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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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Erstes Buch. §. 77.
das Recht, Friedensstörungen in diesen Gewässern zu verhindern
und dagegen factisch zu interveniren;
das Recht, die Benutzung der Küstengewässer, z. B. in Betreff
der verschiedenen Arten der Fischerei zu reguliren;
das Recht des Embargo (Buch II. Tit. 1.) und die Aufstel-
lung von Kreuzern gegen den Schleichhandel. 1

Dagegen kann ein bloßes Hereinkommen in diese Polizeigrenze we-
der die Gerichtsbarkeit noch ein Besteuerungsrecht von Seiten des
Küstenstaates begründen; diese Befugnisse treten vielmehr erst in
Kraft mit dem wirklichen Ueberschreiten der eigentlichen Gebiets-
grenze und mit dem Eintritt der sonstigen Bedingungen, von de-
nen Gerichtsgang und Besteuerung der Fremden überhaupt abhän-
gig ist (§. 79.).

Nur Zugeständnisse anderer Nationen können auch hierin grö-
ßere Rechte verleihen. Einzig in seiner Art ist in solcher Bezie-
hung der Sundzoll der Krone Dänemärk. 2

Nationale Flußgebiete.

77. Flüsse, welche sich in das Meer ergießen, gehören bis zu
ihrer Ausmündung, d. h. wo sie die äußerste Linie zwischen ihren
letzten Uferpunkten verlassen, zum Gebiet des oder derjenigen Staa-
ten, welche sie durchfließen und zwar, wenn sie die Grenze zweier
Länder bilden, in dem schon oben §. 66. angegebenen Verhältniß,
außerdem zu dem Gebiet jedes Einzelstaates, welchen und soweit
sie ihn durchströmen. Sie sind Zubehör des Landes, da sie diesem
unmittelbar entquellen und der elementarischen Selbständigkeit er-
mangeln, welche das Meer darbietet. Jeder Staat kann also von
seinem Stromgebiet bis zur Grenzscheide mit andern Staatsgebie-
ten, welche unverändert belassen werden muß (§. 33. III. IV.),
alle Vortheile sich und den Seinigen allein zueignen und andere
Nationen davon ausschließen. Nur wenn ein Fluß eine unent-
behrliche Verkehrstraße für die Subsistenz einer andern Nation wäre
(§. 32. III.), könnte sie derselben nicht verschlossen werden. 3 In-

1 Moser, Vers. VII, 801 f.
2 Ueber diesen s. die Lit. bei v. Kamptz §. 176. Besonders v. Steck Versuche
S. 39. Moser, kl. Schriften IX, 290 f. Wheaton, histoire des pro-
gres p.
105 ff. S. auch Vattel, I, 23, §. 292.
3 Die ältern Publicisten nahmen hier meist ein viel allgemeineres jus usus
Erſtes Buch. §. 77.
das Recht, Friedensſtörungen in dieſen Gewäſſern zu verhindern
und dagegen factiſch zu interveniren;
das Recht, die Benutzung der Küſtengewäſſer, z. B. in Betreff
der verſchiedenen Arten der Fiſcherei zu reguliren;
das Recht des Embargo (Buch II. Tit. 1.) und die Aufſtel-
lung von Kreuzern gegen den Schleichhandel. 1

Dagegen kann ein bloßes Hereinkommen in dieſe Polizeigrenze we-
der die Gerichtsbarkeit noch ein Beſteuerungsrecht von Seiten des
Küſtenſtaates begründen; dieſe Befugniſſe treten vielmehr erſt in
Kraft mit dem wirklichen Ueberſchreiten der eigentlichen Gebiets-
grenze und mit dem Eintritt der ſonſtigen Bedingungen, von de-
nen Gerichtsgang und Beſteuerung der Fremden überhaupt abhän-
gig iſt (§. 79.).

Nur Zugeſtändniſſe anderer Nationen können auch hierin grö-
ßere Rechte verleihen. Einzig in ſeiner Art iſt in ſolcher Bezie-
hung der Sundzoll der Krone Dänemärk. 2

Nationale Flußgebiete.

