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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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wie die Seel' ewig? Wo bist du, mein Ge-
liebter? Denke mein, denke mein! -- Ge-
schwind, wie der Gesang des Vogels durch
den Wald läuft, geschwinder bist du entflo-
hen. -- Am Abend duftet, was man
pflanzet am lieblichsten, und die Seele duftet
eben so lieblich, wenn sie der Tod überfält.
Ich weis nicht, was ich schreibe, du wirst es
aber wißen, was ich schreiben wolte. Ich
bitte Gott, daß er's dir eingebe, wenn du
es nicht von selbst wißen soltest. Wir sind
eins, lieber Junge, du und ich! -- Ver-
giß nicht, mit Benjamin einen andern Weg
zu bahnen, wenn der meinige nicht gut ist,
du mußt alles bis auf ein Haar abreden,
wenn du meinen Vorschlag nicht annimmst.
Benjamin wird dir die Ursache zur Abände-
rung sagen, ich kann es nicht, ich weiß sie
nicht mehr, ich weiß nichts, nichts mehr,
als daß ich dich liebe, und dich lieben werde
im Glück und im Unglück, im Leben und im
Sterben, bis vor Gottes Angesicht! O!
wie wohl ist mir, da ich daran denke! wie
wohl!

Da ist er wieder dein Blick! -- War-
um so finster? Ist denn der Tod so bitter?
Lebe wohl, das weiß ich noch, daß ich es

dir,

wie die Seel’ ewig? Wo biſt du, mein Ge-
liebter? Denke mein, denke mein! — Ge-
ſchwind, wie der Geſang des Vogels durch
den Wald laͤuft, geſchwinder biſt du entflo-
hen. — Am Abend duftet, was man
pflanzet am lieblichſten, und die Seele duftet
eben ſo lieblich, wenn ſie der Tod uͤberfaͤlt.
Ich weis nicht, was ich ſchreibe, du wirſt es
aber wißen, was ich ſchreiben wolte. Ich
bitte Gott, daß er’s dir eingebe, wenn du
es nicht von ſelbſt wißen ſolteſt. Wir ſind
eins, lieber Junge, du und ich! — Ver-
giß nicht, mit Benjamin einen andern Weg
zu bahnen, wenn der meinige nicht gut iſt,
du mußt alles bis auf ein Haar abreden,
wenn du meinen Vorſchlag nicht annimmſt.
Benjamin wird dir die Urſache zur Abaͤnde-
rung ſagen, ich kann es nicht, ich weiß ſie
nicht mehr, ich weiß nichts, nichts mehr,
als daß ich dich liebe, und dich lieben werde
im Gluͤck und im Ungluͤck, im Leben und im
Sterben, bis vor Gottes Angeſicht! O!
wie wohl iſt mir, da ich daran denke! wie
wohl!

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[112/0118] wie die Seel’ ewig? Wo biſt du, mein Ge- liebter? Denke mein, denke mein! — Ge- ſchwind, wie der Geſang des Vogels durch den Wald laͤuft, geſchwinder biſt du entflo- hen. — Am Abend duftet, was man pflanzet am lieblichſten, und die Seele duftet eben ſo lieblich, wenn ſie der Tod uͤberfaͤlt. Ich weis nicht, was ich ſchreibe, du wirſt es aber wißen, was ich ſchreiben wolte. Ich bitte Gott, daß er’s dir eingebe, wenn du es nicht von ſelbſt wißen ſolteſt. Wir ſind eins, lieber Junge, du und ich! — Ver- giß nicht, mit Benjamin einen andern Weg zu bahnen, wenn der meinige nicht gut iſt, du mußt alles bis auf ein Haar abreden, wenn du meinen Vorſchlag nicht annimmſt. Benjamin wird dir die Urſache zur Abaͤnde- rung ſagen, ich kann es nicht, ich weiß ſie nicht mehr, ich weiß nichts, nichts mehr, als daß ich dich liebe, und dich lieben werde im Gluͤck und im Ungluͤck, im Leben und im Sterben, bis vor Gottes Angeſicht! O! wie wohl iſt mir, da ich daran denke! wie wohl! Da iſt er wieder dein Blick! — War- um ſo finſter? Iſt denn der Tod ſo bitter? Lebe wohl, das weiß ich noch, daß ich es dir,

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 112. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/118>, abgerufen am 26.04.2024.