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[Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774.

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seines Bewohners? Jenes nur Dekoration!
Gemälde in einem Auftritte, Ansicht! Dieß
ein "unendliches Drama von Scenen! Epo-
"pee Gottes durch alle Jahrtausende Welt-
"theile und Menschengeschlechte, tausendge-
"staltige Fabel
voll eines grossen Sinns! --

Daß dieser Sinn, dieser Allanblick wenig-
stens ausser dem Menschengeschlechte liegen
müsse -- Jnsekt einer Erdscholle, siehe wieder
auf Himmel und Erde! findest du im ganzen
todt und lebendig, auf einmal webenden Welt-
all dich den ausschließenden Mittelpunkt, auf
den alles würke? oder würkest du nicht selbst
mit wo? wie? und wenn? (Wer hat dich
darum gefragt?) zu höhern dir unbekannten
Zwecken! zu Zwecken, zu denen der Morgen-
stern und die kleine Wolke, neben ihm du und
der Wurm mitwürkt, den du jetzt zertrittst!
das nun in der grossen, allweiten Zusammen-
welt
eines Augenblicks unleugbar und uner-
forschlich: in der grossen, allweiten Folgewelt,
in allen Begebenheiten und Fortwickelungen
des Menschengeschlechts, in dem Drama, voll
Weisheit und Knote des Erfinders, kannst du
da etwas minder und anders vermuthen?
Und wenn dir das Ganze ein Labyrinth wäre,

mit



ſeines Bewohners? Jenes nur Dekoration!
Gemaͤlde in einem Auftritte, Anſicht! Dieß
ein „unendliches Drama von Scenen! Epo-
pee Gottes durch alle Jahrtauſende Welt-
theile und Menſchengeſchlechte, tauſendge-
„ſtaltige Fabel
voll eines groſſen Sinns!

Daß dieſer Sinn, dieſer Allanblick wenig-
ſtens auſſer dem Menſchengeſchlechte liegen
muͤſſe — Jnſekt einer Erdſcholle, ſiehe wieder
auf Himmel und Erde! findeſt du im ganzen
todt und lebendig, auf einmal webenden Welt-
all dich den ausſchließenden Mittelpunkt, auf
den alles wuͤrke? oder wuͤrkeſt du nicht ſelbſt
mit wo? wie? und wenn? (Wer hat dich
darum gefragt?) zu hoͤhern dir unbekannten
Zwecken! zu Zwecken, zu denen der Morgen-
ſtern und die kleine Wolke, neben ihm du und
der Wurm mitwuͤrkt, den du jetzt zertrittſt!
das nun in der groſſen, allweiten Zuſammen-
welt
eines Augenblicks unleugbar und uner-
forſchlich: in der groſſen, allweiten Folgewelt,
in allen Begebenheiten und Fortwickelungen
des Menſchengeſchlechts, in dem Drama, voll
Weisheit und Knote des Erfinders, kannſt du
da etwas minder und anders vermuthen?
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[143/0147] ſeines Bewohners? Jenes nur Dekoration! Gemaͤlde in einem Auftritte, Anſicht! Dieß ein „unendliches Drama von Scenen! Epo- „pee Gottes durch alle Jahrtauſende Welt- „theile und Menſchengeſchlechte, tauſendge- „ſtaltige Fabel voll eines groſſen Sinns! — Daß dieſer Sinn, dieſer Allanblick wenig- ſtens auſſer dem Menſchengeſchlechte liegen muͤſſe — Jnſekt einer Erdſcholle, ſiehe wieder auf Himmel und Erde! findeſt du im ganzen todt und lebendig, auf einmal webenden Welt- all dich den ausſchließenden Mittelpunkt, auf den alles wuͤrke? oder wuͤrkeſt du nicht ſelbſt mit wo? wie? und wenn? (Wer hat dich darum gefragt?) zu hoͤhern dir unbekannten Zwecken! zu Zwecken, zu denen der Morgen- ſtern und die kleine Wolke, neben ihm du und der Wurm mitwuͤrkt, den du jetzt zertrittſt! das nun in der groſſen, allweiten Zuſammen- welt eines Augenblicks unleugbar und uner- forſchlich: in der groſſen, allweiten Folgewelt, in allen Begebenheiten und Fortwickelungen des Menſchengeſchlechts, in dem Drama, voll Weisheit und Knote des Erfinders, kannſt du da etwas minder und anders vermuthen? Und wenn dir das Ganze ein Labyrinth waͤre, mit

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Zitationshilfe: [Herder, Johann Gottfried von]: Auch eine Philosophie der Geschichte zur Bildung der Menschheit. [Riga], 1774, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herder_philosophie_1774/147>, abgerufen am 26.04.2024.