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Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785.

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von besondern Bestimmungen abhängig ist.
heiligen Schauer. Eine Lage in einem buschvollen Thal von anliegenden steilen Hö-
hen beschattet, in dem Dunkel eines dicken Waldes, zwischen Bergen von Tannen
geschwärzt, an ruhenden mit Gebüschen eingeschlossenen Gewässern, die kein Hauch
der Winde belebt, wo der blasse Schimmer des Mondes in feyerlicher Stille zerfließt,
und die nahen Bäume und Gebüsche durch die Mischung von Finsterniß und Helle
in unkennbare schauervolle Gestalten wandelt -- eine solche Lage ist zu dieser Gat-
tung unentbehrlich. Die Bepflanzung muß in dichten Haynen, gedrängten Klum-
pen und waldigten Wildnissen bestehen, mit Bäumen vom dunkeln und schwärzli-
chen Grün, als der gemeinen Eller, der schwarzen Eiche, besonders mit Taxus,
abendländischen Lebensbäumen (Thuia occident. L.) Fichten, Tannen, und andern
Nadelhölzern. Die Pflanzungen müssen sich nahe an einander anschließen, um keine
beträchtliche heitere Zwischenräume zu lassen, die dem Eindruck des Ganzen schaden
könnten, und um Schatten und Dunkelheit zu verstärken. Hohe bejahrte Eichen
und andere ausgebreitete Waldbäume, die schon die Vorwelt beschatteten, sind für
Anlagen dieser Art eben so willkommen, als dichte, waldigte, unwegsame Gebüsche
und Wildnisse; sie können zu interessanten Scenen mit der besten Wirkung benutzt
werden. Keine glänzende Blumengruppen, keine lebhaft blühende Sträucher, keine
lachende Rasen, keine spielende Bäche, keine heitere Aussichten dürfen hier den
Ernst der Pflanzung unterbrechen. Sie mag sich in gebildeten finstern Gruppen und
melancholischen Haynen zeigen, oder in schmalen wilden Waldlabyrinthen von über-
hängenden Laubdecken verdüstert, oder in langen schauerlichen Bogengängen, welche
die Roßkastanie und die Fichte, die Balsampappel und der Eibenbaum mit einem
tiefen Dunkel füllen, oder in verborgenen Schattenwinkeln, die heilige Monumente
einschließen -- überall muß sie dem Charakter getreu bleiben, den diese Gattung
heischt. Die Hayne, die Gruppen, die Schattengänge können mit kleinen Gebet-
häusern und Kapellen, *) mit Einsiedeleyen, **) mit Denkmälern abgeschiedener
Freunde, ***) mit Ruinen, +) und selbst mit Gräbern besetzt werden, und dadurch
an Feyerlichkeit und rührender Kraft gewinnen. Alles, was die Vergänglichkeit
der Scenen dieser Welt fühlen läßt, und zugleich den Geist zu höhern Hoffnungen
eines unverwelklichen Paradieses hebt, ist dieser Gattung gemäß. Noch interessanter
werden die Denkmäler, wenn sie keine leere Urnen ohne Bestimmung sind, so ge-

wöhnlich
*) S. 3ten B. S. 108 u. f.
**) S. 96 u. f.
***) S. 55-57. 80. 139 u. f.
+) S. 110 u. f.
V Band. L

von beſondern Beſtimmungen abhaͤngig iſt.
heiligen Schauer. Eine Lage in einem buſchvollen Thal von anliegenden ſteilen Hoͤ-
hen beſchattet, in dem Dunkel eines dicken Waldes, zwiſchen Bergen von Tannen
geſchwaͤrzt, an ruhenden mit Gebuͤſchen eingeſchloſſenen Gewaͤſſern, die kein Hauch
der Winde belebt, wo der blaſſe Schimmer des Mondes in feyerlicher Stille zerfließt,
und die nahen Baͤume und Gebuͤſche durch die Miſchung von Finſterniß und Helle
in unkennbare ſchauervolle Geſtalten wandelt — eine ſolche Lage iſt zu dieſer Gat-
tung unentbehrlich. Die Bepflanzung muß in dichten Haynen, gedraͤngten Klum-
pen und waldigten Wildniſſen beſtehen, mit Baͤumen vom dunkeln und ſchwaͤrzli-
chen Gruͤn, als der gemeinen Eller, der ſchwarzen Eiche, beſonders mit Taxus,
abendlaͤndiſchen Lebensbaͤumen (Thuia occident. L.) Fichten, Tannen, und andern
Nadelhoͤlzern. Die Pflanzungen muͤſſen ſich nahe an einander anſchließen, um keine
betraͤchtliche heitere Zwiſchenraͤume zu laſſen, die dem Eindruck des Ganzen ſchaden
koͤnnten, und um Schatten und Dunkelheit zu verſtaͤrken. Hohe bejahrte Eichen
und andere ausgebreitete Waldbaͤume, die ſchon die Vorwelt beſchatteten, ſind fuͤr
Anlagen dieſer Art eben ſo willkommen, als dichte, waldigte, unwegſame Gebuͤſche
und Wildniſſe; ſie koͤnnen zu intereſſanten Scenen mit der beſten Wirkung benutzt
werden. Keine glaͤnzende Blumengruppen, keine lebhaft bluͤhende Straͤucher, keine
lachende Raſen, keine ſpielende Baͤche, keine heitere Ausſichten duͤrfen hier den
Ernſt der Pflanzung unterbrechen. Sie mag ſich in gebildeten finſtern Gruppen und
melancholiſchen Haynen zeigen, oder in ſchmalen wilden Waldlabyrinthen von uͤber-
haͤngenden Laubdecken verduͤſtert, oder in langen ſchauerlichen Bogengaͤngen, welche
die Roßkaſtanie und die Fichte, die Balſampappel und der Eibenbaum mit einem
tiefen Dunkel fuͤllen, oder in verborgenen Schattenwinkeln, die heilige Monumente
einſchließen — uͤberall muß ſie dem Charakter getreu bleiben, den dieſe Gattung
heiſcht. Die Hayne, die Gruppen, die Schattengaͤnge koͤnnen mit kleinen Gebet-
haͤuſern und Kapellen, *) mit Einſiedeleyen, **) mit Denkmaͤlern abgeſchiedener
Freunde, ***) mit Ruinen, †) und ſelbſt mit Graͤbern beſetzt werden, und dadurch
an Feyerlichkeit und ruͤhrender Kraft gewinnen. Alles, was die Vergaͤnglichkeit
der Scenen dieſer Welt fuͤhlen laͤßt, und zugleich den Geiſt zu hoͤhern Hoffnungen
eines unverwelklichen Paradieſes hebt, iſt dieſer Gattung gemaͤß. Noch intereſſanter
werden die Denkmaͤler, wenn ſie keine leere Urnen ohne Beſtimmung ſind, ſo ge-

