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Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 2. Riga, 1793.

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24.

Ich fürchte, Ihr armer Prometheus wird
lange noch die Fesseln tragen, die ihm Ge-
walt und Stärke anlegten. Um indessen
nicht alte Zweifel zu wiederholen, lege ich
Ihnen nur noch Eine, aber eine Hauptfra-
ge vor:

"Wäre die ganze Idee einer fortgehen-
den, oder fortschreitenden Vervollkommung
des Menschengeschlechts nicht ein bloßer
Traum?" Prometheus wußte seinen armen
Kranken kein anderes Heilmittel zu geben,
als die täuschende, blinde Hoffnung.

"Welche andre Gattung der Geschöpfe
läßt sich vervollkommen? Und für wen?

24.

Ich fuͤrchte, Ihr armer Prometheus wird
lange noch die Feſſeln tragen, die ihm Ge-
walt und Staͤrke anlegten. Um indeſſen
nicht alte Zweifel zu wiederholen, lege ich
Ihnen nur noch Eine, aber eine Hauptfra-
ge vor:

„Waͤre die ganze Idee einer fortgehen-
den, oder fortſchreitenden Vervollkommung
des Menſchengeſchlechts nicht ein bloßer
Traum?“ Prometheus wußte ſeinen armen
Kranken kein anderes Heilmittel zu geben,
als die taͤuſchende, blinde Hoffnung.

„Welche andre Gattung der Geſchoͤpfe
laͤßt ſich vervollkommen? Und fuͤr wen?

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[100/0105] 24. Ich fuͤrchte, Ihr armer Prometheus wird lange noch die Feſſeln tragen, die ihm Ge- walt und Staͤrke anlegten. Um indeſſen nicht alte Zweifel zu wiederholen, lege ich Ihnen nur noch Eine, aber eine Hauptfra- ge vor: „Waͤre die ganze Idee einer fortgehen- den, oder fortſchreitenden Vervollkommung des Menſchengeſchlechts nicht ein bloßer Traum?“ Prometheus wußte ſeinen armen Kranken kein anderes Heilmittel zu geben, als die taͤuſchende, blinde Hoffnung. „Welche andre Gattung der Geſchoͤpfe laͤßt ſich vervollkommen? Und fuͤr wen?

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Zitationshilfe: Herder, Johann Gottfried von: Briefe zu Beförderung der Humanität. Bd. 2. Riga, 1793, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_humanitaet02_1793/105>, abgerufen am 26.04.2024.