Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844.

Bild:
<< vorherige Seite

Erstes Buch. §. 35.
gebung und richterliche Gewalt über die Individualrechte der Staats-
angehörigen, welche ihnen als Privatpersonen zustehen sollen, ist
nur ein Theil der Staatsgewalt, mithin in keiner anderen Lage als
jedes andere Hoheitsrecht.

Als leitende Grundsätze sind hierbei folgende an die Spitze zu
stellen:

I. Jeder Staat ist berechtigt, seinen Angehörigen die Regel ih-
res Verhaltens, so weit es nur der in ihm lebendige Be-
griff der persönlichen Freiheit gestattet, sowohl im Inlande wie
im Auslande mit Rechtsverbindlichkeit für sievorzu schreiben;
eben so dem Ausländer während seines Aufenthaltes im dies-
seitigen Staatsgebiet.
II. Jeder Staat ist berechtigt, denjenigen Rechtsverhältnissen,
welche in seinem Gebiet Wirkungen haben sollen, die Bedin-
gungen ihrer Giltigkeit vorzuzeichnen, insofern sie in ihm selbst
oder unter seinen Angehörigen im Auslande zur Entstehung
kommen; den außerhalb seines Bereichs entstandenen aber
entweder die Wirksamkeit hier zu entziehen, oder sie von be-
sonderen zusätzlichen Bedingungen abhängig zu machen. Aber
er kann keiner ihm fremden Person oder Sache, so lange sie
dieses ist, ein Gesetz vorschreiben.
III. Jeder Staat ist allein befugt, über die streitigen Rechtsver-
hältnisse, welche in seinem Gebiet, sei es gegen Sachen oder
Personen, in Anspruch genommen werden, allein zu entschei-
den und dabei die Regeln der Procedur vorzuzeichnen.
IV. Kein Staat ist an und für sich rechtlich verpflichtet, dem an-
deren die Ausübung der Rechtspflege zu erleichtern oder ihn
dabei zu unterstützen. Jedoch bringt hier das Interesse Al-
ler ein wechselseitiges Entgegenkommen und dadurch die Ent-
stehung von selbst allgemeinen Observanzen mit sich.

Alles Uebrige gehört den besonderen Zweigen der Rechtsverwal-
tung an. Vieles ist hierbei der Convenienz der Staaten überlassen,
oder es ist particuläres Herkommen mehrerer Staaten unter einan-
der geworden; jedoch darf die zufällige Uebereinstimmung vieler oder
der meisten bekannten Particularrechte von Einzelstaaten noch nicht

mestic. Boston 1841; und von Foelix, traite du droit international
prive. Par.
1843. Andere bloß auf das Civilrecht sich beschränkende Werke
s. nachher zu §. 37.

Erſtes Buch. §. 35.
gebung und richterliche Gewalt über die Individualrechte der Staats-
angehörigen, welche ihnen als Privatperſonen zuſtehen ſollen, iſt
nur ein Theil der Staatsgewalt, mithin in keiner anderen Lage als
jedes andere Hoheitsrecht.

Als leitende Grundſätze ſind hierbei folgende an die Spitze zu
ſtellen:

I. Jeder Staat iſt berechtigt, ſeinen Angehörigen die Regel ih-
res Verhaltens, ſo weit es nur der in ihm lebendige Be-
griff der perſönlichen Freiheit geſtattet, ſowohl im Inlande wie
im Auslande mit Rechtsverbindlichkeit für ſievorzu ſchreiben;
eben ſo dem Ausländer während ſeines Aufenthaltes im dies-
ſeitigen Staatsgebiet.
II. Jeder Staat iſt berechtigt, denjenigen Rechtsverhältniſſen,
welche in ſeinem Gebiet Wirkungen haben ſollen, die Bedin-
gungen ihrer Giltigkeit vorzuzeichnen, inſofern ſie in ihm ſelbſt
oder unter ſeinen Angehörigen im Auslande zur Entſtehung
kommen; den außerhalb ſeines Bereichs entſtandenen aber
entweder die Wirkſamkeit hier zu entziehen, oder ſie von be-
ſonderen zuſätzlichen Bedingungen abhängig zu machen. Aber
er kann keiner ihm fremden Perſon oder Sache, ſo lange ſie
dieſes iſt, ein Geſetz vorſchreiben.
III. Jeder Staat iſt allein befugt, über die ſtreitigen Rechtsver-
hältniſſe, welche in ſeinem Gebiet, ſei es gegen Sachen oder
Perſonen, in Anſpruch genommen werden, allein zu entſchei-
den und dabei die Regeln der Procedur vorzuzeichnen.
IV. Kein Staat iſt an und für ſich rechtlich verpflichtet, dem an-
deren die Ausübung der Rechtspflege zu erleichtern oder ihn
dabei zu unterſtützen. Jedoch bringt hier das Intereſſe Al-
ler ein wechſelſeitiges Entgegenkommen und dadurch die Ent-
ſtehung von ſelbſt allgemeinen Obſervanzen mit ſich.

