tit. 12. A. L.-R. mü&#x017F;&#x017F;en die<lb/><hi rendition="#g">Magi&#x017F;trate</hi> in den Städten und die <hi rendition="#g">Gutsherr&#x017F;chaften</hi> auf dem<lb/>
Lande bei Bauen und Reparaturen der Schulgebäude die auf dem<lb/>
Gute oder Kämmerei-Eigenthume, wo die Schule &#x017F;ich befindet, ge-<lb/>
wach&#x017F;enen oder gewonnenen Materialien, &#x017F;oweit &#x017F;elbige hinreichend<lb/>
vorhanden und zum Bau nothwendig &#x017F;ind, unentgeltlich verabfolgen.<lb/>
Hier &#x017F;ind al&#x017F;o die Gutsherr&#x017F;chaften auf dem Lande den Magi&#x017F;traten<lb/>
in den Städten gleichge&#x017F;tellt, und eben die&#x017F;e Gleich&#x017F;tellung lehrt, daß<lb/>
jene Verpflichtung der Gutsherr&#x017F;chaften und Magi&#x017F;trate von dem Ver-<lb/>
hältni&#x017F;&#x017F;e der Erbunterthänigkeit unabhängig i&#x017F;t, da die letztere in den<lb/>
Städten niemals exi&#x017F;tirt hat. Eben die&#x017F;e Gutsherr&#x017F;chaften auf dem<lb/>
Lande, welche zur unentgeltlichen Verabfolgung der Materialien ver-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[480/0494] Unterthanen, welche zur Aufbringung ihres ſchuldigen Beitrags zur Unterhaltung der Ortsſchullehrer ganz oder zum Theil auf eine Zeit hindurch unvermögend ſind, dabei nach Nothdurft zu unterſtützen, mit den Verhältniſſen der Erbunterthänigkeit nicht in unzertrennlicher Verbindung ſtehe. Dies ergiebt ſich ſchon zunächſt aus folgender Ver- gleichung der geſetzlichen Vorſchriften. Der allegirte §. 33. ſteht in dem genaueſten Zuſammenhange mit den §§. 122. und 125. Thl. II. Tit. 7. A. L.-R., wonach eine jede Gutsherrſchaft ſchuldig iſt, ſich ihrer Unterthanen in vorkommenden Noth-Fällen werkthätig anzunehmen und beſonders für eine gute und chriſt- liche Erziehung der Kinder ihrer Unterthanen zu ſorgen. Dieſe geſetzlichen Beſtimmungen folgen unmittelbar auf ſolche Vorſchriften §§. 113—121. l. c., welche die Schutzunterthanen, alſo ſolche Perſonen betreffen, die ſich zu der Gutsherrſchaft in keinem erbunterthänigen Verhältniſſe befinden, ſondern nach §. 118. l. c. als Tagelöhner behandelt werden ſollen. Der Zuſammenhang lehrt, daß die nun folgenden allgemeinen Pflichten der Gutsherrſchaft und insbeſondere die §§. 122. und 125. auch auf die Schutzunterthanen ſich beziehen, und es muß ſchon daraus gefolgert werden, daß auch noch jetzt, nach erfolgter Aufhebung der Erbunterthänigkeit, die Verpflichtung der Gutsherrſchaften, für den Schulunterricht und die Erziehung der Kinder ihrer Arbeiter zu ſorgen, fortdauert. Zu derſelben Ueberzeugung gelangt man aber auch durch folgende Betrachtungen. Nach §. 36. Thl. II. Tit. 12. A. L.-R. müſſen die Magiſtrate in den Städten und die Gutsherrſchaften auf dem Lande bei Bauen und Reparaturen der Schulgebäude die auf dem Gute oder Kämmerei-Eigenthume, wo die Schule ſich befindet, ge- wachſenen oder gewonnenen Materialien, ſoweit ſelbige hinreichend vorhanden und zum Bau nothwendig ſind, unentgeltlich verabfolgen. Hier ſind alſo die Gutsherrſchaften auf dem Lande den Magiſtraten in den Städten gleichgeſtellt, und eben dieſe Gleichſtellung lehrt, daß jene Verpflichtung der Gutsherrſchaften und Magiſtrate von dem Ver- hältniſſe der Erbunterthänigkeit unabhängig iſt, da die letztere in den Städten niemals exiſtirt hat. Eben dieſe Gutsherrſchaften auf dem Lande, welche zur unentgeltlichen Verabfolgung der Materialien ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heckert_schulgesetzgebung_1847
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heckert_schulgesetzgebung_1847/494
Zitationshilfe: Heckert, Adolph (Hrsg.): Handbuch der Schulgesetzgebung Preußens. Berlin, 1847, S. 480. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heckert_schulgesetzgebung_1847/494>, abgerufen am 26.04.2024.