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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780.

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Beschreibungen von Gärten.

VIII.
Beschreibung des Parks zu Guiscard.
*)

Der alte Park war ohngefähr vierhundert Acker groß, und in seiner innern Ein-
richtung vollkommen regulär. Vor dem Schlosse sah man eine lange Auf-
fahrt, wodurch aber niemand fuhr, und die nicht angelegt war, weil man sie nöthig
hatte, sondern weil es die Mode so mit sich brachte, daß allemal eine gerade Al-
lee auf die Mitte des Schlosses zugehen mußte, wenn man ihrer gleich entübrigt seyn
konnte. Das Ende derselben stieß an einige Höfe und Vorhöfe. Zwischen diesen
und dem Gartenparterre lag das Schloß nach einer mehr altfränkischen und gewöhn-
lichen, als angenehm in die Augen fallenden Einrichtung. Auf der rechten und lin-
ken Seite waren nach allen möglichen geometrischen Figuren Lustwäldchen gepflanzt.
Das Gehölz war nach der Länge und der Queere mit geraden Alleen durchhauen; ho-
he Hecken umgaben die Dickigte so genau, daß man nur blos in den Alleen gehen,
und über fünf Sechstel des Parks nicht genießen konnte. Das Wohnhaus mit den
Zubehörungen war mit großen tiefen Gräben umgeben, die es weder zu einem ange-
nehmen noch gefunden Aufenthalt machten. Die zwar großen, aber regelmäßigen
Bassins des Parks konnte man nicht anders sehen, als wenn man auf ihren hohen und
steilen Einfassungen stund. Das Wasser darin war stehend; und hieraus kann man
schon schließen, daß sie mit allerhand Wasserpflanzen angefüllt waren, die es unge-
sund machten, und einen häßlichen Anblick gaben.

Der Boden stieg allmählig gegen das Schloß an, von dem man weiter keine
Aussicht hatte, als auf ein symmetrisches Parterre, das mit zwo Alleen viereckig
geschnittener Bäume eingefaßt war, und am Ende derselben durch eine breite Oeff-
nung in dem Walde. Der höchste Theil des Bodens schnitt den Himmel in gera-
der Linie ab, und stellte den Augen einen an Gegenständen leeren Horizont dar. Der
feste thonigte Boden machte das Gehen zu allen Zeiten beschwerlich; Nässe verwan-
delte ihn gleich in tiefen Koth; und bey trocknem Wetter wurden die geharkten Gän-

ge,
*) [Spaltenumbruch] Diese Beschreibung, die aus der
Theorie des Jardins (8. Paris, 1776. S.
267-306. Man sehe 1. B. S. 134.) ge-
nommen ist, und deren aufgeklärter Ver-
fasser die Gartenkunst schon länger als
[Spaltenumbruch] zehn Jahre ausgeübt hat, beweiset zugleich,
wie glücklich sich zuweilen die alte verkehr-
te Manier in neue Anlagen von Geschmack
umschaffen läßt.
B b 3
Beſchreibungen von Gaͤrten.

VIII.
Beſchreibung des Parks zu Guiſcard.
*)

Der alte Park war ohngefaͤhr vierhundert Acker groß, und in ſeiner innern Ein-
richtung vollkommen regulaͤr. Vor dem Schloſſe ſah man eine lange Auf-
fahrt, wodurch aber niemand fuhr, und die nicht angelegt war, weil man ſie noͤthig
hatte, ſondern weil es die Mode ſo mit ſich brachte, daß allemal eine gerade Al-
lee auf die Mitte des Schloſſes zugehen mußte, wenn man ihrer gleich entuͤbrigt ſeyn
konnte. Das Ende derſelben ſtieß an einige Hoͤfe und Vorhoͤfe. Zwiſchen dieſen
und dem Gartenparterre lag das Schloß nach einer mehr altfraͤnkiſchen und gewoͤhn-
lichen, als angenehm in die Augen fallenden Einrichtung. Auf der rechten und lin-
ken Seite waren nach allen moͤglichen geometriſchen Figuren Luſtwaͤldchen gepflanzt.
Das Gehoͤlz war nach der Laͤnge und der Queere mit geraden Alleen durchhauen; ho-
he Hecken umgaben die Dickigte ſo genau, daß man nur blos in den Alleen gehen,
und uͤber fuͤnf Sechstel des Parks nicht genießen konnte. Das Wohnhaus mit den
Zubehoͤrungen war mit großen tiefen Graͤben umgeben, die es weder zu einem ange-
nehmen noch gefunden Aufenthalt machten. Die zwar großen, aber regelmaͤßigen
Baſſins des Parks konnte man nicht anders ſehen, als wenn man auf ihren hohen und
ſteilen Einfaſſungen ſtund. Das Waſſer darin war ſtehend; und hieraus kann man
ſchon ſchließen, daß ſie mit allerhand Waſſerpflanzen angefuͤllt waren, die es unge-
ſund machten, und einen haͤßlichen Anblick gaben.

