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[Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774.

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Jahrhundert darinn gestiegen! mit welchen son-
derbar leichten Mitteln auf die Höhe kommen!
wie stark hats sie befestigt und für die Nach-
kommenschaft gesichert! -- ich glaube Bemer-
kungen
darüber gegeben zu haben, statt der
übertriebenen Lobesdeklamation, die man in
allen, zumal französischen Modebüchern findet. --

Wahrlich ein grosses Jahrhundert als Mit-
tel
und Zweck: ohne Zweifel der höchste
Gipfel
des Baums in Betracht aller vorigen,
auf denen wir stehen! Wie haben wir uns
so vielen Saft aus Wurzel, Stamm und Ae-
sten zu Nutz gemacht, als unsre dünnen Gip-
felzweige nur fassen können! stehen hoch

über Morgenländer, Griechen, Römer, zu-
mal über den mittlern gothischen Barbarn!
hoch sehen wir also über die Erde! Gewis-
sermasse alle Völker und Welttheile unter un-
serm Schatten, und wenn ein Sturm zwey
kleine Zweige in Europa schüttelt, wie bebt
und blutet die ganze Welt! Wenn ist je die
ganze Erde an so wenig vereinigten Fäden
so
allgemein zusammen gegangen, als jetzt?
Wenn hat man mehr Macht und Maschi-
nen
gehabt, mit einem Druck, mit einem
Fingerregen ganze Nationen zu erschüttern?

Alles



Jahrhundert darinn geſtiegen! mit welchen ſon-
derbar leichten Mitteln auf die Hoͤhe kommen!
wie ſtark hats ſie befeſtigt und fuͤr die Nach-
kommenſchaft geſichert! — ich glaube Bemer-
kungen
daruͤber gegeben zu haben, ſtatt der
uͤbertriebenen Lobesdeklamation, die man in
allen, zumal franzoͤſiſchen Modebuͤchern findet. —

Wahrlich ein groſſes Jahrhundert als Mit-
tel
und Zweck: ohne Zweifel der hoͤchſte
Gipfel
des Baums in Betracht aller vorigen,
auf denen wir ſtehen! Wie haben wir uns
ſo vielen Saft aus Wurzel, Stamm und Ae-
ſten zu Nutz gemacht, als unſre duͤnnen Gip-
felzweige nur faſſen koͤnnen! ſtehen hoch

uͤber Morgenlaͤnder, Griechen, Roͤmer, zu-
mal uͤber den mittlern gothiſchen Barbarn!
hoch ſehen wir alſo uͤber die Erde! Gewiſ-
ſermaſſe alle Voͤlker und Welttheile unter un-
ſerm Schatten, und wenn ein Sturm zwey
kleine Zweige in Europa ſchuͤttelt, wie bebt
und blutet die ganze Welt! Wenn iſt je die
ganze Erde an ſo wenig vereinigten Faͤden
ſo
allgemein zuſammen gegangen, als jetzt?
Wenn hat man mehr Macht und Maſchi-
nen
gehabt, mit einem Druck, mit einem
Fingerregen ganze Nationen zu erſchuͤttern?

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[118/0122] Jahrhundert darinn geſtiegen! mit welchen ſon- derbar leichten Mitteln auf die Hoͤhe kommen! wie ſtark hats ſie befeſtigt und fuͤr die Nach- kommenſchaft geſichert! — ich glaube Bemer- kungen daruͤber gegeben zu haben, ſtatt der uͤbertriebenen Lobesdeklamation, die man in allen, zumal franzoͤſiſchen Modebuͤchern findet. — Wahrlich ein groſſes Jahrhundert als Mit- tel und Zweck: ohne Zweifel der hoͤchſte Gipfel des Baums in Betracht aller vorigen, auf denen wir ſtehen! Wie haben wir uns ſo vielen Saft aus Wurzel, Stamm und Ae- ſten zu Nutz gemacht, als unſre duͤnnen Gip- felzweige nur faſſen koͤnnen! ſtehen hoch uͤber Morgenlaͤnder, Griechen, Roͤmer, zu- mal uͤber den mittlern gothiſchen Barbarn! hoch ſehen wir alſo uͤber die Erde! Gewiſ- ſermaſſe alle Voͤlker und Welttheile unter un- ſerm Schatten, und wenn ein Sturm zwey kleine Zweige in Europa ſchuͤttelt, wie bebt und blutet die ganze Welt! Wenn iſt je die ganze Erde an ſo wenig vereinigten Faͤden ſo allgemein zuſammen gegangen, als jetzt? Wenn hat man mehr Macht und Maſchi- nen gehabt, mit einem Druck, mit einem Fingerregen ganze Nationen zu erſchuͤttern? Alles

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Zitationshilfe: [Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_philosophie_1774/122>, abgerufen am 26.04.2024.