77. Flüſſe, welche ſich in das Meer ergießen, gehören bis zu
ihrer Ausmündung, d. h. wo ſie die äußerſte Linie zwiſchen ihren
letzten Uferpunkten verlaſſen, zum Gebiet des oder derjenigen Staa-
ten, welche ſie durchfließen und zwar, wenn ſie die Grenze zweier
Länder bilden, in dem ſchon oben §. 66. angegebenen Verhältniß,
außerdem zu dem Gebiet jedes Einzelſtaates, welchen und ſoweit
ſie ihn durchſtrömen. Sie ſind Zubehör des Landes, da ſie dieſem
unmittelbar entquellen und der elementariſchen Selbſtändigkeit er-
mangeln, welche das Meer darbietet. Jeder Staat kann alſo von
ſeinem Stromgebiet bis zur Grenzſcheide mit andern Staatsgebie-
ten, welche unverändert belaſſen werden muß (§. 33. III. IV.),
alle Vortheile ſich und den Seinigen allein zueignen und andere
Nationen davon ausſchließen. Nur wenn ein Fluß eine unent-
behrliche Verkehrſtraße für die Subſiſtenz einer andern Nation wäre
(§. 32. III.), könnte ſie derſelben nicht verſchloſſen werden. 3 In-

1 Moſer, Verſ. VII, 801 f.
2 Ueber dieſen ſ. die Lit. bei v. Kamptz §. 176. Beſonders v. Steck Verſuche
S. 39. Moſer, kl. Schriften IX, 290 f. Wheaton, histoire des pro-
grès p.
105 ff. S. auch Vattel, I, 23, §. 292.
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[136/0160] Erſtes Buch. §. 77. das Recht, Friedensſtörungen in dieſen Gewäſſern zu verhindern und dagegen factiſch zu interveniren; das Recht, die Benutzung der Küſtengewäſſer, z. B. in Betreff der verſchiedenen Arten der Fiſcherei zu reguliren; das Recht des Embargo (Buch II. Tit. 1.) und die Aufſtel- lung von Kreuzern gegen den Schleichhandel. 1 Dagegen kann ein bloßes Hereinkommen in dieſe Polizeigrenze we- der die Gerichtsbarkeit noch ein Beſteuerungsrecht von Seiten des Küſtenſtaates begründen; dieſe Befugniſſe treten vielmehr erſt in Kraft mit dem wirklichen Ueberſchreiten der eigentlichen Gebiets- grenze und mit dem Eintritt der ſonſtigen Bedingungen, von de- nen Gerichtsgang und Beſteuerung der Fremden überhaupt abhän- gig iſt (§. 79.). Nur Zugeſtändniſſe anderer Nationen können auch hierin grö- ßere Rechte verleihen. Einzig in ſeiner Art iſt in ſolcher Bezie- hung der Sundzoll der Krone Dänemärk. 2 Nationale Flußgebiete. 77. Flüſſe, welche ſich in das Meer ergießen, gehören bis zu ihrer Ausmündung, d. h. wo ſie die äußerſte Linie zwiſchen ihren letzten Uferpunkten verlaſſen, zum Gebiet des oder derjenigen Staa- ten, welche ſie durchfließen und zwar, wenn ſie die Grenze zweier Länder bilden, in dem ſchon oben §. 66. angegebenen Verhältniß, außerdem zu dem Gebiet jedes Einzelſtaates, welchen und ſoweit ſie ihn durchſtrömen. Sie ſind Zubehör des Landes, da ſie dieſem unmittelbar entquellen und der elementariſchen Selbſtändigkeit er- mangeln, welche das Meer darbietet. Jeder Staat kann alſo von ſeinem Stromgebiet bis zur Grenzſcheide mit andern Staatsgebie- ten, welche unverändert belaſſen werden muß (§. 33. III. IV.), alle Vortheile ſich und den Seinigen allein zueignen und andere Nationen davon ausſchließen. Nur wenn ein Fluß eine unent- behrliche Verkehrſtraße für die Subſiſtenz einer andern Nation wäre (§. 32. III.), könnte ſie derſelben nicht verſchloſſen werden. 3 In- 1 Moſer, Verſ. VII, 801 f. 2 Ueber dieſen ſ. die Lit. bei v. Kamptz §. 176. Beſonders v. Steck Verſuche S. 39. Moſer, kl. Schriften IX, 290 f. Wheaton, histoire des pro- grès p. 105 ff. S. auch Vattel, I, 23, §. 292. 3 Die ältern Publiciſten nahmen hier meiſt ein viel allgemeineres jus usus

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/160>, abgerufen am 27.04.2024.