Der Boden ſtieg allmaͤhlig gegen das Schloß an, von dem man weiter keine
Ausſicht hatte, als auf ein ſymmetriſches Parterre, das mit zwo Alleen viereckig
geſchnittener Baͤume eingefaßt war, und am Ende derſelben durch eine breite Oeff-
nung in dem Walde. Der hoͤchſte Theil des Bodens ſchnitt den Himmel in gera-
der Linie ab, und ſtellte den Augen einen an Gegenſtaͤnden leeren Horizont dar. Der
feſte thonigte Boden machte das Gehen zu allen Zeiten beſchwerlich; Naͤſſe verwan-
delte ihn gleich in tiefen Koth; und bey trocknem Wetter wurden die geharkten Gaͤn-

ge,
*) [Spaltenumbruch] Dieſe Beſchreibung, die aus der
Théorie des Jardins (8. Paris, 1776. S.
267-306. Man ſehe 1. B. S. 134.) ge-
nommen iſt, und deren aufgeklaͤrter Ver-
faſſer die Gartenkunſt ſchon laͤnger als
[Spaltenumbruch] zehn Jahre ausgeuͤbt hat, beweiſet zugleich,
wie gluͤcklich ſich zuweilen die alte verkehr-
te Manier in neue Anlagen von Geſchmack
umſchaffen laͤßt.
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[187/0191] Beſchreibungen von Gaͤrten. VIII. Beſchreibung des Parks zu Guiſcard. *) Der alte Park war ohngefaͤhr vierhundert Acker groß, und in ſeiner innern Ein- richtung vollkommen regulaͤr. Vor dem Schloſſe ſah man eine lange Auf- fahrt, wodurch aber niemand fuhr, und die nicht angelegt war, weil man ſie noͤthig hatte, ſondern weil es die Mode ſo mit ſich brachte, daß allemal eine gerade Al- lee auf die Mitte des Schloſſes zugehen mußte, wenn man ihrer gleich entuͤbrigt ſeyn konnte. Das Ende derſelben ſtieß an einige Hoͤfe und Vorhoͤfe. Zwiſchen dieſen und dem Gartenparterre lag das Schloß nach einer mehr altfraͤnkiſchen und gewoͤhn- lichen, als angenehm in die Augen fallenden Einrichtung. Auf der rechten und lin- ken Seite waren nach allen moͤglichen geometriſchen Figuren Luſtwaͤldchen gepflanzt. Das Gehoͤlz war nach der Laͤnge und der Queere mit geraden Alleen durchhauen; ho- he Hecken umgaben die Dickigte ſo genau, daß man nur blos in den Alleen gehen, und uͤber fuͤnf Sechstel des Parks nicht genießen konnte. Das Wohnhaus mit den Zubehoͤrungen war mit großen tiefen Graͤben umgeben, die es weder zu einem ange- nehmen noch gefunden Aufenthalt machten. Die zwar großen, aber regelmaͤßigen Baſſins des Parks konnte man nicht anders ſehen, als wenn man auf ihren hohen und ſteilen Einfaſſungen ſtund. Das Waſſer darin war ſtehend; und hieraus kann man ſchon ſchließen, daß ſie mit allerhand Waſſerpflanzen angefuͤllt waren, die es unge- ſund machten, und einen haͤßlichen Anblick gaben. Der Boden ſtieg allmaͤhlig gegen das Schloß an, von dem man weiter keine Ausſicht hatte, als auf ein ſymmetriſches Parterre, das mit zwo Alleen viereckig geſchnittener Baͤume eingefaßt war, und am Ende derſelben durch eine breite Oeff- nung in dem Walde. Der hoͤchſte Theil des Bodens ſchnitt den Himmel in gera- der Linie ab, und ſtellte den Augen einen an Gegenſtaͤnden leeren Horizont dar. Der feſte thonigte Boden machte das Gehen zu allen Zeiten beſchwerlich; Naͤſſe verwan- delte ihn gleich in tiefen Koth; und bey trocknem Wetter wurden die geharkten Gaͤn- ge, *) Dieſe Beſchreibung, die aus der Théorie des Jardins (8. Paris, 1776. S. 267-306. Man ſehe 1. B. S. 134.) ge- nommen iſt, und deren aufgeklaͤrter Ver- faſſer die Gartenkunſt ſchon laͤnger als zehn Jahre ausgeuͤbt hat, beweiſet zugleich, wie gluͤcklich ſich zuweilen die alte verkehr- te Manier in neue Anlagen von Geſchmack umſchaffen laͤßt. B b 3

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 2. Leipzig, 1780, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst2_1780/191>, abgerufen am 26.04.2024.