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Heckert, Adolph (Hrsg.): Handbuch der Schulgesetzgebung Preußens. Berlin, 1847.

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bunden, sind dieselben, welche nach §. 33. l. c. ihre Unterthanen bei
Aufbringung ihrer Beiträge zur Unterhaltung des Ortsschullehrers
unterstützen sollen.

Allerdings ist diese Verpflichtung eine subsidiarische, nämlich in-
sofern, als die Hausväter des Orts, welche die Schulgemeinen bilden,
dazu nichts vermögend sind. §. 29. l. c.

Wo aber die letztern keinen Grund und Boden besitzen, sondern
in gutsherrlichen Wohnungen als Einlieger, Dienstleute und Hand-
arbeiter ihr Unterkommen finden, ist der Gutsherr noch überdies im
eigentlichsten Sinne als oberster Hausvater anzusehen. Auch tritt in
einem solchen Falle seine Verpflichtung um so stärker ein, als es eben
die ihm zu leistenden Dienste sind, welche die Eltern der schulpflichtigen
Kinder von den öffentlichen Schulanstalten entfernen. Auch die Ana-
logie, welche die Verpflichtung der Herrschaften für kranke Dienstboten
darbietet, führt zu demselben Resultate.

Muß selbst eine gewöhnliche Dienstherrschaft nach §§. 86. und
89. der Ges.-O. v. 8. Novbr. 1810., in Ermangelung von näher Ver-
pflichteten, für kranke Dienstboten sorgen, so liegt auch den Gutsherr-
schaften eine gleiche Verpflichtung für ihre Dienstleute und Einlieger
ob, da diese eben um ihrer Dienste willen von allen öffentlichen Heil-
anstalten entfernt leben. Die Verpflichtung der Gutsherrschaften, für
das leibliche Wohl ihrer Untergebenen zu sorgen, kann aber nicht
stärker sein, als die Verpflichtung, zu der allgemeinen Erziehung der
Kinder beizutragen; sie ist in dem Verhältnisse selbst so begründet, daß
sich die Herrschaften sogar durch ein Privatabkommen mit den Dienst-
leuten davon so wenig, als von der Verpflichtung, die Kranken ihrer
Untergebenen nicht zu verlassen, entbinden können.

Auch die Verbindlichkeit der Gutsherrschaft zu Verpflegung ihrer
verarmten Einwohner ist mit der Erbunterthänigkeit nicht ganz
fortgefallen, wie in dem Rescripte v. 5. März 1809. das Edict v.
9. Octbr. 1807. betreffend §. 18. genügend ausgeführt worden ist (vide
Rabe B. 10. S. 46.).

Es ist daher wohl nicht zu bezweifeln, daß die §§. 33. und 36.
Thl. II. Tit. 12. und §§. 122. und 125. Thl. II. Tit. 7. A. L.-R.
auch nach Aufhebung der Erbunterthänigkeit noch gegenwärtig volle
Gültigkeit haben, und daß in dem speciellen Falle, welcher die Ver-
anlassung zu dieser Ausführung gegeben hat, die Königl. Regierung

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bunden, ſind dieſelben, welche nach §. 33. l. c. ihre Unterthanen bei
Aufbringung ihrer Beiträge zur Unterhaltung des Ortsſchullehrers
unterſtützen ſollen.

Allerdings iſt dieſe Verpflichtung eine ſubſidiariſche, nämlich in-
ſofern, als die Hausväter des Orts, welche die Schulgemeinen bilden,
dazu nichts vermögend ſind. §. 29. l. c.

Wo aber die letztern keinen Grund und Boden beſitzen, ſondern
in gutsherrlichen Wohnungen als Einlieger, Dienſtleute und Hand-
arbeiter ihr Unterkommen finden, iſt der Gutsherr noch überdies im
eigentlichſten Sinne als oberſter Hausvater anzuſehen. Auch tritt in
einem ſolchen Falle ſeine Verpflichtung um ſo ſtärker ein, als es eben
die ihm zu leiſtenden Dienſte ſind, welche die Eltern der ſchulpflichtigen
Kinder von den öffentlichen Schulanſtalten entfernen. Auch die Ana-
logie, welche die Verpflichtung der Herrſchaften für kranke Dienſtboten
darbietet, führt zu demſelben Reſultate.

