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Hering, Ewald: Zur Lehre vom Lichtsinne. Zweiter, unveränderter Abdruck. Wien, 1878.

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Sechste Mittheilung.
Grundzüge einer Theorie des Farbensinnes.

(Vorgelegt in der Sitzung am 15. Mai 1874.)

§. 38.
Das natürliche System der Farbenempfindungen.

Der Grundsatz, daß die Mannichfaltigkeit der Licht- und
Farbenempfindungen zunächst nur auf Grund ihrer inneren Ver-
wandtschaft zu ordnen sei, führte (vergl. meine IV. Mittheil.)
zur Einordnung aller farblosen Gesichtsempfindungen in eine
Reihe, welche ich nach ihren beiden Endgliedern als die schwarz-
weiße bezeichnet habe. In analoger Weise lassen sich nun auch
die farbigen Empfindungen in Reihen ordnen. Wir wir nämlich
im Grau, trotz seiner besonderen Qualität, doch eine offenbare
nahe Verwandtschaft zum Schwarz und Weiß bemerken und
gleichsam beide zugleich darin sehen, so sehen wir auch z. B.
im Violett Roth und Blau zugleich, nur keines voll entwickelt,
was sich auch dadurch verräth, daß wir es unbedenklich als
Blauroth oder Rothblau bezeichnen.

Alle Farben nun, welche zugleich Roth und Blau, wenn
auch in den verschiedensten Verhältnissen, zu enthalten scheinen,
lassen sich in eine Reihe ordnen, deren beide Endglieder einer-
seits das reinste Roth, anderseits das reinste Blau sind. Ana-
loges gilt von allen blaugrünen, gelbrothen und gelbgrünen
Farben.

Denken wir uns eine Farbenreihe, welche in stetiger Folge
erstens alle Übergänge vom Gelb zum Grün und weiterhin vom
Grün zum Blau enthält und also dem zwischen Gelb und Blau
gelegenen Theile des Spectrums entspricht, so haben alle Glie-
der dieser Reihe mit Ausnahme der Endglieder (Gelb und Blau)
etwas Gemeinsames darin, daß sie sämmtlich Grün enthalten.

Sechste Mittheilung.
Grundzüge einer Theorie des Farbensinnes.

(Vorgelegt in der Sitzung am 15. Mai 1874.)

§. 38.
Das natürliche System der Farbenempfindungen.

Der Grundsatz, daß die Mannichfaltigkeit der Licht- und
Farbenempfindungen zunächst nur auf Grund ihrer inneren Ver-
wandtschaft zu ordnen sei, führte (vergl. meine IV. Mittheil.)
zur Einordnung aller farblosen Gesichtsempfindungen in eine
Reihe, welche ich nach ihren beiden Endgliedern als die schwarz-
weiße bezeichnet habe. In analoger Weise lassen sich nun auch
die farbigen Empfindungen in Reihen ordnen. Wir wir nämlich
im Grau, trotz seiner besonderen Qualität, doch eine offenbare
nahe Verwandtschaft zum Schwarz und Weiß bemerken und
gleichsam beide zugleich darin sehen, so sehen wir auch z. B.
im Violett Roth und Blau zugleich, nur keines voll entwickelt,
was sich auch dadurch verräth, daß wir es unbedenklich als
Blauroth oder Rothblau bezeichnen.

Alle Farben nun, welche zugleich Roth und Blau, wenn
auch in den verschiedensten Verhältnissen, zu enthalten scheinen,
lassen sich in eine Reihe ordnen, deren beide Endglieder einer-
seits das reinste Roth, anderseits das reinste Blau sind. Ana-
loges gilt von allen blaugrünen, gelbrothen und gelbgrünen
Farben.

Denken wir uns eine Farbenreihe, welche in stetiger Folge
erstens alle Übergänge vom Gelb zum Grün und weiterhin vom
Grün zum Blau enthält und also dem zwischen Gelb und Blau
gelegenen Theile des Spectrums entspricht, so haben alle Glie-
der dieser Reihe mit Ausnahme der Endglieder (Gelb und Blau)
etwas Gemeinsames darin, daß sie sämmtlich Grün enthalten.

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[[107]/0115] Sechste Mittheilung. Grundzüge einer Theorie des Farbensinnes. (Vorgelegt in der Sitzung am 15. Mai 1874.) §. 38. Das natürliche System der Farbenempfindungen. Der Grundsatz, daß die Mannichfaltigkeit der Licht- und Farbenempfindungen zunächst nur auf Grund ihrer inneren Ver- wandtschaft zu ordnen sei, führte (vergl. meine IV. Mittheil.) zur Einordnung aller farblosen Gesichtsempfindungen in eine Reihe, welche ich nach ihren beiden Endgliedern als die schwarz- weiße bezeichnet habe. In analoger Weise lassen sich nun auch die farbigen Empfindungen in Reihen ordnen. Wir wir nämlich im Grau, trotz seiner besonderen Qualität, doch eine offenbare nahe Verwandtschaft zum Schwarz und Weiß bemerken und gleichsam beide zugleich darin sehen, so sehen wir auch z. B. im Violett Roth und Blau zugleich, nur keines voll entwickelt, was sich auch dadurch verräth, daß wir es unbedenklich als Blauroth oder Rothblau bezeichnen. Alle Farben nun, welche zugleich Roth und Blau, wenn auch in den verschiedensten Verhältnissen, zu enthalten scheinen, lassen sich in eine Reihe ordnen, deren beide Endglieder einer- seits das reinste Roth, anderseits das reinste Blau sind. Ana- loges gilt von allen blaugrünen, gelbrothen und gelbgrünen Farben. Denken wir uns eine Farbenreihe, welche in stetiger Folge erstens alle Übergänge vom Gelb zum Grün und weiterhin vom Grün zum Blau enthält und also dem zwischen Gelb und Blau gelegenen Theile des Spectrums entspricht, so haben alle Glie- der dieser Reihe mit Ausnahme der Endglieder (Gelb und Blau) etwas Gemeinsames darin, daß sie sämmtlich Grün enthalten.

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Zitationshilfe: Hering, Ewald: Zur Lehre vom Lichtsinne. Zweiter, unveränderter Abdruck. Wien, 1878, S. [107]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hering_lichtsinn_1878/115>, abgerufen am 19.03.2024.