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[Herder, Johann Gottfried von]: Kritische Wälder. Bd. 1. [Riga], 1769.

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Erstes Wäldchen.
nur ein Nebenbegriff bleiben, aus dem Wenig oder
Nichts gefolgert werden kann. -- Meine ganze
Schlußkette fängt von dem doppelten Grunde an:
daß das Successive in den Tönen der Poesie kein
Haupt- kein natürliches Mittel ihrer Wirkung
sey; sondern die Kraft, die diesen Tönen willkühr-
lich anhängt, und nach andern Gesetzen, als der
Succession der Töne, auf die Seele wirkt. Zwei-
tens: daß das Successive der Töne ja nicht der
Poesie allein, vielmehr jeder Rede zukommt,
und also wenig in ihrem innern Wesen bestimmen
oder unterscheiden könne. Wenn nun Hr. L. Suc-
cession in seinem Buche zum Hauptgrunde des
Unterschiedes zwischen Poesie und Malerei macht;
ist da wohl die richtigste Gränzscheidung zu er-
warten? --

17.

Um auf einen fruchtbarern Weg zu kommen,
als dieser trockne Nebenbegriff gewähret, macht Hr.
L. einen Sprung, den ich ihm nicht nachthue. "Die
"Poesie schildert durch successive Töne; folglich
"schildert sie auch Successionen a), folglich hat sie
"auch Successionen, und eigentlich nichts als Suc-
"cessionen zum Gegenstande. Successionen sind
"Handlungen: folglich" -- und folglich hat Hr. L.

was
a) p. 152. 154.
O

Erſtes Waͤldchen.
nur ein Nebenbegriff bleiben, aus dem Wenig oder
Nichts gefolgert werden kann. — Meine ganze
Schlußkette faͤngt von dem doppelten Grunde an:
daß das Succeſſive in den Toͤnen der Poeſie kein
Haupt- kein natuͤrliches Mittel ihrer Wirkung
ſey; ſondern die Kraft, die dieſen Toͤnen willkuͤhr-
lich anhaͤngt, und nach andern Geſetzen, als der
Succeſſion der Toͤne, auf die Seele wirkt. Zwei-
tens: daß das Succeſſive der Toͤne ja nicht der
Poeſie allein, vielmehr jeder Rede zukommt,
und alſo wenig in ihrem innern Weſen beſtimmen
oder unterſcheiden koͤnne. Wenn nun Hr. L. Suc-
ceſſion in ſeinem Buche zum Hauptgrunde des
Unterſchiedes zwiſchen Poeſie und Malerei macht;
iſt da wohl die richtigſte Graͤnzſcheidung zu er-
warten? —

17.

Um auf einen fruchtbarern Weg zu kommen,
als dieſer trockne Nebenbegriff gewaͤhret, macht Hr.
L. einen Sprung, den ich ihm nicht nachthue. „Die
„Poeſie ſchildert durch ſucceſſive Toͤne; folglich
„ſchildert ſie auch Succeſſionen a), folglich hat ſie
„auch Succeſſionen, und eigentlich nichts als Suc-
„ceſſionen zum Gegenſtande. Succeſſionen ſind
„Handlungen: folglich„ — und folglich hat Hr. L.

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a) p. 152. 154.
O
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[209/0215] Erſtes Waͤldchen. nur ein Nebenbegriff bleiben, aus dem Wenig oder Nichts gefolgert werden kann. — Meine ganze Schlußkette faͤngt von dem doppelten Grunde an: daß das Succeſſive in den Toͤnen der Poeſie kein Haupt- kein natuͤrliches Mittel ihrer Wirkung ſey; ſondern die Kraft, die dieſen Toͤnen willkuͤhr- lich anhaͤngt, und nach andern Geſetzen, als der Succeſſion der Toͤne, auf die Seele wirkt. Zwei- tens: daß das Succeſſive der Toͤne ja nicht der Poeſie allein, vielmehr jeder Rede zukommt, und alſo wenig in ihrem innern Weſen beſtimmen oder unterſcheiden koͤnne. Wenn nun Hr. L. Suc- ceſſion in ſeinem Buche zum Hauptgrunde des Unterſchiedes zwiſchen Poeſie und Malerei macht; iſt da wohl die richtigſte Graͤnzſcheidung zu er- warten? — 17. Um auf einen fruchtbarern Weg zu kommen, als dieſer trockne Nebenbegriff gewaͤhret, macht Hr. L. einen Sprung, den ich ihm nicht nachthue. „Die „Poeſie ſchildert durch ſucceſſive Toͤne; folglich „ſchildert ſie auch Succeſſionen a), folglich hat ſie „auch Succeſſionen, und eigentlich nichts als Suc- „ceſſionen zum Gegenſtande. Succeſſionen ſind „Handlungen: folglich„ — und folglich hat Hr. L. was a) p. 152. 154. O

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Zitationshilfe: [Herder, Johann Gottfried von]: Kritische Wälder. Bd. 1. [Riga], 1769, S. 209. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_kritische01_1769/215>, abgerufen am 26.04.2024.