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Heine, Heinrich: Buch der Lieder. Hamburg, 1827.

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Dort jenes Grübchen wunderlieb
In wunderlieben Wangen,
Das ist die Grube, worein mich trieb
Wahnsinniges Verlangen.
Dort seh' ich ein schönes Lockenhaar
Vom schönsten Köpfchen hangen;
Das sind die Netze wunderbar,
Womit mich der Böse gefangen.
Und jenes blaue Auge dort,
So klar, wie stille Welle,
Das hielt ich für des Himmels Pfort',
Doch war's die Pforte der Hölle. --
Herr Ulrich reitet weiter im Wald,
Die Blätter rauschen schaurig.
Da sieht er von fern eine zweite Gestalt,
Die ist so bleich, so traurig.
Der Junker spricht: O Mutter dort,
Die mich so mütterlich liebte,
Der ich mit bösem Thun und Wort
Das Leben bitterlich trübte!
Dort jenes Grübchen wunderlieb
In wunderlieben Wangen,
Das iſt die Grube, worein mich trieb
Wahnſinniges Verlangen.
Dort ſeh' ich ein ſchönes Lockenhaar
Vom ſchönſten Köpfchen hangen;
Das ſind die Netze wunderbar,
Womit mich der Böſe gefangen.
Und jenes blaue Auge dort,
So klar, wie ſtille Welle,
Das hielt ich für des Himmels Pfort',
Doch war's die Pforte der Hölle. —
Herr Ulrich reitet weiter im Wald,
Die Blätter rauſchen ſchaurig.
Da ſieht er von fern eine zweite Geſtalt,
Die iſt ſo bleich, ſo traurig.
Der Junker ſpricht: O Mutter dort,
Die mich ſo mütterlich liebte,
Der ich mit böſem Thun und Wort
Das Leben bitterlich trübte!
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[80/0088] Dort jenes Grübchen wunderlieb In wunderlieben Wangen, Das iſt die Grube, worein mich trieb Wahnſinniges Verlangen. Dort ſeh' ich ein ſchönes Lockenhaar Vom ſchönſten Köpfchen hangen; Das ſind die Netze wunderbar, Womit mich der Böſe gefangen. Und jenes blaue Auge dort, So klar, wie ſtille Welle, Das hielt ich für des Himmels Pfort', Doch war's die Pforte der Hölle. — Herr Ulrich reitet weiter im Wald, Die Blätter rauſchen ſchaurig. Da ſieht er von fern eine zweite Geſtalt, Die iſt ſo bleich, ſo traurig. Der Junker ſpricht: O Mutter dort, Die mich ſo mütterlich liebte, Der ich mit böſem Thun und Wort Das Leben bitterlich trübte!

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Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Buch der Lieder. Hamburg, 1827, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_lieder_1827/88>, abgerufen am 26.04.2024.