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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782.

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nach dem Charakter der Gegenden.
als wir, uns vergnügen zu lassen. Wir hatten einen mühsamen Tag gehabt, die
Ruhe war uns nöthig. Wir ergötzten uns daher an den angenehmen Tönen, bewun-
derten den heitern Abend, streckten uns ruhig aufs Gras, und verjagten auf diese Weise
die Mattigkeit.

d.

In den meisten dieser Gegenden gränzt das Romantische zuweilen an das Er-
habene oder Heroische, und nimmt selbst einen Theil davon an. Allein in den folgen-
den Gemälden verbindet sich der Charakter des Romantischen mehr mit dem Angeneh-
men und Sanften. Und diese Milderung hat ungemein viel Einschmeichelndes für
Herzen von einem weichern und ruhigern Gefühl.

Die St. Petersinsel im Bielersee in der Schweitz.*)

Der Bielersee ist einer der reizendsten in der Schweitz. Er liegt am Fuße der
ersten Strecke des Jura; seine Länge ist etwa 3 Meilen, und seine größte Breite 1
kleine Meile. Die St. Petersinsel, die etwa eine kleine Viertelmeile lang ist, be-
steht aus einem Hügel von unregelmäßiger Gestalt, dessen größte Höhe 121 Schuh
über die Fläche des Sees erhaben ist; der See selbst ist auf seiner Oberfläche 178
Schuh höher, als der Genfersee. Dieser Hügel steigt gegen Mittag in einem sanf-
ten Abhange herab, und verliert sich unten in eine kleine Ebne, deren einen Theil wir
mit reicher Saat, den andern aber mit Wiesen bedeckt fanden. Der östliche Abhang,
welcher steiler ist, besteht in einem ziemlich großen Weinberge, und oberhalb desselben
zeigen sich Baumgärten und ein überaus angenehmer Eichenwald, welcher die ganze
Höhe des Hügels in ihrem größten Durchmesser bedeckt. Man hat durch diesen Wald
einen schönen und breiten Spatzierweg gehauen, welcher längst dem westlichen Ufer der
Insel sich hinzieht. Dieses auf eine ziemliche Tiefe hinab fast senkrecht abgeschnittene
Ufer hat etwas Wildes in seinem Anblick; dieser dient aber, um die herrlichen Land-
schaften desto besser zu erheben, welche man von diesem Spatziergang aus um Neuen-
stadt, Landeron
und viele schöne Dörfer, am westlichen Ufer des Sees am Fuße
des Jurassus mitten in großen Weinbergen angebaut, zu sehen bekömmt. Auch
das östliche Ufer des Sees macht damit einen auffallenden Contrast; sein Rand ist
hoch und steil, und zeigt nur nackte Felsen oder Wälder, die durch die Alpen bekrönt
sind, von denen man da nichts als die höchsten Gipfel erblicken kann. Mitten in

diesem
*) S. des Hrn. von Saussüre Reisen durch die Alpen. Aus dem Franz. 8. 2ter Th.
1781. S. 67-69.

nach dem Charakter der Gegenden.
als wir, uns vergnuͤgen zu laſſen. Wir hatten einen muͤhſamen Tag gehabt, die
Ruhe war uns noͤthig. Wir ergoͤtzten uns daher an den angenehmen Toͤnen, bewun-
derten den heitern Abend, ſtreckten uns ruhig aufs Gras, und verjagten auf dieſe Weiſe
die Mattigkeit.

d.

In den meiſten dieſer Gegenden graͤnzt das Romantiſche zuweilen an das Er-
habene oder Heroiſche, und nimmt ſelbſt einen Theil davon an. Allein in den folgen-
den Gemaͤlden verbindet ſich der Charakter des Romantiſchen mehr mit dem Angeneh-
men und Sanften. Und dieſe Milderung hat ungemein viel Einſchmeichelndes fuͤr
Herzen von einem weichern und ruhigern Gefuͤhl.

Die St. Petersinſel im Bielerſee in der Schweitz.*)