Alles Uebrige gehört den beſonderen Zweigen der Rechtsverwal-
tung an. Vieles iſt hierbei der Convenienz der Staaten überlaſſen,
oder es iſt particuläres Herkommen mehrerer Staaten unter einan-
der geworden; jedoch darf die zufällige Uebereinſtimmung vieler oder
der meiſten bekannten Particularrechte von Einzelſtaaten noch nicht

mestic. Boston 1841; und von Foelix, traité du droit international
privé. Par.
1843. Andere bloß auf das Civilrecht ſich beſchränkende Werke
ſ. nachher zu §. 37.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0086" n="62"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Er&#x017F;tes Buch</hi>. §. 35.</fw><lb/>
gebung und richterliche Gewalt über die Individualrechte der Staats-<lb/>
angehörigen, welche ihnen als Privatper&#x017F;onen zu&#x017F;tehen &#x017F;ollen, i&#x017F;t<lb/>
nur ein Theil der Staatsgewalt, mithin in keiner anderen Lage als<lb/>
jedes andere Hoheitsrecht.</p><lb/>
                <p>Als leitende Grund&#x017F;ätze &#x017F;ind hierbei folgende an die Spitze zu<lb/>
&#x017F;tellen:</p><lb/>
                <list>
                  <item><hi rendition="#aq">I.</hi> Jeder Staat i&#x017F;t berechtigt, &#x017F;einen Angehörigen die Regel ih-<lb/>
res Verhaltens, &#x017F;o weit es nur der in ihm lebendige Be-<lb/>
griff der per&#x017F;önlichen Freiheit ge&#x017F;tattet, &#x017F;owohl im Inlande wie<lb/>
im Auslande mit Rechtsverbindlichkeit für &#x017F;ievorzu &#x017F;chreiben;<lb/>
eben &#x017F;o dem Ausländer während &#x017F;eines Aufenthaltes im dies-<lb/>
&#x017F;eitigen Staatsgebiet.</item><lb/>
                  <item><hi rendition="#aq">II.</hi> Jeder Staat i&#x017F;t berechtigt, denjenigen Rechtsverhältni&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
welche in &#x017F;einem Gebiet Wirkungen haben &#x017F;ollen, die Bedin-<lb/>
gungen ihrer Giltigkeit vorzuzeichnen, in&#x017F;ofern &#x017F;ie in ihm &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
oder unter &#x017F;einen Angehörigen im Auslande zur Ent&#x017F;tehung<lb/>
kommen; den außerhalb &#x017F;eines Bereichs ent&#x017F;tandenen aber<lb/>
entweder die Wirk&#x017F;amkeit hier zu entziehen, oder &#x017F;ie von be-<lb/>
&#x017F;onderen zu&#x017F;ätzlichen Bedingungen abhängig zu machen. Aber<lb/>
er kann keiner ihm fremden Per&#x017F;on oder Sache, &#x017F;o lange &#x017F;ie<lb/>
die&#x017F;es i&#x017F;t, ein Ge&#x017F;etz vor&#x017F;chreiben.</item><lb/>
                  <item><hi rendition="#aq">III.</hi> Jeder Staat i&#x017F;t allein befugt, über die &#x017F;treitigen Rechtsver-<lb/>
hältni&#x017F;&#x017F;e, welche in &#x017F;einem Gebiet, &#x017F;ei es gegen Sachen oder<lb/>
Per&#x017F;onen, in An&#x017F;pruch genommen werden, allein zu ent&#x017F;chei-<lb/>
den und dabei die Regeln der Procedur vorzuzeichnen.</item><lb/>
                  <item><hi rendition="#aq">IV.</hi> Kein Staat i&#x017F;t an und für &#x017F;ich rechtlich verpflichtet, dem an-<lb/>
deren die Ausübung der Rechtspflege zu erleichtern oder ihn<lb/>
dabei zu unter&#x017F;tützen. Jedoch bringt hier das Intere&#x017F;&#x017F;e Al-<lb/>
ler ein wech&#x017F;el&#x017F;eitiges Entgegenkommen und dadurch die Ent-<lb/>
&#x017F;tehung von &#x017F;elb&#x017F;t allgemeinen Ob&#x017F;ervanzen mit &#x017F;ich.</item>
                </list><lb/>