woͤhnlich
*) S. 3ten B. S. 108 u. f.
**) S. 96 u. f.
***) S. 55-57. 80. 139 u. f.
†) S. 110 u. f.
V Band. L
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[81/0089] von beſondern Beſtimmungen abhaͤngig iſt. heiligen Schauer. Eine Lage in einem buſchvollen Thal von anliegenden ſteilen Hoͤ- hen beſchattet, in dem Dunkel eines dicken Waldes, zwiſchen Bergen von Tannen geſchwaͤrzt, an ruhenden mit Gebuͤſchen eingeſchloſſenen Gewaͤſſern, die kein Hauch der Winde belebt, wo der blaſſe Schimmer des Mondes in feyerlicher Stille zerfließt, und die nahen Baͤume und Gebuͤſche durch die Miſchung von Finſterniß und Helle in unkennbare ſchauervolle Geſtalten wandelt — eine ſolche Lage iſt zu dieſer Gat- tung unentbehrlich. Die Bepflanzung muß in dichten Haynen, gedraͤngten Klum- pen und waldigten Wildniſſen beſtehen, mit Baͤumen vom dunkeln und ſchwaͤrzli- chen Gruͤn, als der gemeinen Eller, der ſchwarzen Eiche, beſonders mit Taxus, abendlaͤndiſchen Lebensbaͤumen (Thuia occident. L.) Fichten, Tannen, und andern Nadelhoͤlzern. Die Pflanzungen muͤſſen ſich nahe an einander anſchließen, um keine betraͤchtliche heitere Zwiſchenraͤume zu laſſen, die dem Eindruck des Ganzen ſchaden koͤnnten, und um Schatten und Dunkelheit zu verſtaͤrken. Hohe bejahrte Eichen und andere ausgebreitete Waldbaͤume, die ſchon die Vorwelt beſchatteten, ſind fuͤr Anlagen dieſer Art eben ſo willkommen, als dichte, waldigte, unwegſame Gebuͤſche und Wildniſſe; ſie koͤnnen zu intereſſanten Scenen mit der beſten Wirkung benutzt werden. Keine glaͤnzende Blumengruppen, keine lebhaft bluͤhende Straͤucher, keine lachende Raſen, keine ſpielende Baͤche, keine heitere Ausſichten duͤrfen hier den Ernſt der Pflanzung unterbrechen. Sie mag ſich in gebildeten finſtern Gruppen und melancholiſchen Haynen zeigen, oder in ſchmalen wilden Waldlabyrinthen von uͤber- haͤngenden Laubdecken verduͤſtert, oder in langen ſchauerlichen Bogengaͤngen, welche die Roßkaſtanie und die Fichte, die Balſampappel und der Eibenbaum mit einem tiefen Dunkel fuͤllen, oder in verborgenen Schattenwinkeln, die heilige Monumente einſchließen — uͤberall muß ſie dem Charakter getreu bleiben, den dieſe Gattung heiſcht. Die Hayne, die Gruppen, die Schattengaͤnge koͤnnen mit kleinen Gebet- haͤuſern und Kapellen, *) mit Einſiedeleyen, **) mit Denkmaͤlern abgeſchiedener Freunde, ***) mit Ruinen, †) und ſelbſt mit Graͤbern beſetzt werden, und dadurch an Feyerlichkeit und ruͤhrender Kraft gewinnen. Alles, was die Vergaͤnglichkeit der Scenen dieſer Welt fuͤhlen laͤßt, und zugleich den Geiſt zu hoͤhern Hoffnungen eines unverwelklichen Paradieſes hebt, iſt dieſer Gattung gemaͤß. Noch intereſſanter werden die Denkmaͤler, wenn ſie keine leere Urnen ohne Beſtimmung ſind, ſo ge- woͤhnlich *) S. 3ten B. S. 108 u. f. **) S. 96 u. f. ***) S. 55-57. 80. 139 u. f. †) S. 110 u. f. V Band. L

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Zitationshilfe: Hirschfeld, Christian Cay Lorenz: Theorie der Gartenkunst. Bd. 5. Leipzig, 1785, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hirschfeld_gartenkunst5_1785/89>, abgerufen am 26.04.2024.