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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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bisse gemacht, da er Neujahrsgeschenke ver-
beten, und darüber ein Edict erlassen?

Wie Attejus Capito, dem er darüber ge-
beichtet, ihn absolviret?

Was Marcus Pomponius Marcellus, als
der zweyte Hofprediger, ihm im Beichtstuhl
gesagt?

(Jener meynte, das Wort könnte wohl
dem Kayser zu Gefallen auf- und angenom-
men werden, dieser aber war so stockortho-
dox, daß er dem Kayser gerade zu sagte, er
könne zwar den Menschen das Bürgerrecht
ertheilen; allein den Worten nicht.)

Was den Virgilius bewogen, wie er selbst
gesagt, aurum se ex Ennii stercoribus legere,
und warum er nicht, da doch Ennius ingenio
maximus, arte rudis
gewesen, lieber gerade
zu, zur Natur oder zum Homer, gegangen,
der für uns Adam der Natur ist, ob es gleich
in diesem Stück Präadamiten gegben? --

Bey jedem großen Werk müssen zwey
Köpfe arbeiten; wenn auch der eine nur den
Kalk löschen, oder einen Grundstein legen
oder abmessen solte. Moses und Aron sind
gemeinhin nöthig. Einer erfindet, der an-
dere sagt. Einer schaft den Leib, der andere
die Seele. Einer weiset den Weg, der an-

dre
O 4

biſſe gemacht, da er Neujahrsgeſchenke ver-
beten, und daruͤber ein Edict erlaſſen?

Wie Attejus Capito, dem er daruͤber ge-
beichtet, ihn abſolviret?

Was Marcus Pomponius Marcellus, als
der zweyte Hofprediger, ihm im Beichtſtuhl
geſagt?

(Jener meynte, das Wort koͤnnte wohl
dem Kayſer zu Gefallen auf- und angenom-
men werden, dieſer aber war ſo ſtockortho-
dox, daß er dem Kayſer gerade zu ſagte, er
koͤnne zwar den Menſchen das Buͤrgerrecht
ertheilen; allein den Worten nicht.)

Was den Virgilius bewogen, wie er ſelbſt
geſagt, aurum ſe ex Ennii ſtercoribus legere,
und warum er nicht, da doch Ennius ingenio
maximus, arte rudis
geweſen, lieber gerade
zu, zur Natur oder zum Homer, gegangen,
der fuͤr uns Adam der Natur iſt, ob es gleich
in dieſem Stuͤck Praͤadamiten gegben? —

Bey jedem großen Werk muͤſſen zwey
Koͤpfe arbeiten; wenn auch der eine nur den
Kalk loͤſchen, oder einen Grundſtein legen
oder abmeſſen ſolte. Moſes und Aron ſind
gemeinhin noͤthig. Einer erfindet, der an-
dere ſagt. Einer ſchaft den Leib, der andere
die Seele. Einer weiſet den Weg, der an-

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[214/0222] biſſe gemacht, da er Neujahrsgeſchenke ver- beten, und daruͤber ein Edict erlaſſen? Wie Attejus Capito, dem er daruͤber ge- beichtet, ihn abſolviret? Was Marcus Pomponius Marcellus, als der zweyte Hofprediger, ihm im Beichtſtuhl geſagt? (Jener meynte, das Wort koͤnnte wohl dem Kayſer zu Gefallen auf- und angenom- men werden, dieſer aber war ſo ſtockortho- dox, daß er dem Kayſer gerade zu ſagte, er koͤnne zwar den Menſchen das Buͤrgerrecht ertheilen; allein den Worten nicht.) Was den Virgilius bewogen, wie er ſelbſt geſagt, aurum ſe ex Ennii ſtercoribus legere, und warum er nicht, da doch Ennius ingenio maximus, arte rudis geweſen, lieber gerade zu, zur Natur oder zum Homer, gegangen, der fuͤr uns Adam der Natur iſt, ob es gleich in dieſem Stuͤck Praͤadamiten gegben? — Bey jedem großen Werk muͤſſen zwey Koͤpfe arbeiten; wenn auch der eine nur den Kalk loͤſchen, oder einen Grundſtein legen oder abmeſſen ſolte. Moſes und Aron ſind gemeinhin noͤthig. Einer erfindet, der an- dere ſagt. Einer ſchaft den Leib, der andere die Seele. Einer weiſet den Weg, der an- dre O 4

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/222>, abgerufen am 27.04.2024.