Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hering, Ewald: Zur Lehre vom Lichtsinne. Zweiter, unveränderter Abdruck. Wien, 1878.

Bild:
<< vorherige Seite

der Empfindung in der Umgebung des Hellen läßt sich nämlich
ebensowohl ableiten aus einer unter dem indirecten Einflusse des
Lichtreizes eingetretenen Minderung der Dissimilirung als aus
einer Steigerung der Assimilirung (von den denkbaren Combina-
tionen beider Wirkungen ganz abgesehen). In beiden Fällen
müßte eine Verdunklung der Empfindung und als secundäre
Wirkung eine Erhöhung der D-Erregbarkeit in der Umgebung
des Hellen eintreten. Ich werde in den folgenden Paragraphen
Thatsachen zur Unterstützung der Annahme beibringen, daß bei
dieser Verdunklung durch Contrast eine Steigerung der Assimi-
lirung an den verdunkelten Stellen stattfindet, und will daher
schon hier von dieser Annahme ausgehen.

Diese Zunahme der Assimilirung ist nun, wie die Versuche
lehren, am stärksten in unmittelbarer Nähe der durch äußeres
Licht gereizten Stellen, nimmt mit der Entfernung rasch ab,
läßt sich aber nicht bestimmt begrenzen und findet wahrschein-
lich auch in den entfernteren Theilen, wenngleich hier in kaum
oder bisweilen gar nicht merklicher Weise statt. Den zeitlichen
Verlauf derselben lasse ich hier vorläufig unberücksichtigt.

Es läßt sich demnach folgender Satz aussprechen: Auf
partielle Reizung durch Licht reagirt nicht nur der
getroffene Theil, sondern auch dessen Umgebung
und zwar der direct gereizte Theil durch gesteigerte
Dissimilirung, die (indirect gereizte) Umgebung
durch gesteigerte Assimilirung derart, daß letztere
Steigerung in der unmittelbaren Nähe der beleuch-
teten Stelle am größten ist und mit dem Abstande
von derselben rasch abnimmt
.

Hieraus erklärt sich nun, warum wir im beleuchteten Raume
an den finstern Stellen wirkliches Schwarz sehen (vergl. §. 23),
während wir im verdunkelten Auge hellere Empfindungen haben,
obgleich die inneren D-Reize dort wie hier wirksam sind, und
die schwarz empfindenden Stellen des offenen Auges noch dazu
immer etwas äußeres Licht empfangen.

Denn ich habe zwar zunächst angenommen, daß nur ein-
zelne Stellen der Netzhaut ausschließlich beleuchtet seien, und
die übrigen ganz finster, aber dieser Fall tritt in Wirklichkeit
nie ein, weil im Auge immer Licht über die übrige Netzhaut zer-

der Empfindung in der Umgebung des Hellen läßt sich nämlich
ebensowohl ableiten aus einer unter dem indirecten Einflusse des
Lichtreizes eingetretenen Minderung der Dissimilirung als aus
einer Steigerung der Assimilirung (von den denkbaren Combina-
tionen beider Wirkungen ganz abgesehen). In beiden Fällen
müßte eine Verdunklung der Empfindung und als secundäre
Wirkung eine Erhöhung der D-Erregbarkeit in der Umgebung
des Hellen eintreten. Ich werde in den folgenden Paragraphen
Thatsachen zur Unterstützung der Annahme beibringen, daß bei
dieser Verdunklung durch Contrast eine Steigerung der Assimi-
lirung an den verdunkelten Stellen stattfindet, und will daher
schon hier von dieser Annahme ausgehen.

Diese Zunahme der Assimilirung ist nun, wie die Versuche
lehren, am stärksten in unmittelbarer Nähe der durch äußeres
Licht gereizten Stellen, nimmt mit der Entfernung rasch ab,
läßt sich aber nicht bestimmt begrenzen und findet wahrschein-
lich auch in den entfernteren Theilen, wenngleich hier in kaum
oder bisweilen gar nicht merklicher Weise statt. Den zeitlichen
Verlauf derselben lasse ich hier vorläufig unberücksichtigt.

Es läßt sich demnach folgender Satz aussprechen: Auf
partielle Reizung durch Licht reagirt nicht nur der
getroffene Theil, sondern auch dessen Umgebung
und zwar der direct gereizte Theil durch gesteigerte
Dissimilirung, die (indirect gereizte) Umgebung
durch gesteigerte Assimilirung derart, daß letztere
Steigerung in der unmittelbaren Nähe der beleuch-
teten Stelle am größten ist und mit dem Abstande
von derselben rasch abnimmt
.

Hieraus erklärt sich nun, warum wir im beleuchteten Raume
an den finstern Stellen wirkliches Schwarz sehen (vergl. §. 23),
während wir im verdunkelten Auge hellere Empfindungen haben,
obgleich die inneren D-Reize dort wie hier wirksam sind, und
die schwarz empfindenden Stellen des offenen Auges noch dazu
immer etwas äußeres Licht empfangen.

