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Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

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Drittes Buch. §. 213.
wenn sie Grund zu dem Verdacht hätte, daß das Hotel zu einer
feindlichen Unternehmung gegen sie dienen solle.

In diesen einfachen Grenzen besteht die sogenannte Quartier-
freiheit der Gesandten (la franchise de l'hotel, jus franchisiae
sive franchisiarum
); wenn man sie in älterer Zeit an einigen Or-
ten auf das ganze Stadtquartier des Hotels ausgedehnt und dem-
selben dadurch einen gewissen Character von Exterritorialität gege-
ben hat, so beruht dies lediglich nur auf einzelnen Concessionen,
die jedoch in neuerer Zeit meistens oder gänzlich zurückgenommen
sind. 1 Ebenso unbefugt, ohne Vergünstigung des auswärtigen
Staates, ist die Ertheilung von Schutzbriefen für einzelne Personen,
welche ein Gesandter unter seine Aegide zu nehmen beabsichtigen
könnte. 2

In Betreff dritter Staaten gilt das Obige (§. 204.); auch
characterisirte Gesandte können sich hier nicht auf Unverletzbarkeit
berufen, wie die a. a. O. bemerkten Beispiele darthun.

b. Recht der eigenen Religionsübung.

213. Dieselbe Unverletzbarkeit und Unabhängigkeit, welche einem
Gesandten der fremden Staatsregierung gegenüber zusteht, gewährt
ihm auch das Recht einer eigenen freien Religionsübung, sogar
einer solchen, welche nach den auswärtigen Staatsgesetzen verboten
sein sollte. 3 Allerdings versteht sich jedoch dieselbe nur innerhalb
der Grenzen einer sogenannten Hausandacht, mithin nur innerhalb
des gesandtschaftlichen Hotels, ohne alles öffentliche Gepränge, na-
mentlich ohne Gebrauch von Glocken und Orgeln und ohne äu-
ßerlich nach der Straße hin sichtbare Zeichen einer besonderen Cul-
tuseinrichtung, z. B. ohne die Gestalt von Kirchenfenstern, wenn
nicht in dieser Hinsicht die auswärtige Staatsregierung eine beson-
dere Concession macht. Im Uebrigen gehört es zu den ausge-
machten Befugnissen der Gesandten erster und zweiter Classe sowie
auch der Ministerresidenten, eine eigene Capelle in ihrem Quartier

1 S. die Note 2. 3. der vorigen S. angeführten Schriften.
2 Moser Versuch IV, 320.
3 S. vorzüglich über diesen Gegenstand: J. H. Boehmer, J. Eccles. Prot.
III, 3, 37, 45 sqq.
J. J. Moser Vers. IV, 155. Dessen Beitr. IV,
185. v. Martens Völkerr. Hptst. VII. Klüber §. 215. 216. Schmel-
zing §. 355.

Drittes Buch. §. 213.
wenn ſie Grund zu dem Verdacht hätte, daß das Hotel zu einer
feindlichen Unternehmung gegen ſie dienen ſolle.

In dieſen einfachen Grenzen beſteht die ſogenannte Quartier-
freiheit der Geſandten (la franchise de l’hôtel, jus franchisiae
sive franchisiarum
); wenn man ſie in älterer Zeit an einigen Or-
ten auf das ganze Stadtquartier des Hotels ausgedehnt und dem-
ſelben dadurch einen gewiſſen Character von Exterritorialität gege-
ben hat, ſo beruht dies lediglich nur auf einzelnen Conceſſionen,
die jedoch in neuerer Zeit meiſtens oder gänzlich zurückgenommen
ſind. 1 Ebenſo unbefugt, ohne Vergünſtigung des auswärtigen
Staates, iſt die Ertheilung von Schutzbriefen für einzelne Perſonen,
welche ein Geſandter unter ſeine Aegide zu nehmen beabſichtigen
könnte. 2

In Betreff dritter Staaten gilt das Obige (§. 204.); auch
characteriſirte Geſandte können ſich hier nicht auf Unverletzbarkeit
berufen, wie die a. a. O. bemerkten Beiſpiele darthun.

b. Recht der eigenen Religionsübung.

