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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824.

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nen. Nur ist ein sehr grosser Unterschied zwischen dem,
was am meisten auffällt, und dem, was die tiefsten Un-
tersuchungen fordert; so wie zwischen dem, was am wei-
testen hergehohlt wird, und dem, was die reichsten, oder
die ersten und nöthigsten Aufschlüsse darbietet.

§. 6.

Es kann von Nutzen seyn, wenn der Leser die vor-
hin gewiesenen Wege, wie wir zur Kenntniss der inne-
ren Thatsachen gelangen, weiter verfolgen will; beson-
ders um sich Rechenschaft davon zu geben, wie der Vor-
rath psychologischer Kenntnisse, den man schon zu be-
sitzen
glaubt, aus absichtlicher oder unabsichtlicher
Selbst-Auffassung, aus Deutung der vorgefundenen Pro-
ducte eigner Thätigkeit, aus Zeugnissen und aus Beob-
achtung Anderer, allmählig sich zusammengesetzt habe.
Diese Ueberlegung soll nicht auf einen Lehrsatz hinfüh-
ren; aber sie soll heraushelfen aus dem Glauben an die
Abstractionen der Schulen; sie soll das unmittelbare Be-
wusstseyn dessen zurückführen, was den Erklärungen von
Sinnlichkeit und Verstand, von Begehrungsvermögen und
Gefühlvermögen, und wie diese Gedankendinge weiter
heissen, eigentlich an ächter Erfahrung zum Grunde liegt.

Gesetzt nun, der Vorrath der psychologischen That-
sachen sey beysammen: welche Art von Regelmässig-
keit
lässt sich im Allgemeinen an ihnen erkennen oder
doch vermuthen? Dies ist die erste Frage der specu-
lativen
Psychologie.


II.
Von einer allgemeinen Eigenschaft alles dessen,
was innerlich wahrgenommen wird.
§. 7.

Erinnert man sich der Veränderlichkeit des Schau-
spiels, was die absichtliche Selbstbeobachtung antrifft,

I. B

nen. Nur ist ein sehr groſser Unterschied zwischen dem,
was am meisten auffällt, und dem, was die tiefsten Un-
tersuchungen fordert; so wie zwischen dem, was am wei-
testen hergehohlt wird, und dem, was die reichsten, oder
die ersten und nöthigsten Aufschlüsse darbietet.

§. 6.

Es kann von Nutzen seyn, wenn der Leser die vor-
hin gewiesenen Wege, wie wir zur Kenntniſs der inne-
ren Thatsachen gelangen, weiter verfolgen will; beson-
ders um sich Rechenschaft davon zu geben, wie der Vor-
rath psychologischer Kenntnisse, den man schon zu be-
sitzen
glaubt, aus absichtlicher oder unabsichtlicher
Selbst-Auffassung, aus Deutung der vorgefundenen Pro-
ducte eigner Thätigkeit, aus Zeugnissen und aus Beob-
achtung Anderer, allmählig sich zusammengesetzt habe.
Diese Ueberlegung soll nicht auf einen Lehrsatz hinfüh-
ren; aber sie soll heraushelfen aus dem Glauben an die
Abstractionen der Schulen; sie soll das unmittelbare Be-
wuſstseyn dessen zurückführen, was den Erklärungen von
Sinnlichkeit und Verstand, von Begehrungsvermögen und
Gefühlvermögen, und wie diese Gedankendinge weiter
heiſsen, eigentlich an ächter Erfahrung zum Grunde liegt.

Gesetzt nun, der Vorrath der psychologischen That-
sachen sey beysammen: welche Art von Regelmäſsig-
keit
läſst sich im Allgemeinen an ihnen erkennen oder
doch vermuthen? Dies ist die erste Frage der specu-
lativen
Psychologie.


II.
Von einer allgemeinen Eigenschaft alles dessen,
was innerlich wahrgenommen wird.
§. 7.

Erinnert man sich der Veränderlichkeit des Schau-
spiels, was die absichtliche Selbstbeobachtung antrifft,

I. B
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[17/0037] nen. Nur ist ein sehr groſser Unterschied zwischen dem, was am meisten auffällt, und dem, was die tiefsten Un- tersuchungen fordert; so wie zwischen dem, was am wei- testen hergehohlt wird, und dem, was die reichsten, oder die ersten und nöthigsten Aufschlüsse darbietet. §. 6. Es kann von Nutzen seyn, wenn der Leser die vor- hin gewiesenen Wege, wie wir zur Kenntniſs der inne- ren Thatsachen gelangen, weiter verfolgen will; beson- ders um sich Rechenschaft davon zu geben, wie der Vor- rath psychologischer Kenntnisse, den man schon zu be- sitzen glaubt, aus absichtlicher oder unabsichtlicher Selbst-Auffassung, aus Deutung der vorgefundenen Pro- ducte eigner Thätigkeit, aus Zeugnissen und aus Beob- achtung Anderer, allmählig sich zusammengesetzt habe. Diese Ueberlegung soll nicht auf einen Lehrsatz hinfüh- ren; aber sie soll heraushelfen aus dem Glauben an die Abstractionen der Schulen; sie soll das unmittelbare Be- wuſstseyn dessen zurückführen, was den Erklärungen von Sinnlichkeit und Verstand, von Begehrungsvermögen und Gefühlvermögen, und wie diese Gedankendinge weiter heiſsen, eigentlich an ächter Erfahrung zum Grunde liegt. Gesetzt nun, der Vorrath der psychologischen That- sachen sey beysammen: welche Art von Regelmäſsig- keit läſst sich im Allgemeinen an ihnen erkennen oder doch vermuthen? Dies ist die erste Frage der specu- lativen Psychologie. II. Von einer allgemeinen Eigenschaft alles dessen, was innerlich wahrgenommen wird. §. 7. Erinnert man sich der Veränderlichkeit des Schau- spiels, was die absichtliche Selbstbeobachtung antrifft, I. B

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie01_1824/37>, abgerufen am 19.03.2024.