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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782.

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von Gärten.

X.
Beschreibung der Leasowes.
*)

Die Leasowes oder Hirtenfelder haben ein so reizendes Ansehen, daß sie das An-
denken ihres Urhebers unschätzbar machen, und Shenstone's Ruhm rechtfer-
tigen, der die Gegend bewohnt, angelegt und besungen hat. Sie sind eine vollkom-
mene Abbildung seines unverfälschten Gemüths, und seines muntern und liebenswür-
digen Geistes; und erwecken allezeit den Zweifel, ob dieser Auftritt seine Muse begei-
stert, oder ob er in Bildung dieser Scenen nur den arcadischen Vorstellungen, deren
wir so viele in seinen Gesängen finden, die Wirklichkeit gegeben habe. Das Ganze
ist nach einerley Geschmack eingerichtet, und doch voll Abwechselung; alle Theile, aus-
genommen in etlichen wenigen Kleinigkeiten, sind ländlich und natürlich. Eigentlich
machen sie nur eine um das Wohnhaus herumgeführte Schaftrift aus; und ein eben
so ungekünstelter, eben so ungeschmückter Spatzierweg, als ein jeder gewöhnlicher Fuß-
steig in den Feldern ist, führet durch alle verschiedene Umzäunungen.

Nicht weit vom Eingange in diese Fluren fällt dieser Spatzierweg plötzlich in
ein schmales und finsteres Thal, welches mit niedrigen, auf steile und unterbrochene
Anhöhen gepflanzten, Bäumen angefüllt ist, und von einem Bache gewässert wird,
der zwischen Wurzeln und Steinen von einem natürlichen Wasserfalle in das Thal her-
abstürzt. Anfangs ist das Wasser schnell, und zeigt sich im Freyen; nachher aber
versteckt es sich unter dichten Gebüschen, und man kann ihm blos an seinem Rauschen
nachspüren. Allein da, wo es wieder zum Vorschein kömmt, ist es ruhiger, und
indem es ganz stille zwischen kleinen Gruppen von Bäumen dahin schleicht, so verliert
es sich endlich in einen am Ende befindlichen Teich. Der Ausgang dieser einsamen
Gegend öffnet sich gegen eine artige und völlig ungekünstelte Landschaft. Diese besteht

nur
*) [Spaltenumbruch] Eine berühmte Anlage im hirtenmä-
ßigen Stil von dem bekannten Dichter
Shenstone. Sie liegt in Shropshire,
zwischen Birmingham und Stourbridge.
Die Beschreibung ist aus Herrn Whately
Betrachtungen über das heutige Garten-
wesen. Man hat davon unter andern noch
Beschreibungen von Dodsley und von Hee-
[Spaltenumbruch] ly, die mehr ins Umständliche gehen, und
wovon die letztere kritische Anmerkungen
enthält. Allein die gegenwärtige Schil-
derung stellt das Genie der Anlage im Gan-
zen dar, weswegen sie hier einen Vorzug
verdient. Die berühmten Inschriften bey
einzelnen Scenen sind bereits im dritten
Bande dieses Werks S. 156 u. f. angeführt.
J i 3
von Gaͤrten.

X.
Beſchreibung der Leaſowes.
*)

Die Leaſowes oder Hirtenfelder haben ein ſo reizendes Anſehen, daß ſie das An-
denken ihres Urhebers unſchaͤtzbar machen, und Shenſtone’s Ruhm rechtfer-
tigen, der die Gegend bewohnt, angelegt und beſungen hat. Sie ſind eine vollkom-
mene Abbildung ſeines unverfaͤlſchten Gemuͤths, und ſeines muntern und liebenswuͤr-
digen Geiſtes; und erwecken allezeit den Zweifel, ob dieſer Auftritt ſeine Muſe begei-
ſtert, oder ob er in Bildung dieſer Scenen nur den arcadiſchen Vorſtellungen, deren
wir ſo viele in ſeinen Geſaͤngen finden, die Wirklichkeit gegeben habe. Das Ganze
iſt nach einerley Geſchmack eingerichtet, und doch voll Abwechſelung; alle Theile, aus-
genommen in etlichen wenigen Kleinigkeiten, ſind laͤndlich und natuͤrlich. Eigentlich
machen ſie nur eine um das Wohnhaus herumgefuͤhrte Schaftrift aus; und ein eben
ſo ungekuͤnſtelter, eben ſo ungeſchmuͤckter Spatzierweg, als ein jeder gewoͤhnlicher Fuß-
ſteig in den Feldern iſt, fuͤhret durch alle verſchiedene Umzaͤunungen.

