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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.

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Achter Abschn. Gartenmäßige Verschöner. einzelner Theile etc.
sehr malerischen Lagen und Gestalten. Bald heben sie sich zu steilen Höhen, bald
senken sie sich wieder zu mittlern Bergen herab, zuweilen mit scharfen Absätzen,
meistens aber mit schönen wellenförmigen Erhebungen. Sie rücken zuweilen der
Straße so nahe, als wollten sie eine noch größere Aufmerksamkeit fordern. Es ist
eine weit prächtigere Strecke von Gebirgen als der Harz, prächtiger in der ganzen
Lage und in der Zeichnung der Umrisse. -- Ich darf hiebey bemerken, daß das
Harzgebirge, nach meinen wiederholten Reisen zu den Alpen, niemals einen son-
derlichen Eindruck auf mich gemacht, obgleich die dunkeln Wälder vom Nadelholz,
womit es bedeckt ist, ihm ein ehrwürdiges Ansehen geben. -- Die Gebirge von
Lothringen sanken, als ich das letztemal die Straße befuhr, allmählich in das
feyerliche Dunkel eines abgeregneten ruhigen Sommerabends; doch blieb über ihren
Häuptern die ganze Helle der Abendröthe schweben, welche den Saum der stillen
Wolken, die neue Gebirge zu seyn schienen, vergoldete und hin und wieder einen
matten Lichtstrahl in ihre Finsterniß hinaufschoß; eine erhabene Scene, wie Ossian
der Natur nachmalt. -- Wo sich die Straße von Colmar nach Breysach gegen
den Rhein wendet, verliert man nach und nach diese prächtigen Berge aus dem
Gesichte. Doch bleibt der Weg immer lebhaft und anmuthig; der König der deut-
schen
Ströme erscheint bey Kemps in einigen glänzenden Ansichten; und bald fan-
gen die Vorgebirge der Schweiz und der Prospect von Basel an, das Auge mit
ihrem Zauber zu reizen. *)



Erster
*) Von den helvetischen Landstraßen die Schweiz zu reden Gelegenheit neh-
werde ich in meinen neuen Briefen über men.

Achter Abſchn. Gartenmaͤßige Verſchoͤner. einzelner Theile ꝛc.
ſehr maleriſchen Lagen und Geſtalten. Bald heben ſie ſich zu ſteilen Hoͤhen, bald
ſenken ſie ſich wieder zu mittlern Bergen herab, zuweilen mit ſcharfen Abſaͤtzen,
meiſtens aber mit ſchoͤnen wellenfoͤrmigen Erhebungen. Sie ruͤcken zuweilen der
Straße ſo nahe, als wollten ſie eine noch groͤßere Aufmerkſamkeit fordern. Es iſt
eine weit praͤchtigere Strecke von Gebirgen als der Harz, praͤchtiger in der ganzen
Lage und in der Zeichnung der Umriſſe. — Ich darf hiebey bemerken, daß das
Harzgebirge, nach meinen wiederholten Reiſen zu den Alpen, niemals einen ſon-
derlichen Eindruck auf mich gemacht, obgleich die dunkeln Waͤlder vom Nadelholz,
womit es bedeckt iſt, ihm ein ehrwuͤrdiges Anſehen geben. — Die Gebirge von
Lothringen ſanken, als ich das letztemal die Straße befuhr, allmaͤhlich in das
feyerliche Dunkel eines abgeregneten ruhigen Sommerabends; doch blieb uͤber ihren
Haͤuptern die ganze Helle der Abendroͤthe ſchweben, welche den Saum der ſtillen
Wolken, die neue Gebirge zu ſeyn ſchienen, vergoldete und hin und wieder einen
matten Lichtſtrahl in ihre Finſterniß hinaufſchoß; eine erhabene Scene, wie Oſſian
der Natur nachmalt. — Wo ſich die Straße von Colmar nach Breyſach gegen
den Rhein wendet, verliert man nach und nach dieſe praͤchtigen Berge aus dem
Geſichte. Doch bleibt der Weg immer lebhaft und anmuthig; der Koͤnig der deut-
ſchen
Stroͤme erſcheint bey Kemps in einigen glaͤnzenden Anſichten; und bald fan-
gen die Vorgebirge der Schweiz und der Proſpect von Baſel an, das Auge mit
ihrem Zauber zu reizen. *)



Erſter
*) Von den helvetiſchen Landſtraßen die Schweiz zu reden Gelegenheit neh-
werde ich in meinen neuen Briefen uͤber men.
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[194/0202] Achter Abſchn. Gartenmaͤßige Verſchoͤner. einzelner Theile ꝛc. ſehr maleriſchen Lagen und Geſtalten. Bald heben ſie ſich zu ſteilen Hoͤhen, bald ſenken ſie ſich wieder zu mittlern Bergen herab, zuweilen mit ſcharfen Abſaͤtzen, meiſtens aber mit ſchoͤnen wellenfoͤrmigen Erhebungen. Sie ruͤcken zuweilen der Straße ſo nahe, als wollten ſie eine noch groͤßere Aufmerkſamkeit fordern. Es iſt eine weit praͤchtigere Strecke von Gebirgen als der Harz, praͤchtiger in der ganzen Lage und in der Zeichnung der Umriſſe. — Ich darf hiebey bemerken, daß das Harzgebirge, nach meinen wiederholten Reiſen zu den Alpen, niemals einen ſon- derlichen Eindruck auf mich gemacht, obgleich die dunkeln Waͤlder vom Nadelholz, womit es bedeckt iſt, ihm ein ehrwuͤrdiges Anſehen geben. — Die Gebirge von Lothringen ſanken, als ich das letztemal die Straße befuhr, allmaͤhlich in das feyerliche Dunkel eines abgeregneten ruhigen Sommerabends; doch blieb uͤber ihren Haͤuptern die ganze Helle der Abendroͤthe ſchweben, welche den Saum der ſtillen Wolken, die neue Gebirge zu ſeyn ſchienen, vergoldete und hin und wieder einen matten Lichtſtrahl in ihre Finſterniß hinaufſchoß; eine erhabene Scene, wie Oſſian der Natur nachmalt. — Wo ſich die Straße von Colmar nach Breyſach gegen den Rhein wendet, verliert man nach und nach dieſe praͤchtigen Berge aus dem Geſichte. Doch bleibt der Weg immer lebhaft und anmuthig; der Koͤnig der deut- ſchen Stroͤme erſcheint bey Kemps in einigen glaͤnzenden Anſichten; und bald fan- gen die Vorgebirge der Schweiz und der Proſpect von Baſel an, das Auge mit ihrem Zauber zu reizen. *) Erſter *) Von den helvetiſchen Landſtraßen die Schweiz zu reden Gelegenheit neh- werde ich in meinen neuen Briefen uͤber men.

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/202>, abgerufen am 26.04.2024.