                <p>Alles Uebrige gehört den be&#x017F;onderen Zweigen der Rechtsverwal-<lb/>
tung an. Vieles i&#x017F;t hierbei der Convenienz der Staaten überla&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
oder es i&#x017F;t particuläres Herkommen mehrerer Staaten unter einan-<lb/>
der geworden; jedoch darf die zufällige Ueberein&#x017F;timmung vieler oder<lb/>
der mei&#x017F;ten bekannten Particularrechte von Einzel&#x017F;taaten noch nicht<lb/><note xml:id="note-0086" prev="#note-0085" place="foot" n="3"><hi rendition="#aq">mestic. Boston</hi> 1841; und von <hi rendition="#aq">Foelix, traité du droit international<lb/>
privé. Par.</hi> 1843. Andere bloß auf das Civilrecht &#x017F;ich be&#x017F;chränkende Werke<lb/>
&#x017F;. nachher zu §. 37.</note><lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[62/0086] Erſtes Buch. §. 35. gebung und richterliche Gewalt über die Individualrechte der Staats- angehörigen, welche ihnen als Privatperſonen zuſtehen ſollen, iſt nur ein Theil der Staatsgewalt, mithin in keiner anderen Lage als jedes andere Hoheitsrecht. Als leitende Grundſätze ſind hierbei folgende an die Spitze zu ſtellen: I. Jeder Staat iſt berechtigt, ſeinen Angehörigen die Regel ih- res Verhaltens, ſo weit es nur der in ihm lebendige Be- griff der perſönlichen Freiheit geſtattet, ſowohl im Inlande wie im Auslande mit Rechtsverbindlichkeit für ſievorzu ſchreiben; eben ſo dem Ausländer während ſeines Aufenthaltes im dies- ſeitigen Staatsgebiet. II. Jeder Staat iſt berechtigt, denjenigen Rechtsverhältniſſen, welche in ſeinem Gebiet Wirkungen haben ſollen, die Bedin- gungen ihrer Giltigkeit vorzuzeichnen, inſofern ſie in ihm ſelbſt oder unter ſeinen Angehörigen im Auslande zur Entſtehung kommen; den außerhalb ſeines Bereichs entſtandenen aber entweder die Wirkſamkeit hier zu entziehen, oder ſie von be- ſonderen zuſätzlichen Bedingungen abhängig zu machen. Aber er kann keiner ihm fremden Perſon oder Sache, ſo lange ſie dieſes iſt, ein Geſetz vorſchreiben. III. Jeder Staat iſt allein befugt, über die ſtreitigen Rechtsver- hältniſſe, welche in ſeinem Gebiet, ſei es gegen Sachen oder Perſonen, in Anſpruch genommen werden, allein zu entſchei- den und dabei die Regeln der Procedur vorzuzeichnen. IV. Kein Staat iſt an und für ſich rechtlich verpflichtet, dem an- deren die Ausübung der Rechtspflege zu erleichtern oder ihn dabei zu unterſtützen. Jedoch bringt hier das Intereſſe Al- ler ein wechſelſeitiges Entgegenkommen und dadurch die Ent- ſtehung von ſelbſt allgemeinen Obſervanzen mit ſich. Alles Uebrige gehört den beſonderen Zweigen der Rechtsverwal- tung an. Vieles iſt hierbei der Convenienz der Staaten überlaſſen, oder es iſt particuläres Herkommen mehrerer Staaten unter einan- der geworden; jedoch darf die zufällige Uebereinſtimmung vieler oder der meiſten bekannten Particularrechte von Einzelſtaaten noch nicht 3 3 mestic. Boston 1841; und von Foelix, traité du droit international privé. Par. 1843. Andere bloß auf das Civilrecht ſich beſchränkende Werke ſ. nachher zu §. 37.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/86
Zitationshilfe: Heffter, August Wilhelm: Das Europäische Völkerrecht der Gegenwart. Berlin, 1844, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heffter_voelkerrecht_1844/86>, abgerufen am 26.04.2024.