Nicht weit vom Eingange in dieſe Fluren faͤllt dieſer Spatzierweg ploͤtzlich in
ein ſchmales und finſteres Thal, welches mit niedrigen, auf ſteile und unterbrochene
Anhoͤhen gepflanzten, Baͤumen angefuͤllt iſt, und von einem Bache gewaͤſſert wird,
der zwiſchen Wurzeln und Steinen von einem natuͤrlichen Waſſerfalle in das Thal her-
abſtuͤrzt. Anfangs iſt das Waſſer ſchnell, und zeigt ſich im Freyen; nachher aber
verſteckt es ſich unter dichten Gebuͤſchen, und man kann ihm blos an ſeinem Rauſchen
nachſpuͤren. Allein da, wo es wieder zum Vorſchein koͤmmt, iſt es ruhiger, und
indem es ganz ſtille zwiſchen kleinen Gruppen von Baͤumen dahin ſchleicht, ſo verliert
es ſich endlich in einen am Ende befindlichen Teich. Der Ausgang dieſer einſamen
Gegend oͤffnet ſich gegen eine artige und voͤllig ungekuͤnſtelte Landſchaft. Dieſe beſteht

nur
*) [Spaltenumbruch] Eine beruͤhmte Anlage im hirtenmaͤ-
ßigen Stil von dem bekannten Dichter
Shenſtone. Sie liegt in Shropſhire,
zwiſchen Birmingham und Stourbridge.
Die Beſchreibung iſt aus Herrn Whately
Betrachtungen uͤber das heutige Garten-
weſen. Man hat davon unter andern noch
Beſchreibungen von Dodsley und von Hee-
[Spaltenumbruch] ly, die mehr ins Umſtaͤndliche gehen, und
wovon die letztere kritiſche Anmerkungen
enthaͤlt. Allein die gegenwaͤrtige Schil-
derung ſtellt das Genie der Anlage im Gan-
zen dar, weswegen ſie hier einen Vorzug
verdient. Die beruͤhmten Inſchriften bey
einzelnen Scenen ſind bereits im dritten
Bande dieſes Werks S. 156 u. f. angefuͤhrt.
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[247/0251] von Gaͤrten. X. Beſchreibung der Leaſowes. *) Die Leaſowes oder Hirtenfelder haben ein ſo reizendes Anſehen, daß ſie das An- denken ihres Urhebers unſchaͤtzbar machen, und Shenſtone’s Ruhm rechtfer- tigen, der die Gegend bewohnt, angelegt und beſungen hat. Sie ſind eine vollkom- mene Abbildung ſeines unverfaͤlſchten Gemuͤths, und ſeines muntern und liebenswuͤr- digen Geiſtes; und erwecken allezeit den Zweifel, ob dieſer Auftritt ſeine Muſe begei- ſtert, oder ob er in Bildung dieſer Scenen nur den arcadiſchen Vorſtellungen, deren wir ſo viele in ſeinen Geſaͤngen finden, die Wirklichkeit gegeben habe. Das Ganze iſt nach einerley Geſchmack eingerichtet, und doch voll Abwechſelung; alle Theile, aus- genommen in etlichen wenigen Kleinigkeiten, ſind laͤndlich und natuͤrlich. Eigentlich machen ſie nur eine um das Wohnhaus herumgefuͤhrte Schaftrift aus; und ein eben ſo ungekuͤnſtelter, eben ſo ungeſchmuͤckter Spatzierweg, als ein jeder gewoͤhnlicher Fuß- ſteig in den Feldern iſt, fuͤhret durch alle verſchiedene Umzaͤunungen. Nicht weit vom Eingange in dieſe Fluren faͤllt dieſer Spatzierweg ploͤtzlich in ein ſchmales und finſteres Thal, welches mit niedrigen, auf ſteile und unterbrochene Anhoͤhen gepflanzten, Baͤumen angefuͤllt iſt, und von einem Bache gewaͤſſert wird, der zwiſchen Wurzeln und Steinen von einem natuͤrlichen Waſſerfalle in das Thal her- abſtuͤrzt. Anfangs iſt das Waſſer ſchnell, und zeigt ſich im Freyen; nachher aber verſteckt es ſich unter dichten Gebuͤſchen, und man kann ihm blos an ſeinem Rauſchen nachſpuͤren. Allein da, wo es wieder zum Vorſchein koͤmmt, iſt es ruhiger, und indem es ganz ſtille zwiſchen kleinen Gruppen von Baͤumen dahin ſchleicht, ſo verliert es ſich endlich in einen am Ende befindlichen Teich. Der Ausgang dieſer einſamen Gegend oͤffnet ſich gegen eine artige und voͤllig ungekuͤnſtelte Landſchaft. Dieſe beſteht nur *) Eine beruͤhmte Anlage im hirtenmaͤ- ßigen Stil von dem bekannten Dichter Shenſtone. Sie liegt in Shropſhire, zwiſchen Birmingham und Stourbridge. Die Beſchreibung iſt aus Herrn Whately Betrachtungen uͤber das heutige Garten- weſen. Man hat davon unter andern noch Beſchreibungen von Dodsley und von Hee- ly, die mehr ins Umſtaͤndliche gehen, und wovon die letztere kritiſche Anmerkungen enthaͤlt. Allein die gegenwaͤrtige Schil- derung ſtellt das Genie der Anlage im Gan- zen dar, weswegen ſie hier einen Vorzug verdient. Die beruͤhmten Inſchriften bey einzelnen Scenen ſind bereits im dritten Bande dieſes Werks S. 156 u. f. angefuͤhrt. J i 3

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 4. Leipzig, 1782, S. 247. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst4_1782/251>, abgerufen am 26.04.2024.