Denn ich habe zwar zunächst angenommen, daß nur ein-
zelne Stellen der Netzhaut ausschließlich beleuchtet seien, und
die übrigen ganz finster, aber dieser Fall tritt in Wirklichkeit
nie ein, weil im Auge immer Licht über die übrige Netzhaut zer-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0098" n="90"/>
der Empfindung in der Umgebung des Hellen läßt sich nämlich<lb/>
ebensowohl ableiten aus einer unter dem indirecten Einflusse des<lb/>
Lichtreizes eingetretenen Minderung der Dissimilirung als aus<lb/>
einer Steigerung der Assimilirung (von den denkbaren Combina-<lb/>
tionen beider Wirkungen ganz abgesehen). In beiden Fällen<lb/>
müßte eine Verdunklung der Empfindung und als secundäre<lb/>
Wirkung eine Erhöhung der <hi rendition="#i">D</hi>-Erregbarkeit in der Umgebung<lb/>
des Hellen eintreten. Ich werde in den folgenden Paragraphen<lb/>
Thatsachen zur Unterstützung der Annahme beibringen, daß bei<lb/>
dieser Verdunklung durch Contrast eine Steigerung der Assimi-<lb/>
lirung an den verdunkelten Stellen stattfindet, und will daher<lb/>
schon hier von dieser Annahme ausgehen.</p><lb/>
          <p>Diese Zunahme der Assimilirung ist nun, wie die Versuche<lb/>
lehren, am stärksten in unmittelbarer Nähe der durch äußeres<lb/>
Licht gereizten Stellen, nimmt mit der Entfernung rasch ab,<lb/>
läßt sich aber nicht bestimmt begrenzen und findet wahrschein-<lb/>
lich auch in den entfernteren Theilen, wenngleich hier in kaum<lb/>
oder bisweilen gar nicht merklicher Weise statt. Den zeitlichen<lb/>
Verlauf derselben lasse ich hier vorläufig unberücksichtigt.</p><lb/>
          <p>Es läßt sich demnach folgender Satz aussprechen: <hi rendition="#g">Auf<lb/>
partielle Reizung durch Licht reagirt nicht nur der<lb/>
getroffene Theil, sondern auch dessen Umgebung<lb/>
und zwar der direct gereizte Theil durch gesteigerte<lb/>
Dissimilirung, die (indirect gereizte) Umgebung<lb/>
durch gesteigerte Assimilirung derart, daß letztere<lb/>
Steigerung in der unmittelbaren Nähe der beleuch-<lb/>
teten Stelle am größten ist und mit dem Abstande<lb/>
von derselben rasch abnimmt</hi>.</p><lb/>
          <p>Hieraus erklärt sich nun, warum wir im beleuchteten Raume<lb/>
an den finstern Stellen wirkliches Schwarz sehen (vergl. §. 23),<lb/>
während wir im verdunkelten Auge hellere Empfindungen haben,<lb/>
obgleich die inneren <hi rendition="#i">D</hi>-Reize dort wie hier wirksam sind, und<lb/>
die schwarz empfindenden Stellen des offenen Auges noch dazu<lb/>
immer etwas äußeres Licht empfangen.</p><lb/>
          <p>Denn ich habe zwar zunächst angenommen, daß nur ein-<lb/>
zelne Stellen der Netzhaut ausschließlich beleuchtet seien, und<lb/>
die übrigen ganz finster, aber dieser Fall tritt in Wirklichkeit<lb/>
nie ein, weil im Auge immer Licht über die übrige Netzhaut zer-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[90/0098] der Empfindung in der Umgebung des Hellen läßt sich nämlich ebensowohl ableiten aus einer unter dem indirecten Einflusse des Lichtreizes eingetretenen Minderung der Dissimilirung als aus einer Steigerung der Assimilirung (von den denkbaren Combina- tionen beider Wirkungen ganz abgesehen). In beiden Fällen müßte eine Verdunklung der Empfindung und als secundäre Wirkung eine Erhöhung der D-Erregbarkeit in der Umgebung des Hellen eintreten. Ich werde in den folgenden Paragraphen Thatsachen zur Unterstützung der Annahme beibringen, daß bei dieser Verdunklung durch Contrast eine Steigerung der Assimi- lirung an den verdunkelten Stellen stattfindet, und will daher schon hier von dieser Annahme ausgehen. Diese Zunahme der Assimilirung ist nun, wie die Versuche lehren, am stärksten in unmittelbarer Nähe der durch äußeres Licht gereizten Stellen, nimmt mit der Entfernung rasch ab, läßt sich aber nicht bestimmt begrenzen und findet wahrschein- lich auch in den entfernteren Theilen, wenngleich hier in kaum oder bisweilen gar nicht merklicher Weise statt. Den zeitlichen Verlauf derselben lasse ich hier vorläufig unberücksichtigt. Es läßt sich demnach folgender Satz aussprechen: Auf partielle Reizung durch Licht reagirt nicht nur der getroffene Theil, sondern auch dessen Umgebung und zwar der direct gereizte Theil durch gesteigerte Dissimilirung, die (indirect gereizte) Umgebung durch gesteigerte Assimilirung derart, daß letztere Steigerung in der unmittelbaren Nähe der beleuch- teten Stelle am größten ist und mit dem Abstande von derselben rasch abnimmt. Hieraus erklärt sich nun, warum wir im beleuchteten Raume an den finstern Stellen wirkliches Schwarz sehen (vergl. §. 23), während wir im verdunkelten Auge hellere Empfindungen haben, obgleich die inneren D-Reize dort wie hier wirksam sind, und die schwarz empfindenden Stellen des offenen Auges noch dazu immer etwas äußeres Licht empfangen. Denn ich habe zwar zunächst angenommen, daß nur ein- zelne Stellen der Netzhaut ausschließlich beleuchtet seien, und die übrigen ganz finster, aber dieser Fall tritt in Wirklichkeit nie ein, weil im Auge immer Licht über die übrige Netzhaut zer-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Aus pragmatischen Gründen wurde für das DTA die z… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hering_lichtsinn_1878
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hering_lichtsinn_1878/98
Zitationshilfe: Hering, Ewald: Zur Lehre vom Lichtsinne. Zweiter, unveränderter Abdruck. Wien, 1878, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hering_lichtsinn_1878/98>, abgerufen am 27.04.2024.