Muß ſelbſt eine gewöhnliche Dienſtherrſchaft nach §§. 86. und
89. der Geſ.-O. v. 8. Novbr. 1810., in Ermangelung von näher Ver-
pflichteten, für kranke Dienſtboten ſorgen, ſo liegt auch den Gutsherr-
ſchaften eine gleiche Verpflichtung für ihre Dienſtleute und Einlieger
ob, da dieſe eben um ihrer Dienſte willen von allen öffentlichen Heil-
anſtalten entfernt leben. Die Verpflichtung der Gutsherrſchaften, für
das leibliche Wohl ihrer Untergebenen zu ſorgen, kann aber nicht
ſtärker ſein, als die Verpflichtung, zu der allgemeinen Erziehung der
Kinder beizutragen; ſie iſt in dem Verhältniſſe ſelbſt ſo begründet, daß
ſich die Herrſchaften ſogar durch ein Privatabkommen mit den Dienſt-
leuten davon ſo wenig, als von der Verpflichtung, die Kranken ihrer
Untergebenen nicht zu verlaſſen, entbinden können.

Auch die Verbindlichkeit der Gutsherrſchaft zu Verpflegung ihrer
verarmten Einwohner iſt mit der Erbunterthänigkeit nicht ganz
fortgefallen, wie in dem Reſcripte v. 5. März 1809. das Edict v.
9. Octbr. 1807. betreffend §. 18. genügend ausgeführt worden iſt (vide
Rabe B. 10. S. 46.).

Es iſt daher wohl nicht zu bezweifeln, daß die §§. 33. und 36.
Thl. II. Tit. 12. und §§. 122. und 125. Thl. II. Tit. 7. A. L.-R.
auch nach Aufhebung der Erbunterthänigkeit noch gegenwärtig volle
Gültigkeit haben, und daß in dem ſpeciellen Falle, welcher die Ver-
anlaſſung zu dieſer Ausführung gegeben hat, die Königl. Regierung

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[481/0495] bunden, ſind dieſelben, welche nach §. 33. l. c. ihre Unterthanen bei Aufbringung ihrer Beiträge zur Unterhaltung des Ortsſchullehrers unterſtützen ſollen. Allerdings iſt dieſe Verpflichtung eine ſubſidiariſche, nämlich in- ſofern, als die Hausväter des Orts, welche die Schulgemeinen bilden, dazu nichts vermögend ſind. §. 29. l. c. Wo aber die letztern keinen Grund und Boden beſitzen, ſondern in gutsherrlichen Wohnungen als Einlieger, Dienſtleute und Hand- arbeiter ihr Unterkommen finden, iſt der Gutsherr noch überdies im eigentlichſten Sinne als oberſter Hausvater anzuſehen. Auch tritt in einem ſolchen Falle ſeine Verpflichtung um ſo ſtärker ein, als es eben die ihm zu leiſtenden Dienſte ſind, welche die Eltern der ſchulpflichtigen Kinder von den öffentlichen Schulanſtalten entfernen. Auch die Ana- logie, welche die Verpflichtung der Herrſchaften für kranke Dienſtboten darbietet, führt zu demſelben Reſultate. Muß ſelbſt eine gewöhnliche Dienſtherrſchaft nach §§. 86. und 89. der Geſ.-O. v. 8. Novbr. 1810., in Ermangelung von näher Ver- pflichteten, für kranke Dienſtboten ſorgen, ſo liegt auch den Gutsherr- ſchaften eine gleiche Verpflichtung für ihre Dienſtleute und Einlieger ob, da dieſe eben um ihrer Dienſte willen von allen öffentlichen Heil- anſtalten entfernt leben. Die Verpflichtung der Gutsherrſchaften, für das leibliche Wohl ihrer Untergebenen zu ſorgen, kann aber nicht ſtärker ſein, als die Verpflichtung, zu der allgemeinen Erziehung der Kinder beizutragen; ſie iſt in dem Verhältniſſe ſelbſt ſo begründet, daß ſich die Herrſchaften ſogar durch ein Privatabkommen mit den Dienſt- leuten davon ſo wenig, als von der Verpflichtung, die Kranken ihrer Untergebenen nicht zu verlaſſen, entbinden können. Auch die Verbindlichkeit der Gutsherrſchaft zu Verpflegung ihrer verarmten Einwohner iſt mit der Erbunterthänigkeit nicht ganz fortgefallen, wie in dem Reſcripte v. 5. März 1809. das Edict v. 9. Octbr. 1807. betreffend §. 18. genügend ausgeführt worden iſt (vide Rabe B. 10. S. 46.). Es iſt daher wohl nicht zu bezweifeln, daß die §§. 33. und 36. Thl. II. Tit. 12. und §§. 122. und 125. Thl. II. Tit. 7. A. L.-R. auch nach Aufhebung der Erbunterthänigkeit noch gegenwärtig volle Gültigkeit haben, und daß in dem ſpeciellen Falle, welcher die Ver- anlaſſung zu dieſer Ausführung gegeben hat, die Königl. Regierung 31

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Zitationshilfe: Heckert, Adolph (Hrsg.): Handbuch der Schulgesetzgebung Preußens. Berlin, 1847, S. 481. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heckert_schulgesetzgebung_1847/495>, abgerufen am 26.04.2024.