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Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807.

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mung des Gegenstandes als die seinige, somit sich in
ihm anschaut. -- Durch diese Thätigkeit ist die nie-
drigere Bestimmung zugleich verschwunden; denn
das Thun ist das negative, das sich auf Kosten eines
Andern ausführt; insofern sie auch noch vorkommt,
so ist sie in die Unwesentlichkeit zurückgetreten; so
wie dagegen, wo die niedrigere noch herrschend ist,
die höhere aber auch vorkommt, die eine selbstlos ne-
ben der andern Platz hat. Wenn daher die verschied-
nen Vorstellungen innerhalb einer einzelnen Religion
zwar die ganze Bewegung ihrer Formen darstellen, so
ist der Charakter einer jeden durch die besondre Ein-
heit des Bewusstseyns und des Selbstbewusstseyns be-
stimmt, das ist, dadurch dass das letztere die Bestim-
mung des Gegenstands des erstern in sich gefasst, sie
durch sein Thun sich vollkommen angeeignet und sie
als die wesentliche gegen die andern weiss. -- Die
Wahrheit des Glaubens an eine Bestimmung des reli-
giösen Geistes zeigt sich darin, dass der wirkliche Geist
so beschaffen ist, wie die Gestalt, in der er sich in der
Religion anschaut, -- wie z. B. die Menschwerdung
Gottes, die in der morgenländischen Religion vor-
kommt, keine Wahrheit hat, weil ihr wirklicher Geist
ohne diese Versöhnung ist. -- Hieher gehört es
nicht, von der Totalität der Bestimmungen zu der
einzelnen zurückzukehren, und zu zeigen, in welcher
Gestalt innerhalb ihrer und ihrer besondern Religion
die Vollständigkeit der übrigen enthalten ist. Die hö-
here Form unter eine niedrigere zurückgestellt ent-

mung des Gegenstandes als die seinige, somit sich in
ihm anschaut. — Durch diese Thätigkeit ist die nie-
drigere Bestimmung zugleich verschwunden; denn
das Thun ist das negative, das sich auf Kosten eines
Andern ausführt; insofern sie auch noch vorkommt,
so ist sie in die Unwesentlichkeit zurückgetreten; so
wie dagegen, wo die niedrigere noch herrschend ist,
die höhere aber auch vorkommt, die eine selbstlos ne-
ben der andern Platz hat. Wenn daher die verschied-
nen Vorstellungen innerhalb einer einzelnen Religion
zwar die ganze Bewegung ihrer Formen darstellen, so
iſt der Charakter einer jeden durch die besondre Ein-
heit des Bewuſstseyns und des Selbstbewuſstseyns be-
stimmt, das ist, dadurch daſs das letztere die Bestim-
mung des Gegenstands des erstern in sich gefaſst, sie
durch sein Thun sich vollkommen angeeignet und sie
als die wesentliche gegen die andern weiſs. — Die
Wahrheit des Glaubens an eine Bestimmung des reli-
giösen Geistes zeigt sich darin, daſs der wirkliche Geist
so beschaffen ist, wie die Gestalt, in der er sich in der
Religion anschaut, — wie z. B. die Menschwerdung
Gottes, die in der morgenländischen Religion vor-
kommt, keine Wahrheit hat, weil ihr wirklicher Geist
ohne diese Versöhnung ist. — Hieher gehört es
nicht, von der Totalität der Bestimmungen zu der
einzelnen zurückzukehren, und zu zeigen, in welcher
Gestalt innerhalb ihrer und ihrer besondern Religion
die Vollständigkeit der übrigen enthalten iſt. Die hö-
here Form unter eine niedrigere zurückgestellt ent-

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[639/0748] mung des Gegenstandes als die seinige, somit sich in ihm anschaut. — Durch diese Thätigkeit ist die nie- drigere Bestimmung zugleich verschwunden; denn das Thun ist das negative, das sich auf Kosten eines Andern ausführt; insofern sie auch noch vorkommt, so ist sie in die Unwesentlichkeit zurückgetreten; so wie dagegen, wo die niedrigere noch herrschend ist, die höhere aber auch vorkommt, die eine selbstlos ne- ben der andern Platz hat. Wenn daher die verschied- nen Vorstellungen innerhalb einer einzelnen Religion zwar die ganze Bewegung ihrer Formen darstellen, so iſt der Charakter einer jeden durch die besondre Ein- heit des Bewuſstseyns und des Selbstbewuſstseyns be- stimmt, das ist, dadurch daſs das letztere die Bestim- mung des Gegenstands des erstern in sich gefaſst, sie durch sein Thun sich vollkommen angeeignet und sie als die wesentliche gegen die andern weiſs. — Die Wahrheit des Glaubens an eine Bestimmung des reli- giösen Geistes zeigt sich darin, daſs der wirkliche Geist so beschaffen ist, wie die Gestalt, in der er sich in der Religion anschaut, — wie z. B. die Menschwerdung Gottes, die in der morgenländischen Religion vor- kommt, keine Wahrheit hat, weil ihr wirklicher Geist ohne diese Versöhnung ist. — Hieher gehört es nicht, von der Totalität der Bestimmungen zu der einzelnen zurückzukehren, und zu zeigen, in welcher Gestalt innerhalb ihrer und ihrer besondern Religion die Vollständigkeit der übrigen enthalten iſt. Die hö- here Form unter eine niedrigere zurückgestellt ent-

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Zitationshilfe: Hegel, Georg Wilhelm Friedrich: System der Wissenschaft. Erster Theil: Die Phänomenologie des Geistes. Bamberg u. a., 1807, S. 639. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hegel_phaenomenologie_1807/748>, abgerufen am 26.04.2024.