Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

Bild:
<< vorherige Seite

allein konnt' er? Ueberall Jammer! -- Der
Instizrath hielt alles dies für Gewissensauf-
gährung, und wollt' eben thun, was seines
Amts war, da ihn der Prediger bat, so viel
Menschlichkeit zu haben, und ihm nur eine
Viertelstunde Fassungszeit zu bewilligen und,
ehe diese abgelaufen, keine Gewaltthätigkeit
in einem Kirchenhause zu beginnen. Der Ju-
stizrath fand Bedenklichkeiten. -- Gott, sagte
der Prediger, wird ihnen die Viertelstund' in
ihrem lezten, in ihrem letzten, vergelten --
ich bin ein geschlagener ein unglückseliger
Mann! --

Der Justizrath gab ihm dies Sterbvier-
telstündchen mit dem Beding nach, daß der
Wachmeister vor Minens Thür sich lagern
könnte. Es war ein erschrecklicher Kerl.
Wenn er nur nicht donnert, sagte der Pre-
diger, das soll er nicht, erwiederte der De-
putatus; allein er bedachte nicht, daß ein
Segen in dem Munde dieses Menschen Fluch
wäre. Es konnte dieser Henkerhandlanger
nichts als Zeter rufen, und Stäbe brechen,
und Mörder schließen, und Leitern zum Gal-
gen ansetzen. --

Ein Märtyrer würde hier die Standhaf-
tigkeit verloren haben. Seine Geduld würd'

aus-
H h 3

allein konnt’ er? Ueberall Jammer! — Der
Inſtizrath hielt alles dies fuͤr Gewiſſensauf-
gaͤhrung, und wollt’ eben thun, was ſeines
Amts war, da ihn der Prediger bat, ſo viel
Menſchlichkeit zu haben, und ihm nur eine
Viertelſtunde Faſſungszeit zu bewilligen und,
ehe dieſe abgelaufen, keine Gewaltthaͤtigkeit
in einem Kirchenhauſe zu beginnen. Der Ju-
ſtizrath fand Bedenklichkeiten. — Gott, ſagte
der Prediger, wird ihnen die Viertelſtund’ in
ihrem lezten, in ihrem letzten, vergelten —
ich bin ein geſchlagener ein ungluͤckſeliger
Mann! —

Der Juſtizrath gab ihm dies Sterbvier-
telſtuͤndchen mit dem Beding nach, daß der
Wachmeiſter vor Minens Thuͤr ſich lagern
koͤnnte. Es war ein erſchrecklicher Kerl.
Wenn er nur nicht donnert, ſagte der Pre-
diger, das ſoll er nicht, erwiederte der De-
putatus; allein er bedachte nicht, daß ein
Segen in dem Munde dieſes Menſchen Fluch
waͤre. Es konnte dieſer Henkerhandlanger
nichts als Zeter rufen, und Staͤbe brechen,
und Moͤrder ſchließen, und Leitern zum Gal-
gen anſetzen. —

Ein Maͤrtyrer wuͤrde hier die Standhaf-
tigkeit verloren haben. Seine Geduld wuͤrd’

aus-
H h 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0495" n="485"/>
allein konnt&#x2019; er? Ueberall Jammer! &#x2014; Der<lb/>
In&#x017F;tizrath hielt alles dies fu&#x0364;r Gewi&#x017F;&#x017F;ensauf-<lb/>
ga&#x0364;hrung, und wollt&#x2019; eben thun, was &#x017F;eines<lb/>
Amts war, da ihn der Prediger bat, &#x017F;o viel<lb/>
Men&#x017F;chlichkeit zu haben, und ihm nur eine<lb/>
Viertel&#x017F;tunde Fa&#x017F;&#x017F;ungszeit zu bewilligen und,<lb/>
ehe die&#x017F;e abgelaufen, keine Gewalttha&#x0364;tigkeit<lb/>
in einem Kirchenhau&#x017F;e zu beginnen. Der Ju-<lb/>
&#x017F;tizrath fand Bedenklichkeiten. &#x2014; Gott, &#x017F;agte<lb/>
der Prediger, wird ihnen die Viertel&#x017F;tund&#x2019; in<lb/>
ihrem lezten, in ihrem letzten, vergelten &#x2014;<lb/>
ich bin ein ge&#x017F;chlagener ein unglu&#x0364;ck&#x017F;eliger<lb/>
Mann! &#x2014;</p><lb/>
          <p>Der Ju&#x017F;tizrath gab ihm dies Sterbvier-<lb/>
tel&#x017F;tu&#x0364;ndchen mit dem Beding nach, daß der<lb/>
Wachmei&#x017F;ter vor Minens Thu&#x0364;r &#x017F;ich lagern<lb/>
ko&#x0364;nnte. Es war ein er&#x017F;chrecklicher Kerl.<lb/>
Wenn er nur nicht donnert, &#x017F;agte der Pre-<lb/>
diger, das &#x017F;oll er nicht, erwiederte der De-<lb/>
putatus; allein er bedachte nicht, daß ein<lb/>
Segen in dem Munde die&#x017F;es Men&#x017F;chen Fluch<lb/>
wa&#x0364;re. Es konnte die&#x017F;er Henkerhandlanger<lb/>
nichts als Zeter rufen, und Sta&#x0364;be brechen,<lb/>
und Mo&#x0364;rder &#x017F;chließen, und Leitern zum Gal-<lb/>
gen an&#x017F;etzen. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Ein Ma&#x0364;rtyrer wu&#x0364;rde hier die Standhaf-<lb/>
tigkeit verloren haben. Seine Geduld wu&#x0364;rd&#x2019;<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">H h 3</fw><fw place="bottom" type="catch">aus-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[485/0495] allein konnt’ er? Ueberall Jammer! — Der Inſtizrath hielt alles dies fuͤr Gewiſſensauf- gaͤhrung, und wollt’ eben thun, was ſeines Amts war, da ihn der Prediger bat, ſo viel Menſchlichkeit zu haben, und ihm nur eine Viertelſtunde Faſſungszeit zu bewilligen und, ehe dieſe abgelaufen, keine Gewaltthaͤtigkeit in einem Kirchenhauſe zu beginnen. Der Ju- ſtizrath fand Bedenklichkeiten. — Gott, ſagte der Prediger, wird ihnen die Viertelſtund’ in ihrem lezten, in ihrem letzten, vergelten — ich bin ein geſchlagener ein ungluͤckſeliger Mann! — Der Juſtizrath gab ihm dies Sterbvier- telſtuͤndchen mit dem Beding nach, daß der Wachmeiſter vor Minens Thuͤr ſich lagern koͤnnte. Es war ein erſchrecklicher Kerl. Wenn er nur nicht donnert, ſagte der Pre- diger, das ſoll er nicht, erwiederte der De- putatus; allein er bedachte nicht, daß ein Segen in dem Munde dieſes Menſchen Fluch waͤre. Es konnte dieſer Henkerhandlanger nichts als Zeter rufen, und Staͤbe brechen, und Moͤrder ſchließen, und Leitern zum Gal- gen anſetzen. — Ein Maͤrtyrer wuͤrde hier die Standhaf- tigkeit verloren haben. Seine Geduld wuͤrd’ aus- H h 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/495
Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 485. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/495>, abgerufen am 26.04.2024.