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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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auf Sünden folgen müssen;
Herr! fahr hier fort,
nur schone dort!

Ich muß Ihnen gestehen, lieber Beicht-
vater! fuhr sie zum Prediger fort, daß der
Vorsatz, mir selbst das Leben zu nehmen, der
wieder, wie ich die Gewafnete sahe und Ca-
tharinen hörte, in mir Feuer faßte -- daß
dieser Vorsatz mir oft! oft! als etwas vor-
gekommen, das mir meine lezte Stunde er-
schweren könnte. -- Nun sind diese Stiche
hin -- ich habe nichts, nichts mehr, was
mich drückt! und ich fühl' es! Ich werde
selig und ruhig sterben! und wie Alexanders
Mutter singt, wenn wir die Gedanken, wie
ein Licht, das hin und her wankt, bis ihm die
Flamm gebricht, vergehen; werd' ich sanft
und still einschlafen -- ich werd ausgehen
wie ein Licht. Sagt man nicht: Er ist aus-
gegangen, wie ein Licht? --

Gott! so war ihr End' auch würklich.
Ihre Ahndung ließ sie nicht zu Schanden
werden. Pünktlich traf sie ein. -- Allein
Mine blieb nicht fest bey diesen beruhigenden
Vermuthungen. Zuweilen schien es ihr schreck-
lich -- zu sterben, sie nannte dies Leben einen
hellen Tag, zwischen zwei dunklen Nächten.

Nur
auf Suͤnden folgen muͤſſen;
Herr! fahr hier fort,
nur ſchone dort!

Ich muß Ihnen geſtehen, lieber Beicht-
vater! fuhr ſie zum Prediger fort, daß der
Vorſatz, mir ſelbſt das Leben zu nehmen, der
wieder, wie ich die Gewafnete ſahe und Ca-
tharinen hoͤrte, in mir Feuer faßte — daß
dieſer Vorſatz mir oft! oft! als etwas vor-
gekommen, das mir meine lezte Stunde er-
ſchweren koͤnnte. — Nun ſind dieſe Stiche
hin — ich habe nichts, nichts mehr, was
mich druͤckt! und ich fuͤhl’ es! Ich werde
ſelig und ruhig ſterben! und wie Alexanders
Mutter ſingt, wenn wir die Gedanken, wie
ein Licht, das hin und her wankt, bis ihm die
Flamm gebricht, vergehen; werd’ ich ſanft
und ſtill einſchlafen — ich werd ausgehen
wie ein Licht. Sagt man nicht: Er iſt aus-
gegangen, wie ein Licht? —

Gott! ſo war ihr End’ auch wuͤrklich.
Ihre Ahndung ließ ſie nicht zu Schanden
werden. Puͤnktlich traf ſie ein. — Allein
Mine blieb nicht feſt bey dieſen beruhigenden
Vermuthungen. Zuweilen ſchien es ihr ſchreck-
lich — zu ſterben, ſie nannte dies Leben einen
hellen Tag, zwiſchen zwei dunklen Naͤchten.

Nur
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[511/0521] auf Suͤnden folgen muͤſſen; Herr! fahr hier fort, nur ſchone dort! Ich muß Ihnen geſtehen, lieber Beicht- vater! fuhr ſie zum Prediger fort, daß der Vorſatz, mir ſelbſt das Leben zu nehmen, der wieder, wie ich die Gewafnete ſahe und Ca- tharinen hoͤrte, in mir Feuer faßte — daß dieſer Vorſatz mir oft! oft! als etwas vor- gekommen, das mir meine lezte Stunde er- ſchweren koͤnnte. — Nun ſind dieſe Stiche hin — ich habe nichts, nichts mehr, was mich druͤckt! und ich fuͤhl’ es! Ich werde ſelig und ruhig ſterben! und wie Alexanders Mutter ſingt, wenn wir die Gedanken, wie ein Licht, das hin und her wankt, bis ihm die Flamm gebricht, vergehen; werd’ ich ſanft und ſtill einſchlafen — ich werd ausgehen wie ein Licht. Sagt man nicht: Er iſt aus- gegangen, wie ein Licht? — Gott! ſo war ihr End’ auch wuͤrklich. Ihre Ahndung ließ ſie nicht zu Schanden werden. Puͤnktlich traf ſie ein. — Allein Mine blieb nicht feſt bey dieſen beruhigenden Vermuthungen. Zuweilen ſchien es ihr ſchreck- lich — zu ſterben, ſie nannte dies Leben einen hellen Tag, zwiſchen zwei dunklen Naͤchten. Nur

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 511. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/521>, abgerufen am 26.04.2024.