Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

und so beschloß er auch seinen Aufsatz, den
meine Mutter nicht der Sache angemessener
beschließen können.

Charlottens Mann solt' ihm nach sei-
nem Testament im ersten Paar folgen, und
alles erben, was er nachließ. Folgen will
ich ihm, sagte dieser Unglückliche; was soll
mir aber sein Gut, da ich seit Charlottens
Tode nicht mehr lebe. --

Dies war der Schlüßel zu der Seelen-
angst
unsers Bekannten. Sein Sohn war
nur der erste Eingang. Charlotte war das
Thema. --

Er hatte, wie mein Vater in seinem
Briefe bemerkte, sich auch darum Vorwürfe
gemacht, daß er diesen innern Gram seinem
Weib' und dem Manne Charlottens und sei-
nem Beichtvater, meinem Vater, und sei-
ner Beichtmutter, meiner Mutter, verheim-
liget; allein mein Vater absolvirt' ihn des-
falls, weil er eben durch diese Verschwiegen-
heit gebüßet. Er rief nicht blos, ich soll
meinen Gerg sehen, sondern auch, ich soll
Charlotten sehen, und er wolte nicht blos
von meinem Vater eine Anleitung, sich ge-
gen seinen Sohn, sondern auch gegen Char-
lotten, zu führen. -- Diese Umstände wa-

ren

und ſo beſchloß er auch ſeinen Aufſatz, den
meine Mutter nicht der Sache angemeſſener
beſchließen koͤnnen.

Charlottens Mann ſolt’ ihm nach ſei-
nem Teſtament im erſten Paar folgen, und
alles erben, was er nachließ. Folgen will
ich ihm, ſagte dieſer Ungluͤckliche; was ſoll
mir aber ſein Gut, da ich ſeit Charlottens
Tode nicht mehr lebe. —

Dies war der Schluͤßel zu der Seelen-
angſt
unſers Bekannten. Sein Sohn war
nur der erſte Eingang. Charlotte war das
Thema. —

Er hatte, wie mein Vater in ſeinem
Briefe bemerkte, ſich auch darum Vorwuͤrfe
gemacht, daß er dieſen innern Gram ſeinem
Weib’ und dem Manne Charlottens und ſei-
nem Beichtvater, meinem Vater, und ſei-
ner Beichtmutter, meiner Mutter, verheim-
liget; allein mein Vater abſolvirt’ ihn des-
falls, weil er eben durch dieſe Verſchwiegen-
heit gebuͤßet. Er rief nicht blos, ich ſoll
meinen Gerg ſehen, ſondern auch, ich ſoll
Charlotten ſehen, und er wolte nicht blos
von meinem Vater eine Anleitung, ſich ge-
gen ſeinen Sohn, ſondern auch gegen Char-
lotten, zu fuͤhren. — Dieſe Umſtaͤnde wa-

ren
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0108" n="102"/>
        <p>und &#x017F;o be&#x017F;chloß er auch &#x017F;einen Auf&#x017F;atz, den<lb/>
meine Mutter nicht der Sache angeme&#x017F;&#x017F;ener<lb/>
be&#x017F;chließen ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
        <p>Charlottens Mann &#x017F;olt&#x2019; ihm nach &#x017F;ei-<lb/>
nem Te&#x017F;tament im er&#x017F;ten Paar folgen, und<lb/>
alles erben, was er nachließ. Folgen will<lb/>
ich ihm, &#x017F;agte die&#x017F;er Unglu&#x0364;ckliche; was &#x017F;oll<lb/>
mir aber &#x017F;ein Gut, da ich &#x017F;eit Charlottens<lb/>
Tode nicht mehr lebe. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Dies war der Schlu&#x0364;ßel zu der <hi rendition="#fr">Seelen-<lb/>
ang&#x017F;t</hi> un&#x017F;ers Bekannten. Sein Sohn war<lb/>
nur der er&#x017F;te Eingang. Charlotte war das<lb/>
Thema. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Er hatte, wie mein Vater in &#x017F;einem<lb/>
Briefe bemerkte, &#x017F;ich auch darum Vorwu&#x0364;rfe<lb/>
gemacht, daß er die&#x017F;en innern Gram &#x017F;einem<lb/>
Weib&#x2019; und dem Manne Charlottens und &#x017F;ei-<lb/>
nem Beichtvater, meinem Vater, und &#x017F;ei-<lb/>
ner Beichtmutter, meiner Mutter, verheim-<lb/>
liget; allein mein Vater ab&#x017F;olvirt&#x2019; ihn des-<lb/>
falls, weil er eben durch die&#x017F;e Ver&#x017F;chwiegen-<lb/>
heit gebu&#x0364;ßet. Er rief nicht blos, ich &#x017F;oll<lb/>
meinen Gerg &#x017F;ehen, &#x017F;ondern auch, ich &#x017F;oll<lb/>
Charlotten &#x017F;ehen, und er wolte nicht blos<lb/>
von meinem Vater eine Anleitung, &#x017F;ich ge-<lb/>
gen &#x017F;einen Sohn, &#x017F;ondern auch gegen Char-<lb/>
lotten, zu fu&#x0364;hren. &#x2014; Die&#x017F;e Um&#x017F;ta&#x0364;nde wa-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ren</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[102/0108] und ſo beſchloß er auch ſeinen Aufſatz, den meine Mutter nicht der Sache angemeſſener beſchließen koͤnnen. Charlottens Mann ſolt’ ihm nach ſei- nem Teſtament im erſten Paar folgen, und alles erben, was er nachließ. Folgen will ich ihm, ſagte dieſer Ungluͤckliche; was ſoll mir aber ſein Gut, da ich ſeit Charlottens Tode nicht mehr lebe. — Dies war der Schluͤßel zu der Seelen- angſt unſers Bekannten. Sein Sohn war nur der erſte Eingang. Charlotte war das Thema. — Er hatte, wie mein Vater in ſeinem Briefe bemerkte, ſich auch darum Vorwuͤrfe gemacht, daß er dieſen innern Gram ſeinem Weib’ und dem Manne Charlottens und ſei- nem Beichtvater, meinem Vater, und ſei- ner Beichtmutter, meiner Mutter, verheim- liget; allein mein Vater abſolvirt’ ihn des- falls, weil er eben durch dieſe Verſchwiegen- heit gebuͤßet. Er rief nicht blos, ich ſoll meinen Gerg ſehen, ſondern auch, ich ſoll Charlotten ſehen, und er wolte nicht blos von meinem Vater eine Anleitung, ſich ge- gen ſeinen Sohn, ſondern auch gegen Char- lotten, zu fuͤhren. — Dieſe Umſtaͤnde wa- ren

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/108
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/108>, abgerufen am 26.04.2024.