Der Bielerſee iſt einer der reizendſten in der Schweitz. Er liegt am Fuße der
erſten Strecke des Jura; ſeine Laͤnge iſt etwa 3 Meilen, und ſeine groͤßte Breite 1
kleine Meile. Die St. Petersinſel, die etwa eine kleine Viertelmeile lang iſt, be-
ſteht aus einem Huͤgel von unregelmaͤßiger Geſtalt, deſſen groͤßte Hoͤhe 121 Schuh
uͤber die Flaͤche des Sees erhaben iſt; der See ſelbſt iſt auf ſeiner Oberflaͤche 178
Schuh hoͤher, als der Genferſee. Dieſer Huͤgel ſteigt gegen Mittag in einem ſanf-
ten Abhange herab, und verliert ſich unten in eine kleine Ebne, deren einen Theil wir
mit reicher Saat, den andern aber mit Wieſen bedeckt fanden. Der oͤſtliche Abhang,
welcher ſteiler iſt, beſteht in einem ziemlich großen Weinberge, und oberhalb deſſelben
zeigen ſich Baumgaͤrten und ein uͤberaus angenehmer Eichenwald, welcher die ganze
Hoͤhe des Huͤgels in ihrem groͤßten Durchmeſſer bedeckt. Man hat durch dieſen Wald
einen ſchoͤnen und breiten Spatzierweg gehauen, welcher laͤngſt dem weſtlichen Ufer der
Inſel ſich hinzieht. Dieſes auf eine ziemliche Tiefe hinab faſt ſenkrecht abgeſchnittene
Ufer hat etwas Wildes in ſeinem Anblick; dieſer dient aber, um die herrlichen Land-
ſchaften deſto beſſer zu erheben, welche man von dieſem Spatziergang aus um Neuen-
ſtadt, Landeron
und viele ſchoͤne Doͤrfer, am weſtlichen Ufer des Sees am Fuße
des Juraſſus mitten in großen Weinbergen angebaut, zu ſehen bekoͤmmt. Auch
das oͤſtliche Ufer des Sees macht damit einen auffallenden Contraſt; ſein Rand iſt
hoch und ſteil, und zeigt nur nackte Felſen oder Waͤlder, die durch die Alpen bekroͤnt
ſind, von denen man da nichts als die hoͤchſten Gipfel erblicken kann. Mitten in

dieſem
*) S. des Hrn. von Sauſſuͤre Reiſen durch die Alpen. Aus dem Franz. 8. 2ter Th.
1781. S. 67-69.
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[103/0107] nach dem Charakter der Gegenden. als wir, uns vergnuͤgen zu laſſen. Wir hatten einen muͤhſamen Tag gehabt, die Ruhe war uns noͤthig. Wir ergoͤtzten uns daher an den angenehmen Toͤnen, bewun- derten den heitern Abend, ſtreckten uns ruhig aufs Gras, und verjagten auf dieſe Weiſe die Mattigkeit. d. In den meiſten dieſer Gegenden graͤnzt das Romantiſche zuweilen an das Er- habene oder Heroiſche, und nimmt ſelbſt einen Theil davon an. Allein in den folgen- den Gemaͤlden verbindet ſich der Charakter des Romantiſchen mehr mit dem Angeneh- men und Sanften. Und dieſe Milderung hat ungemein viel Einſchmeichelndes fuͤr Herzen von einem weichern und ruhigern Gefuͤhl. Die St. Petersinſel im Bielerſee in der Schweitz. *) Der Bielerſee iſt einer der reizendſten in der Schweitz. Er liegt am Fuße der erſten Strecke des Jura; ſeine Laͤnge iſt etwa 3 Meilen, und ſeine groͤßte Breite 1 kleine Meile. Die St. Petersinſel, die etwa eine kleine Viertelmeile lang iſt, be- ſteht aus einem Huͤgel von unregelmaͤßiger Geſtalt, deſſen groͤßte Hoͤhe 121 Schuh uͤber die Flaͤche des Sees erhaben iſt; der See ſelbſt iſt auf ſeiner Oberflaͤche 178 Schuh hoͤher, als der Genferſee. Dieſer Huͤgel ſteigt gegen Mittag in einem ſanf- ten Abhange herab, und verliert ſich unten in eine kleine Ebne, deren einen Theil wir mit reicher Saat, den andern aber mit Wieſen bedeckt fanden. Der oͤſtliche Abhang, welcher ſteiler iſt, beſteht in einem ziemlich großen Weinberge, und oberhalb deſſelben zeigen ſich Baumgaͤrten und ein uͤberaus angenehmer Eichenwald, welcher die ganze Hoͤhe des Huͤgels in ihrem groͤßten Durchmeſſer bedeckt. Man hat durch dieſen Wald einen ſchoͤnen und breiten Spatzierweg gehauen, welcher laͤngſt dem weſtlichen Ufer der Inſel ſich hinzieht. Dieſes auf eine ziemliche Tiefe hinab faſt ſenkrecht abgeſchnittene Ufer hat etwas Wildes in ſeinem Anblick; dieſer dient aber, um die herrlichen Land- ſchaften deſto beſſer zu erheben, welche man von dieſem Spatziergang aus um Neuen- ſtadt, Landeron und viele ſchoͤne Doͤrfer, am weſtlichen Ufer des Sees am Fuße des Juraſſus mitten in großen Weinbergen angebaut, zu ſehen bekoͤmmt. Auch das oͤſtliche Ufer des Sees macht damit einen auffallenden Contraſt; ſein Rand iſt hoch und ſteil, und zeigt nur nackte Felſen oder Waͤlder, die durch die Alpen bekroͤnt ſind, von denen man da nichts als die hoͤchſten Gipfel erblicken kann. Mitten in dieſem *) S. des Hrn. von Sauſſuͤre Reiſen durch die Alpen. Aus dem Franz. 8. 2ter Th. 1781. S. 67-69.

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst4_1782/107>, abgerufen am 27.04.2024.