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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825.

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Dritter Abschnitt.
Von den äusseren Verhältnissen des
Geistes.

Erstes Capitel.
Von der Verbindung zwischen Leib und Seele.
§. 153.

Es ist ausführlich nachgewiesen worden, dass die Be-
trachtung unseres eigenen Selbst uns unvermeidlich in
Widersprüche verwickelt, wofern wir uns unmittelbar
durch den Begriff des Ich auffassen wollen, -- gleich als
ob die Ichheit die Basis unseres ganzen Wesens wäre.
Diese Ichheit muss an etwas angelehnt werden. Und
der Träger, welcher dem Angelehnten zum Stützpuncte
dienen soll, heisst hier, wie überall, Substanz. Aber er
heisst hier insbesondre Seele; weil nach allgemein me-
taphysischen Principien zuvörderst eine Substanz keiner
andern Modificationen fähig ist, als der Selbsterhaltungen
gegen Störungen durch andre Wesen, (wodurch so-
gleich die pantheistische Ansicht ausgeschlossen ist);
und weil im gegenwärtigen Falle diese Selbsterhaltungen
Vorstellungen seyn müssen, in solcher Beschaffenheit
und Verbindung, dass daraus das Selbstbewusstseyn oder
die Ichheit hervorgehe.

Wie werden wir nun mit dieser Seele den Leib in
Verbindung setzen? Kann er nicht vielleicht eine blosse


Dritter Abschnitt.
Von den äuſseren Verhältnissen des
Geistes.

Erstes Capitel.
Von der Verbindung zwischen Leib und Seele.
§. 153.

Es ist ausführlich nachgewiesen worden, daſs die Be-
trachtung unseres eigenen Selbst uns unvermeidlich in
Widersprüche verwickelt, wofern wir uns unmittelbar
durch den Begriff des Ich auffassen wollen, — gleich als
ob die Ichheit die Basis unseres ganzen Wesens wäre.
Diese Ichheit muſs an etwas angelehnt werden. Und
der Träger, welcher dem Angelehnten zum Stützpuncte
dienen soll, heiſst hier, wie überall, Substanz. Aber er
heiſst hier insbesondre Seele; weil nach allgemein me-
taphysischen Principien zuvörderst eine Substanz keiner
andern Modificationen fähig ist, als der Selbsterhaltungen
gegen Störungen durch andre Wesen, (wodurch so-
gleich die pantheistische Ansicht ausgeschlossen ist);
und weil im gegenwärtigen Falle diese Selbsterhaltungen
Vorstellungen seyn müssen, in solcher Beschaffenheit
und Verbindung, daſs daraus das Selbstbewuſstseyn oder
die Ichheit hervorgehe.

Wie werden wir nun mit dieser Seele den Leib in
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[[453]/0488] Dritter Abschnitt. Von den äuſseren Verhältnissen des Geistes. Erstes Capitel. Von der Verbindung zwischen Leib und Seele. §. 153. Es ist ausführlich nachgewiesen worden, daſs die Be- trachtung unseres eigenen Selbst uns unvermeidlich in Widersprüche verwickelt, wofern wir uns unmittelbar durch den Begriff des Ich auffassen wollen, — gleich als ob die Ichheit die Basis unseres ganzen Wesens wäre. Diese Ichheit muſs an etwas angelehnt werden. Und der Träger, welcher dem Angelehnten zum Stützpuncte dienen soll, heiſst hier, wie überall, Substanz. Aber er heiſst hier insbesondre Seele; weil nach allgemein me- taphysischen Principien zuvörderst eine Substanz keiner andern Modificationen fähig ist, als der Selbsterhaltungen gegen Störungen durch andre Wesen, (wodurch so- gleich die pantheistische Ansicht ausgeschlossen ist); und weil im gegenwärtigen Falle diese Selbsterhaltungen Vorstellungen seyn müssen, in solcher Beschaffenheit und Verbindung, daſs daraus das Selbstbewuſstseyn oder die Ichheit hervorgehe. Wie werden wir nun mit dieser Seele den Leib in Verbindung setzen? Kann er nicht vielleicht eine bloſse

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. [453]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/488>, abgerufen am 27.04.2024.