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Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779.

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mit ihm auszusöhnen; denn in Wahrheit, er
würd' es für eine Todsünde halten, daß ich
ihm Minchen entzogen, wenn ich nicht die
Sach' auf diese Art, wenigstens einigermaßen,
ins Reine bringen solte! -- Er kommt gewiß,
fuhr der Prediger fort, ohne daß ihm jemand
darüber Zweifel entgegensetzte. Er kommt
gewiß, wenn ihn nicht was sterbendes ab-
hält, um, nach seiner Sprache, der Ent-
seelten das Bette machen zu helfen.

Ich war sehr entfernt, mich dem Prediger
in den Weg zu legen. Ein Mann, wie dieser
Graf, stört nicht, wenn man auch eine Mine
begraben läßt, und eben so wenig hatt' ich
dagegen, da der gute Prediger mir seine
Absicht eröfnete, Minen einen Leichenser-
mon zu halten, wie er, nach seinem Ausdruck,
in dem Herrn entschlossen wäre. Auch die-
ser gehörte vorzüglich auf die Rechnung des
Grafen. Die Einladung beantwortete der Graf
würkich mit Ja, weil er eben nichts versäu-
me.
Auf alle Fälle wird mein Bruder, (der
alte Bediente,) die nöthige Sorgfalt überneh-
men, schrieb er zurück. Seit sechs Wochen ha-
ben sich drey von meinen Sterbenden gebes-
sert, oder soll ich nicht lieber verschlimmert
sagen! Sie sind gesund geworden. --

Mi-

mit ihm auszuſoͤhnen; denn in Wahrheit, er
wuͤrd’ es fuͤr eine Todſuͤnde halten, daß ich
ihm Minchen entzogen, wenn ich nicht die
Sach’ auf dieſe Art, wenigſtens einigermaßen,
ins Reine bringen ſolte! — Er kommt gewiß,
fuhr der Prediger fort, ohne daß ihm jemand
daruͤber Zweifel entgegenſetzte. Er kommt
gewiß, wenn ihn nicht was ſterbendes ab-
haͤlt, um, nach ſeiner Sprache, der Ent-
ſeelten das Bette machen zu helfen.

Ich war ſehr entfernt, mich dem Prediger
in den Weg zu legen. Ein Mann, wie dieſer
Graf, ſtoͤrt nicht, wenn man auch eine Mine
begraben laͤßt, und eben ſo wenig hatt’ ich
dagegen, da der gute Prediger mir ſeine
Abſicht eroͤfnete, Minen einen Leichenſer-
mon zu halten, wie er, nach ſeinem Ausdruck,
in dem Herrn entſchloſſen waͤre. Auch die-
ſer gehoͤrte vorzuͤglich auf die Rechnung des
Grafen. Die Einladung beantwortete der Graf
wuͤrkich mit Ja, weil er eben nichts verſaͤu-
me.
Auf alle Faͤlle wird mein Bruder, (der
alte Bediente,) die noͤthige Sorgfalt uͤberneh-
men, ſchrieb er zuruͤck. Seit ſechs Wochen ha-
ben ſich drey von meinen Sterbenden gebeſ-
ſert, oder ſoll ich nicht lieber verſchlimmert
ſagen! Sie ſind geſund geworden. —

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[626/0640] mit ihm auszuſoͤhnen; denn in Wahrheit, er wuͤrd’ es fuͤr eine Todſuͤnde halten, daß ich ihm Minchen entzogen, wenn ich nicht die Sach’ auf dieſe Art, wenigſtens einigermaßen, ins Reine bringen ſolte! — Er kommt gewiß, fuhr der Prediger fort, ohne daß ihm jemand daruͤber Zweifel entgegenſetzte. Er kommt gewiß, wenn ihn nicht was ſterbendes ab- haͤlt, um, nach ſeiner Sprache, der Ent- ſeelten das Bette machen zu helfen. Ich war ſehr entfernt, mich dem Prediger in den Weg zu legen. Ein Mann, wie dieſer Graf, ſtoͤrt nicht, wenn man auch eine Mine begraben laͤßt, und eben ſo wenig hatt’ ich dagegen, da der gute Prediger mir ſeine Abſicht eroͤfnete, Minen einen Leichenſer- mon zu halten, wie er, nach ſeinem Ausdruck, in dem Herrn entſchloſſen waͤre. Auch die- ſer gehoͤrte vorzuͤglich auf die Rechnung des Grafen. Die Einladung beantwortete der Graf wuͤrkich mit Ja, weil er eben nichts verſaͤu- me. Auf alle Faͤlle wird mein Bruder, (der alte Bediente,) die noͤthige Sorgfalt uͤberneh- men, ſchrieb er zuruͤck. Seit ſechs Wochen ha- ben ſich drey von meinen Sterbenden gebeſ- ſert, oder ſoll ich nicht lieber verſchlimmert ſagen! Sie ſind geſund geworden. — Mi-

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Zitationshilfe: Hippel, Theodor Gottlieb von: Lebensläufe nach Aufsteigender Linie. Bd. 2. Berlin, 1779, S. 626. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hippel_lebenslaeufe02_1779/640>, abgerufen am 26.04.2024.