213. Dieſelbe Unverletzbarkeit und Unabhängigkeit, welche einem
Geſandten der fremden Staatsregierung gegenüber zuſteht, gewährt
ihm auch das Recht einer eigenen freien Religionsübung, ſogar
einer ſolchen, welche nach den auswärtigen Staatsgeſetzen verboten
ſein ſollte. 3 Allerdings verſteht ſich jedoch dieſelbe nur innerhalb
der Grenzen einer ſogenannten Hausandacht, mithin nur innerhalb
des geſandtſchaftlichen Hotels, ohne alles öffentliche Gepränge, na-
mentlich ohne Gebrauch von Glocken und Orgeln und ohne äu-
ßerlich nach der Straße hin ſichtbare Zeichen einer beſonderen Cul-
tuseinrichtung, z. B. ohne die Geſtalt von Kirchenfenſtern, wenn
nicht in dieſer Hinſicht die auswärtige Staatsregierung eine beſon-
dere Conceſſion macht. Im Uebrigen gehört es zu den ausge-
machten Befugniſſen der Geſandten erſter und zweiter Claſſe ſowie
auch der Miniſterreſidenten, eine eigene Capelle in ihrem Quartier

1 S. die Note 2. 3. der vorigen S. angeführten Schriften.
2 Moſer Verſuch IV, 320.
3 S. vorzüglich über dieſen Gegenſtand: J. H. Boehmer, J. Eccles. Prot.
III, 3, 37, 45 sqq.
J. J. Moſer Verſ. IV, 155. Deſſen Beitr. IV,
185. v. Martens Völkerr. Hptſt. VII. Klüber §. 215. 216. Schmel-
zing §. 355.
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[350/0374] Drittes Buch. §. 213. wenn ſie Grund zu dem Verdacht hätte, daß das Hotel zu einer feindlichen Unternehmung gegen ſie dienen ſolle. In dieſen einfachen Grenzen beſteht die ſogenannte Quartier- freiheit der Geſandten (la franchise de l’hôtel, jus franchisiae sive franchisiarum); wenn man ſie in älterer Zeit an einigen Or- ten auf das ganze Stadtquartier des Hotels ausgedehnt und dem- ſelben dadurch einen gewiſſen Character von Exterritorialität gege- ben hat, ſo beruht dies lediglich nur auf einzelnen Conceſſionen, die jedoch in neuerer Zeit meiſtens oder gänzlich zurückgenommen ſind. 1 Ebenſo unbefugt, ohne Vergünſtigung des auswärtigen Staates, iſt die Ertheilung von Schutzbriefen für einzelne Perſonen, welche ein Geſandter unter ſeine Aegide zu nehmen beabſichtigen könnte. 2 In Betreff dritter Staaten gilt das Obige (§. 204.); auch characteriſirte Geſandte können ſich hier nicht auf Unverletzbarkeit berufen, wie die a. a. O. bemerkten Beiſpiele darthun. b. Recht der eigenen Religionsübung. 213. Dieſelbe Unverletzbarkeit und Unabhängigkeit, welche einem Geſandten der fremden Staatsregierung gegenüber zuſteht, gewährt ihm auch das Recht einer eigenen freien Religionsübung, ſogar einer ſolchen, welche nach den auswärtigen Staatsgeſetzen verboten ſein ſollte. 3 Allerdings verſteht ſich jedoch dieſelbe nur innerhalb der Grenzen einer ſogenannten Hausandacht, mithin nur innerhalb des geſandtſchaftlichen Hotels, ohne alles öffentliche Gepränge, na- mentlich ohne Gebrauch von Glocken und Orgeln und ohne äu- ßerlich nach der Straße hin ſichtbare Zeichen einer beſonderen Cul- tuseinrichtung, z. B. ohne die Geſtalt von Kirchenfenſtern, wenn nicht in dieſer Hinſicht die auswärtige Staatsregierung eine beſon- dere Conceſſion macht. Im Uebrigen gehört es zu den ausge- machten Befugniſſen der Geſandten erſter und zweiter Claſſe ſowie auch der Miniſterreſidenten, eine eigene Capelle in ihrem Quartier 1 S. die Note 2. 3. der vorigen S. angeführten Schriften. 2 Moſer Verſuch IV, 320. 3 S. vorzüglich über dieſen Gegenſtand: J. H. Boehmer, J. Eccles. Prot. III, 3, 37, 45 sqq. J. J. Moſer Verſ. IV, 155. Deſſen Beitr. IV, 185. v. Martens Völkerr. Hptſt. VII. Klüber §. 215. 216. Schmel- zing §. 355.

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Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/374>, abgerufen am 26.04.2024.